Druckartikel: Und leise rieselt der Kunstschnee

Und leise rieselt der Kunstschnee


Autor: Pauline Lindner

Haundorf, Mittwoch, 29. August 2012

Bei den Krippenbauern ist auch im Hochsommer ein bisschen Weihnachten. Neue Perspektiven zeigt ihnen der Garmischer Martin Königsdorfer.
Klaus Bleimüller und Martin Königsteiner zeichnen den Grundriss einer Kastenkrippe. Fotos: Pauline Lindner


Dieser Tage beschrieb jemand die Temperaturen mit "da schmilzt ja sogar der Kunstschnee". Martin Lukasch von den Krippenbaufreunden Herzogenaurach lacht hellauf, als er den Spruch hört, verbindet man doch sein künstlerisches Hobby gemeinhin mit Winter, Weihnachten und - Schnee. Doch damit haben die sechs Krippenbauer im Werkraum unter dem Haundorfer Kindergarten wenig im Sinn. Und bei diesem Wochenendseminar schon gar nicht.

Vier Männer und zwei Frauen sitzen gebeugt über Zeichenblöcken, zeichnen hier und dort eine Linie, messen Abstand und Winkel. Radieren und korrigieren schon mal. Fast wie in einem Architekturbüro.

Die Krippenfreunde haben sich aus Garmisch Martin Königsdorfer geholt. "Aus Oberammergau", korrigiert er die Vorstellung. Dorthin ist er jüngst gezogen, unterrichtet aber weiterhin an der Fachschule für Holz und Gestaltung im Werdenfelser Land. Königsdorfer soll die Herzogenauracher in die Geheimnisse der Zentralperspektive im Krippenbau einführen.

Die Sechs wollen sogenannte Kastenkrippen bauen. Das sind, vereinfacht ausgedrückt, Guckkastenbühnen mit biblischem Geschehen. "Krippen nennt man auch gefrorenes Theater", bestätigt Lukasch die Assoziationen, die bei Königsdorfers "Modell", einer dreidimensionalen Papierkrippe, aufkommen.

Für seine Herzogenauracher Schüler hat er die Szene der Herbergssuche ausgewählt. "Weil sie in den Gassen von Bethlehem spielt", erläutert er. Und an einer Gebäudeszenerie könne man das perspektivische Gestalten am besten einüben.

Das heißt, erstmal die Theorie rekapitulieren: die Sache mit dem Fluchtpunkt, auf den alle Achsen zulaufen; die Verkürzung der Winkel und Längen, das Größenverhältnis der Personen im Hintergrund zu denen im Vordergrund.

Klaus Bleimüller hat die Ansicht seiner Krippe von vorne gezeichnet. Jetzt geht es darum, den Grundriss darzustellen und für die späteren Gebäude den Standort auf der Bauunterlage festzulegen. Königsteiner rät ihm, sie etwas mehr zueinander zu versetzten. Auch Maria José Escobeda lässt ihre beiden Pläne von Königsteiner auf Stimmigkeit überprüfen.

Dann geht es an der ersten Teil der Umsetzung. "Wir arbeiten mit einer ansteigenden Perspektive", erinnert Königsteiner nochmals. Das heißt, auf der Grundplatte müssen die Krippenbauer den Untergrund der Szene leicht nach hinten erhöht aufbauen.

Königsteiner nimmt dazu ganz weiche Faserplatte, die er bricht und mit einem Stift spaltet. In kleinen Teilen ordnet er sich unregelmäßig, aber schräg höher werdend an. "Das ist natürlicher als ausgesägte Stufungen", erklärt er.

Und dann bricht Königsteiner in den Augen der Herzogenauracher Krippenfreunde mit allen Traditionen. Denn er bittet um - Heißkleber. Der scheint bei manchen Krippenbauschulen sehr verpönt zu sein.

Doch Königsteiner lässt sich nicht beirren. "Weil es praktischer ist", geht es doch nur darum die Untergrundschichten auf der Trägerplatte festzuheften. "Richtigen Halt bekommen sie später durch den Überzug aus Krippenmörtel oder Gips."

Die Krippenbauer schneiden ihre Platten zurecht und beginnen nach Königsteiners Vorbild, ihr Gelände zu modellieren.


Es geht in die Höhe


Am nächsten Morgen wird es um die hinten gerundete Kulissenwand gehen und dann müssen die Gebäude aufgebaut werden. Mit vielen Details und Haupt-und Nebengeschehen - eben wie im Theater - wird dann auch eine als Krippenspiel beliebte Geschichte entstanden sein.

Geschichten, die für jedermann verständlich sind. Auch oder gerade für die, die des Lesens nicht kundig waren. Und das waren in der Anfangszeiten der Krippen die allermeisten Leute. Für sie hatte man schon die Kirchenwände mit biblischen Szenen, der sogenannten biblia pauperum (Armenbibel), geschmückt, aber in drei Dimensionen waren sie noch viel beeindruckender und lebensnäher. Wenn man so will, waren die Bilder und sind die Krippen bis heute auch eine Form von Multimedia. Solche Assoziationen zum Krippenbau sind Lukasch sympathischer als Verknüpfungen mit Schnee und winterlicher Heimeligkeit.