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Stammtischler: eine bedrohte Spezies


Autor: Richard Sänger

Herzogenaurach, Dienstag, 07. August 2018

Wenn die Brauereigaststätte Heller Urlaub macht, trifft sich die illustre Runde vom "Montagsstammtisch" eben in Falkendorf. Obwohl die Diskussion über Gott und die Welt bei ein oder zwei Bier für die Psyche reinigende Wirkung hat, werden die Stammtische immer weniger.
Wenn Gitti Adler redet, dann hören die Stammtischler zu.  Foto: Richard Sänger


Für den "Montagsstammtisch" ist die Brauereigaststätte Heller an der Hauptstraße eine einzigartige und die gemütlichste Institution in Herzogenaurach. Der Stammtisch trifft sich nun schon seit ewigen Zeiten in der urigen Gaststätte. Besonders die Herzlichkeit und Freundlichkeit von Gitti Adler, der Schwester von Hans Heller, wissen die Stammtischbrüder zu schätzen.

Am Stammtisch wird immer heftig diskutiert und debattiert und die Themen sind scheinbar unerschöpflich. Sie reichen von Politik über Sport, im Speziellen die verschiedenen Fußballvereine, bis zur Gesellschaft sowie übervollen Tomatenstöcken. Da prallen oft kontroverse Meinungen aufeinander, auch politisch, und es kann mal etwas lauter werden. Kommentare gibt es zu allem, meist oft geistreich und allwissend sowie sanft hämisch, man kennt sich schließlich seit Jahren.
Die Wahrheit wird zwar selten gefunden, doch damit scheint man sich abzufinden, und es wird ein neues Thema gefunden. Weniger heftig als bei politischen Auseinandersetzungen geht es zu, wenn Bemerkungen zum Alltagsgeschehen einfließen oder ein Stammtischler über Privates berichtet. So von Altersgebrechen, wovon kaum einer verschont bleibt, von Enkeln, von persönlichen Erlebnissen und natürlich von kleinen lokalen Ereignissen.

Fast hätte man auch den Frühschoppen versäumt, weil man beim Arzt "ewig" lange warten musste. Ab und zu hellen Witze die Mienen der frohgemuten Rentner auf, und jeder ist Akteur oder manchmal sogar Hauptdarsteller. Was aber alle gemeinsam haben ist der Respekt vor dem Gegenüber. Und das ist gut so und soll auch so bleiben.


Mehrwöchige Leidenszeit

Aber die Familie Heller macht auch mal Urlaub, und für die Stammgäste brechen harte Zeiten an, denn in Herzogenaurach gibt es kein weiteres Wirtshaus für einen Frühschoppen, und auch für die Kartler beginnt eine mehrwöchige Leidenszeit. Also wird auf das Umland ausgewichen, so zum Beispiel ins Gasthaus Jordan nach Falkendorf, und der Montagsstammtisch trifft sich dann beim Stammtischbruder Hennes (Hans Kaltenhäußer) in Falkendorf. Unter den schattigen Obstbäumen im großen Garten ließ es sich dieser Tage vorzüglich Brotzeit machen, und natürlich gab es Heller-Bier, was auch sonst. Nach der Brotzeit gab es mittags noch einen deftigen Salzbraten mit Kartoffelsalat, eine Spezialität von Hennes, und der Frühschoppen dauerte erwartungsgemäß bis in die frühen Abendstunden.

Stammtische sind wichtig in Deutschland: "Man lässt Dampf aus dem Kessel. Erst kocht er hoch, dann ist es wieder gut", wissen die echten Stammtischler. Das Problem: Stammtische gibt es immer weniger. Am Stammtisch wird alles besprochen, was das Dorf bewegt: von Entscheidungen des Stadt- oder Gemeinderates und übers Wetter bis hin zu Krankheiten, Politik und Sterbefällen. Gestritten wird nur, "wenn irgendeiner einen Schmarrn erzählt", knurrte einer. Ganz so ist es aber wohl nicht. Vor allem beim Thema Politik und Flüchtlinge geht es ab und zu mal etwas hoch her. "Es gibt Leute, die sagen bis zum zweiten Bier nix, aber ab dem fünften wird es lauter", meinte der Manni.


Der Nachwuchs fehlt

Die Stammtische werden weniger werden, dazu kommt auch noch das Wirtshaussterben auf dem Land. Heutzutage eine Gaststätte auf dem Dorf zu halten, ist schwer für die Gastwirte. Wenn die Einheimischen nur einmal in der Woche ihr Bierchen trinken, kann niemand davon leben. Außerdem machen Bürokratie und die vielen Vorschriften das Leben eines Wirtes auch nicht gerade leichter.

So abgedroschen wie das klingen mag, aber früher war es ein bisschen anders. Da gönnten sich die Männer nach Feierabend gern ein Bier - oder zwei. Da kamen die Vereine. Da wurden sämtliche Familienfeste im Nebenzimmer der Dorfkneipe gefeiert: Taufe, Hochzeit, runde Geburtstage und Beerdigungen. Inzwischen verlagern sich auch viele Feierlichkeiten in die Vereinsheime.

Außerdem wird das bisherige Stammpublikum immer älter und weniger. Die Jugend gehe kaum noch in der Kneipe ihr Bier trinken, und Leute im mittleren Alter hätten vor lauter Arbeit gar keine Zeit mehr für einen Stammtisch, beklagen die "Montagsstammtischler".