Syrische Familie in Franken: Pässe eröffnen ein neues Leben
Autor: Sabine Memmel
Weingartsgreuth, Dienstag, 23. Dezember 2014
Eine sechsköpfige Familie aus Syrien wartete in Weingartsgreuth über ein Jahr auf Asyl. Sie integrierte sich, lernte die deutsche Sprache, lebte sich ein. Inzwischen sind alle als Flüchtlinge anerkannt. Jetzt beginnt die Suche nach Arbeit.
Stolz hält Ahmed die sechs blauen Pässe in der Hand. Seine Augen glänzen. Die Erleichterung ist ihm noch immer ins Gesicht geschrieben. So lange haben er, seine Frau Wafa und die vier gemeinsamen Kinder Salam (18), Mahmod (17), Majed (13) und Hamza (9) darauf gewartet. Die Angst, wieder zurück zu müssen, mitten ins Kriegsgebiet, begleitete sie jeden Tag. Doch das ist jetzt für die offiziell anerkannten Flüchtlinge vorbei. Zumindest vorerst. Die Aufenthaltsgenehmigung gilt erst einmal für drei Jahre.
Schon vergangenes Jahr berichteten wir über die syrische Familie, als sie in der Wohnung im Gemeindehaus in Weingartsgreuth mit offenen Armen aufgenommen wurde. Bombenangriffe, Tod, Zerstörung, kein Schulbetrieb und kaum Lebensmittel - im Mai vergangenen Jahres sah die Familie keinen anderen Ausweg, als aus ihrer Heimat zu flüchten.
Mit dem Flugzeug ging es zunächst von Damaskus nach Kairo.
Das ist inzwischen über ein Jahr her. Die Strapazen sind verdaut. Alle haben sich eingelebt. Fühlen sich wie zuhause. Mit der Nachbarin teilen sie sich sogar einen Gemüsegarten, Salam besucht den Kirchenchor in Weingartsgreuth. Deutsch sprechen inzwischen alle, die Kinder fast fließend. "Für mich ist die Sprache noch etwas schwer", gesteht Ahmed in noch etwas holprigem Deutsch.
Doch das wird sich bald ändern. Seit drei Monaten besucht er gemeinsam mit seiner Frau einen Deutschkurs und macht immer weiter Fortschritte. Der Kurs gilt als Voraussetzung, um über das Jobcenter Arbeit zu bekommen. Im Januar hat er dort einen Termin. Dann wird es zunächst darum gehen, die Bereiche abzutasten, in denen er tätig werden könnte. "Am liebsten würde ich als Mechaniker oder Busfahrer arbeiten", sagt Ahmed.
Neue Wohnung in Erlangen
Auch seine Kinder haben mittlerweile längst Fuß gefasst und Freunde gefunden. Salam besucht täglich einen Jugend-Integrationskurs in Erlangen. Sie will studieren, am liebsten Chemie, doch ihr fehlt ein Abschluss, auf den sie aufbauen kann: "In Syrien hätte ich dieses Jahr Abitur gemacht. Aber ich habe keine Zeugnisse, die das belegen."
Mahmut durchläuft zur Zeit die Übergangsklasse der Berufsschule in Fürth, in der Jugendliche aus verschiedenen Ländern unterrichtet werden. Auch Majed ist in einer Übergangsklasse auf der Mittelschule in Herzogenaurach. Hamza besucht die dritte Klasse in der Grundschule Mühlhausen.
In Weingartsgreuth ist die Familie bestens integriert. Auch Dank der Hilfe von Rosemarie Schmidt, die die Syrer von Anfang begleitet und unterstützt hat. Mit dem dreijährigen Bleiberecht musste die Familie nun aber eine neues Zuhause finden. Die Wohnung im Gemeindehaus ist vom Landkreis nämlich ausschließlich für Asylbewerber vorgesehen. Und das sind sie nicht mehr. Rausgeschmissen wurden sie aber freilich nicht. Ganz im Gegenteil. "Das Landratsamt zeigte sich sehr entgegenkommend", erzählt Rosemarie Schmidt.
Eine neue Unterkunft für die sechsköpfige Familie zu finden, entpuppte sich nämlich als gar nicht so einfach. Monatelang suchten die Eltern mit ihren Kindern nach einer passenden Wohnung. Sie durchforsteten das Internet nach Angeboten und ließen sich auf die Warteliste der Baugenossenschaft Erlangen-Höchstadt setzen - doch ohne Erfolg. Überall schauten sie sich um, besichtigten Wohnungen in Nürnberg, Fürth, Höchstadt und anderen Orten, doch nie war das Richtige dabei.
Bis letzte Woche. Ein Bekannter zieht aus seiner Drei-Zimmer-Wohnung mitten in Erlangen aus und will sie ihnen überlassen. Der Vermieter war schnell einverstanden. Und auch das Jobcenter erteilte inzwischen seine Umzugserlaubnis. "Das Jobcenter bezahlt die Wohnung. Sie darf eine bestimmte Größe aber nicht überschreiten", erklärt Rosemarie Schmidt, die die Kinder liebevoll "Oma" nennen.
Der Umzug ist für Mitte oder Ende Januar geplant. Weingartsgreuth dann, nach all der Unterstützung und Hilfe aus der Gemeinde, zu verlassen, sieht die Familie mit gemischten Gefühlen: "Uns hat es hier gut gefallen. Alle Leute waren sehr nett", sagt Salam traurig. Doch es sind vor allem die schlechten Busverbindungen, die die Familie immer wieder eingeschränkt haben. Termine bei Behörden oder beim Arzt waren oft mit einer Tortur verbunden. "In Erlangen haben wir es leichter", sind sie sich einig. Nur Hamza ist noch nicht begeistert - er muss die Schule wechseln.
Fotos aus der Heimat
Ausgelassen sitzen er und seine Familie auf dem Sofa. Blödeln und lachen zusammen. Von hier aus scheint der Bürgerkrieg weit weg zu sein. Doch das ist nur scheinbar so. Die Großeltern der Kinder, sowie Onkel und Tante sind nach wie vor in Damaskus. Auf ihren Handys bekommen sie immer wieder Bilder aus der Heimat geschickt. Dann ist alles wieder ganz nah. Unterkriegen lassen sie sich trotzdem nicht. Sie freuen sich auf all das, was sie jetzt in Deutschland erwartet. Und Ahmed hält weiter die Pässe fest in seiner Hand.