Uniklinikum Erlangen: Syphilis-Fälle in Deutschland steigen "beunruhigend stark"
Autor: Redaktion
Erlangen, Donnerstag, 18. Juli 2024
Syphilis-Fälle nehmen in Deutschland wieder zu. Experten der Hautklinik am Uniklinikum Erlangen klären über Ursachen, Symptome und Schutzmöglichkeiten auf.
"Syphilis – das klingt wie eine Krankheit aus einer Zeit, die längst vergangen ist. Doch die bakteriell verursachte Geschlechtskrankheit, die Fachleute auch Lues nennen, verzeichnet in Deutschland wieder steigende Zahlen", so das Uniklinikum Erlangen in einer Pressemitteilung. "Dabei ist die Syphilis nicht zwingend auf den Intimbereich beschränkt", wird Michael Sticherling, stellvertretender Direktor der Hautklinik (Direktorin: Carola Berking) des Uniklinikums Erlangen, zitiert.
"Sie kann mit einem Geschwür im Genitalbereich, aber auch am Mund beginnen. Und auch an anderen Körperstellen können rote Flecken und kleine Knötchen auftauchen, zum Beispiel im Gesicht. Dazu kommen manchmal Fieber, geschwollene Lymphknoten, Kopfschmerzen und Müdigkeit. Die inneren Organe und das Gehirn können ebenso betroffen sein. Wir nennen die Syphilis das Chamäleon der Medizin, weil sie viele andere Krankheiten nachahmen kann", so der Dermatologe.
Uniklinikum Erlangen: Geschlechtskrankheiten steigen jährlich um mindestens zehn Prozent
Die Zahl derjenigen, die an Syphilis, aber auch an Gonorrhoe (Tripper) und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen leiden, steige seit Jahren wieder an. "Und zwar beunruhigend stark", sagt Sticherling. "Das hat mit unserem Reiseverhalten zu tun, mit dem Sextourismus nach Asien, mit mehr sexuellen Kontakten durch Onlineplattformen und Ähnlichem. Zwei Drittel der Infektionen passieren durch Oral- oder Analverkehr, aber viele wissen gar nicht, dass dabei ein Risiko besteht. Es gibt heutzutage nicht mehr diese Vorsicht, die etwa in den 80er- und 90er-Jahren während der AIDS-Zeit herrschte." inFranken.de berichtete bereits, dass sogar Bayern von dem Syphilis-Anstieg besonders betroffen ist.
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Das Team der Erlanger Hautklinik beobachte bei Geschlechtskrankheiten Steigerungsraten von jährlich zehn Prozent und mehr. "Wir überlegen tatsächlich, wieder standardisierte Syphilis-Bluttests bei unseren Hautklinikpatientinnen und -patienten einzuführen", so Sticherling weiter. "Bei Hautsymptomen müssen wir heute auch wieder an die Lues denken." Geschlechtskrankheiten sind in Deutschland wieder auf Rekordniveau. So kannst du dich schützen. Unter anderem sind die HIV-Diagnosen 2023 in Bayern gestiegen.
Bereits im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert gab es laut dem Erlanger Uniklinikum eine "Hochzeit" der Geschlechtskrankheiten. Flugblätter hätten unter anderem vor der Gefahr gewarnt, sich mit Prostituierten einzulassen, und auch Moulagen dazu gedient, die Menschen aufzuklären und abzuschrecken. Dabei habe es sich um realistische Abformungen von erkrankten Körperteilen aus Wachs gehandelt. Mithilfe von Gips sei ein Abdruck der betroffenen Hautregion gefertigt worden.
Krankenhäuser um 1900 noch "voll mit Syphilis-Kranken"
"Dieses Negativ befüllte der Mouleur dann mit gefärbtem Wachs, ließ es aushärten und kolorierte es. Auch die Erlanger Hautklinik trug für die medizinische Dokumentation und die Lehre verschiedene dieser Moulagen zusammen - neben vielen Geschlechtskrankheiten zeigen sie unter anderem Verhornungsstörungen, Hauttumoren, Tuberkulose und Lepra", so das Klinikum. Heute seien noch rund 135 Stücke in Vitrinen im Internistischen Zentrum im Ulmenweg ausgestellt.
"Um 1900 herum waren die Krankenhäuser voll mit Syphilis-Kranken", sagt Prof. Sticherling. "Um zu erkennen, ob es die Lues war oder doch etwas anderes, brauchte es zunehmend Spezialisten." Dies war die Geburtsstunde einer eigenständigen Klinik für Dermatologie und Venerologie in Erlangen, die ihre Türen erstmals im Februar 1923 öffnete, heißt es.