Umweltfreundlicher Schaumstoff aus Herzogenaurach
Autor: Waltraud Enkert
Herzogenaurach, Mittwoch, 12. August 2020
Das Start-up-Unternehmen Eco-Softfibre macht aus einem Abfallprodukt einen Schaumstoff mit ungewöhnlichen Eigenschaften.
Mit knapp 70 Jahren hat Wolfgang Coutandin ein Start-up-Unternehmen gegründet.Der Name: Eco-Softfibre. Das Unternehmen hat einen Weich-Schaumstoff aus umweltfreundlichem, ökologisch nachhaltigem und recyclingfähigem Naturmaterial entwickelt. Das Produkt soll vorwiegend zum Schallschutz eingesetzt werden, aber auch im Bereich von Polstereien, etwa in der Möbel-, Schuh- und Automobilindustrie. Dabei wird der Schaumstoff aus einem Abfallprodukt hergestellt, genauer gesagt aus Leder. Wolfgang Coutandin erklärt, wie es dazu gekommen ist.
Mit seiner Arbeit als Coach für die EU im Rahmen des Förderprogramms "Horizon 2020" unterstützt er junge Unternehmer in der Vermarktung ihrer Produkte. Dabei hat er auch Einblick in Gerbereien im Ausland bekommen. Tierhäute werden enthaart, gegerbt und auf eine einheitliche Dicke gebracht. Genau hier wurde Coutandin stutzig, denn durch das stetige Abraspeln von Leder entsteht viel Abfall. Lederfasern. Zum Wegwerfen zu schade, fand er.
Zusammen mit einem Kollegen machten sie ihre Herzogenauracher Garage zum Versuchslabor. Anderthalb Jahre experimentierten sie mit Erfindergeist, bevor im November 2019 der Entschluss reifte, ein Start-up zu gründen.
Coutandin war es gelungen, einen leicht zu verarbeitenden Schaumstoff herzustellen, dennoch formstabil, mit natürlichem Flammschutz, offenporig und atmungsaktiv bei leichtem Gewicht und auch noch wärmeisolierend. Konkurrenzprodukte mit ähnlichen physikalischen Eigenschaften gibt es wohl, aber diese sind Erdöl-basiert mit den damit verbundenen Nachteilen. Coutandin setzt mit seinen Produkten auf ökologische Unbedenklichkeit und trifft damit auf einen Markt, der längst kein Nischen-Dasein mehr führt.
Die Oberfläche des Leder-Schaumstoffs kann nach Belieben geformt werden, auch farblich gesehen besteht große Auswahl.
Doch: "Egal, wie gut die Geschäftsidee ist, als Rentner überlegt man sich sehr genau, ob und wie viel man von den fürs Alter gebildeten Rücklagen angreifen möchte", sagt Coutandin.
Vor seinem Rentenalter hat er über 30 Jahre bei Siemens im oberen Führungskreis gearbeitet. Zuletzt war er bei Siemens in München und Erlangen eingesetzt. Der erfahrene Coach hat trotz allem den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Inzwischen gehören fünf Leute zu seinem Team.
Zum 1. August wurde in einem ersten Schritt auf dem Siemensgelände in Görlitz ein Forschungslabor eröffnet, in dem der Weich-Schaumstoff stetig verbessert wird. Nächstes Ziel ist die Zertifizierung nach dem Öko-Tex-Standard. In zwei Jahren etwa, so Coutandin, soll die Fertigung im industriellen Maßstab beginnen. Damit die Transportwege kurz bleiben, soll die Fertigung am Standort einer oberfränkischen Gerberei entstehen, mit der eine strategische Partnerschaft geplant ist.
In diesem Jahr hat das Start-up-Unternehmen Eco-Softfibre am Businessplan-Wettbewerb Nordbayern teilgenommen. "Wir gehörten zu den sieben Finalisten, 150 Start-ups hatten sich beteiligt", berichtet der Unternehmer. Und er geht auch auf Hürden ein, die bei der Unternehmensgründung zu überwinden waren. Auch oder gerade wegen Corona sei die digitale Kommunikation mit Ämtern dringend notwendig gewesen. Doch dort seien die Prozesse oft noch Papier-basiert. Monatelang habe man auf die Umsatzsteuer-ID warten müssen. "Wir waren EU-weit handlungsunfähig, denn ohne Umsatzsteuer-ID konnte unser Einkauf nichts bestellen und nichts bezahlen." Notwendige Maschinen aus dem Ausland konnte man wegen der Grenzschließung nicht besichtigen und testen.
Alles in allem kam es so zu drei Monaten Verzug, so dass selbst Einstellungstermine für Mitarbeiter verschoben werden mussten.
Doch das ist schon wieder Schnee von gestern. Jetzt liegt der Schwerpunkt auf der zu bauenden Fertigung für ein Abfallprodukt, das jetzt einem umweltfreundlichen Kreislauf zugeführt wird.
Rein theoretisch wäre der Einsatz auch als Gebäudedämmung denkbar, aber dafür sei das Produkt zu hochwertig, sagt Coutandin.