Uehlfeld: NPD startet digitale Hexenjagd gegen CSU-Bürgermeister
Autor: Anna-Lena Deuerling
Uehlfeld, Donnerstag, 07. Sept. 2017
Ein CSU-Bürgermeister entfernt ein ordnungswidrig aufgehängtes NPD-Plakat - die Partei nutzt ein Video der Aktion für eine perfide Hexenjagd im Netz.
"CSU-Bürgermeister beim Plakatdiebstahl erwischt" titelt die NPD - Seit Anfang der Woche kursiert ein entsprechendes Video im Internet. Auf der leicht verwackelten Handyaufnahme ist ein Mann zu sehen, der vor der protestantischen Kirche in der Gemeinde Uehlfeld Wahlplakate der NPD entfernt. Der Filmemacher kommentiert das Video "Aha, der Bürgermeister Stöcker".
Dass es sich um seine Person handelt, bestätigt Werner Stöcker (CSU) dem FT. Er bestätigt ebenfalls, dass an dieser Stelle wiederholt Plakate entfernt wurden - auch ein Plakat der CSU. Ausschlaggebend ist nämlich nicht die Partei, sondern der Ort. In der Plakatierungsverordnung der Verwaltungsgemeinschaft Uehlfeld sei das Plakatieren in unmittelbarer Nähe von Kirche oder Friedhof verboten, so Stöcker.
Wenige Hundert Meter weiter - gegenüber Tankstelle und Autohaus Stöcker, die der Bürgermeister im Übrigen selbst betreibt - hängt nach wie vor ein unversehrtes Plakat der NPD nebst vielen weiteren Plakaten zur Bundestagswahl.
Beleidigungen und Drohungen
"Sein Autohaus schätzt Kundenkontakt" schreibt ein Nutzer auf YouTube zweideutig unter das Video, dazu Adresse und Kontaktdaten von Stöcker - öffentlich für alle sichtbar. Das Video hat mittlerweile fast 20 000 Aufrufe und zahlreiche Kommentare aus der NPD-Ecke. Neben Beleidigungen und Aufrufen zur Selbstjustiz auf der Videoplattform hat das Video auch im echten Leben Auswirkungen für Stöcker. Er berichtet von massiven Drohungen gegen seine Person. Genaue Auskünfte könne er zu Sache noch nicht machen. Ermittlungen laufen, Verfassungs- und Staatsschutz seien involviert. Aufmerksamkeit hat das Filmchen vor allem über die bundesweite Website der NPD bekommen. Dort brüstet man sich auch mit der schnellen Verbreitung des Videos über soziale Medien. "Die Schmach, ein Demokratiefeind zu sein" würde noch lange an Stöcker haften bleiben, dafür sorge der Videobeweis. Während die NPD auf ihrer Seite von einem "aufmerksamen Bürger" schreibt, der das Geschehen beobachtet und gefilmt hat, geht Stöcker klar von einer Falle aus.
In der Pressemitteilung spricht die Partei davon, den hiesigen Bürgermeister "ertappt" zu haben, er sei "nicht mehr tragbar" - rechtliche Schritte seien eingeleitet. Die NPD wirft Stöcker vor, Verachtung für demokratische Wahlen zu zeigen und stellt ihn der linkskriminellen Antifa gleich. Eine Anzeige ist bei Stöcker noch nicht eingegangen.
Auf dem entfernten Plakat der NPD hieß es neben dem Konterfei von Martin Luther "Ich würde NPD wählen - Ich könnte nicht anders." Dass das bekannte Zitat des Reformators "Hier stehe ich, ich kann nicht anders" verfremdet wurde, hat bereits vor einigen Wochen für Unmut gesorgt. Die DEK (Deutsche Evangelische Kirche) hat sich klar von der Instrumentalisierung Martin Luthers (1483-1546) auf den Wahlplakaten der NPD distanziert.
Die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt prüft zudem juristische Schritte gegen die rechtsextreme Partei. Die Bildrechte für das verwendete Abbild des Reformators liege bei der Stiftung, die Verwendung des Bildes durch die NPD sei daher rechtswidrig.
Kommentar von Andreas Dorsch: Wahlkampf nach NPD-Manier
ich mit Argumenten der Diskussion stellen - das tun eigentlich alle Parteien, die auf der Basis der Demokratie stehen, fast alle. Obwohl kürzlich erst noch einmal dem Verbot entronnen, hält man bei der NPD offensichtlich nichts davon, sich im Wahlkampf mit Bürgern oder den politischen Gegnern verbal auseinander zu setzen.
Die Rechtsextremen schießen aus dem Hinterhalt, die Wahrheit spielt dabei keine Rolle.
Da wird ein Anlass konstruiert, um den Bürgermeister einer etablierten Partei zu einer Aktion zu verleiten, die hinterrücks aus einem Auto heraus mit dem Handy gefilmt wird. Garniert mit Halb- und Unwahrheiten landet das Filmchen dann auf der Homepage der Partei. Sein Ziel, die Stimmung unter den rechten Gesinnungsgenossen kräftig anzuheizen, verfehlt es nicht, wie die bundesweiten Hass- und Drohkommentare zeigen. Seht her, sogar Bürgermeister reißen unsere Plakate herunter. Unabhängig davon, dass es Martin Luther wohl kaum gefallen hätte, ein NPD-Plakat vor seiner Kirche zu zieren, hat der Uehlfelder Bürgermeister nur vollzogen, was für alle anderen auch gilt. Aber was schert das die NPD. Jetzt ermitteln halt wieder mal Polizei und Staatsschutz.