Szenario: Stadtrat beschließt das "Bergkerwa-Aus"
Autor: Michael Busch
Erlangen, Mittwoch, 22. Mai 2013
Der Berg läuft. Es ist Zeit, sich mal (nicht ganz ernsthafte) Gedanken zur Zukunft zu machen.
Einlasskontrolle am Berg. Der Personalausweis wird gescannt, unter 20-Jährige erhalten einen roten Gürtel, der getragen werden muss. Zwecks des Alkoholverbotes für Kinder und junge Heranwachsende. Dann gibt es noch die obligatorischen Ohrstöpsel, die alle Rummel-Geräusche direkt übertragen.
Wir schreiben das Jahr 2063 - und sind auf der Erlanger Bergkirchweih. Bereits am dritten Tag, einen Tag vor dem Ende der Kerwa, erinnern sich die "Alten" an vergangene Zeiten. Damals, Anfang der 2000er Jahre war sie irgendwie gemütlicher, aber dann fingen die Einschränkungen ein. Da gab es zum Beispiel einen echten Fass- Anstich, mit echtem und vor allem bezahlbarem Bier. Als der "Bürgermeister Ehrenhalber, Siegfried Balleis" im Jahr 2038 sich mit dem Hammer allerdings beim dritten Schlag die Hand zertrümmerte, weil die Augen nicht mehr so mitmachten, musste ein neues Sicherheitskonzept her.
Musik weg vom Berg
Zunächst wechselte man auf Plastikflaschen, um diese zu entkorken, doch angesichts der steigenden Bierpreise war das Vergnügen des Bieranstiches irgendwann Vergangenheit. Die Maß liegt heuer, also im Jahr 2063, bei 74,80 Euro. Die Brauer schieben das wie seit Jahrzehnten auf die gestiegenen Kornkosten. Nun erfolgt der Videoanstich halt per Leinwand. Immer wieder gern gesehen sind die Anstiche aus den Jahren 1998, 2009 und 2013.
Was sich auch verändert hat, wissen die Alten, dass der Berg sehr ruhig geworden ist. Alle Geräusche inklusive der Musik werden nur noch digital erzeugt und direkt übertragen. Ohne diese Stöpsel hört man nur noch das Klicken der Gewehre am virtuellen Schießstand - sonst ist es ruhig. Kapellen? Ja, auch diese sind auf Videoleinwänden zu sehen. Aber nur noch an zwei Sammelplätzen, die außerhalb der eigentlichen Bergzone liegen.
Das lag vor allem am Jahr 2013. Da wurde das neue Sicherheitskonzept vorgestellt. Mit diesem sollten die Massen an Besuchern besser gelenkt werden, um die Enge am Berg zu vermeiden. Da die Maßnahme, die Musik vom Publikum wegspielen zu lassen, nicht wirklich griff, entschied man sich einige Jahre später zu dem ungewöhnlichen Schritt, die Musik ganz auszulagern. Da aber immer weniger Besucher kamen, wurde die Bühne mit einer Leinwand ausgetauscht.
Schade finden die "Alten" auch, dass das Riesenrad nicht mehr fährt. Eine Attrappe gibt es noch, immerhin ist das Rad das Symbol der Kerwa. Aber nachdem im Jahr 2022 ein Junge einen Kirschkern aus der Gondel gespuckt hatte und dieser Kern einen handtellergroßen blauen Fleck auf der Schulter des damaligen bayerischen Innenministers hinterlassen hatte, wurde die Gefahr eines beabsichtigten Anschlages gesehen und der Betrieb des Riesenrades verboten. Insgesamt dürfen die Fahrgeschäfte nicht mehr höher als drei Meter sein. Pfiffige Schausteller haben allerdings eine Gesetzeslücke entdeckt und bringen mittlerweile ihre Keller mit, die bis zu 13 Meter in den Boden gehen.
Apropos Keller: Auch da hat sich in den Jahren einiges getan. Die Bänke wurden durch Sitze entfernt, von denen aus man die Essens- und Trinkenswünsche per Sprachmodem direkt an die Keller weitergeben kann. Sicherheitsgurte sorgen dafür, dass die Gäste, sollten sie sich tatsächlich über längere Zeit das teure Bier leisten können, nicht vom Stuhl fallen können. 35 000 Sitzplätze, die es ehemals unter den mittlerweile gefällten Kastanien gegeben hatte, mussten allerdings mengenmäßig eingeschmolzen werden.
8735 Plätze stehen noch zur Verfügung. In den ersten Jahren hatten die Organisatoren ein wenig Angst, dass diese Menge nicht ausreiche, aber es hat sich gezeigt, dass die grundsätzlichen Planungen aufgingen: Es kommen immer weniger Besucher.
Geschickt war auch der Schachzug, dass die vier Tage von Montag bis Donnerstag stattfinden. Somit hatten die Verantwortlichen das besucher trächtige Wochenende weitgehend ausgeschlossen. Nun gut, dass es mittlerweile nur noch zwei Wirte und sieben Schausteller mit Fahrgeschäften gibt, exklusive der Riesenradattrappe, könnte durchaus auf den Besucherrückgang zurückgeführt werden.
Einstimmig gegen den Berg
In seiner nächsten Sitzung wird der Stadtrat unter der Leitung des virtuellen Siegfried Balleis wohl das Ende des Berges einläuten. In der Begründung der Verwaltung, so war bereits aus dem Rathaus inoffiziell zu hören, heißt es: "Trotz intensiver Bemühungen, die Sicherheit auf dem Gelände zu erhöhen, sieht die Verwaltung das Risiko, dass es zu folgenträchtigen Unfällen kommen könnte. Erst im letzten Jahr sei ein Besucher umgeknickt und hatte sich die Bänder gerissen.
Außerdem rechtfertigt die Veranstaltung keineswegs den Aufwand von permanent 760 Polizisten im Einsatz sowie vierer Löschzüge der Feuerwehr, die permanent in Uniform und Bereitschaft stehen." NachErkenntnissen der Zeitung wird diese Vorlage vermutlich einstimmig angenommen. Nur Balleis wird dagegen sein, denn der würde schon gerne noch mal ein echtes Fass anstechen.