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Schmalzbrot und Haferschleim


Autor: Jochen Brosig

Großenseebach, Montag, 23. Mai 2016

Jochen Brosig vom FSV Großenseebach trifft sich regelmäßig mit Sportlern auf deren Lieblingsrunde. Heute trifft er beim Rennsteiglauf viele Freunde.
Mehr als 15 000 Teilnehmer machten sich beim Rennsteiglauf auf den Weg über den "Langen Kanten" Fotos: Jochen Brosig


Wer regelmäßig bei Laufveranstaltungen in der Region startet, den zieht es auch einmal in die Ferne - zum Beispiel zum Rennsteiglauf. Europas größter Crosslauf durch den Naturpark Thüringer Wald übt auf den Querläufer schon seit Jahren eine große Faszination aus. Auch dieses Jahr waren wieder über 15 000 Teilnehmer auf dem "Langen Kanten" unterwegs. Beim ersten Rennsteiglauf am 13. Mai 1973 waren es noch die vier Laufbegründer, die sich über eine Strecke von 50 Meilen wagten.

Querläufer:Du bist einer von den vielen Mehrfachtätern. Was ist Deine Motivation, immer wieder auf dem Rennsteig zu laufen?
Johannes Nützel: Der Rennsteiglauf ist für mich immer ein Treffen mit Freunden. Auf der anderen Seite bedeutet der Lauf viel Zeit für mich.

Nebenbei will ich ihn dieses Jahr zur Vorbereitung auf den Chiemgauer Hunderter nutzen.

Samstag früh um 1 Uhr waren "Mauer-Hannes" und ich von Forchheim nach Schmiedefeld (das Ziel) aufgebrochen. Dort parkten wir unser Auto, um den ersten Bus um 3.30 Uhr nach Eisenach (der Startort) zu nehmen. Ankunftszeit in Eisenach soll planmäßig um 5.15 Uhr sein. Da ist genug Zeit bis zum Start. Auf dem Eisenacher Marktplatz herrscht wie immer ein großes Happening. Viele bekannte Gesichter sieht man hier. Dort drüben steht Leon. Stefan ist schon voll konzentriert. "Haxen-Harald" dagegen ist wie immer zu Späßen aufgelegt. Ein Plausch hier, ein High Five dort. Mirko, ein erfahrener Ultraläufer aus Suhl, habe ich schon lange nicht mehr getroffen. Mitlaufen, ankommen und in Schmiedefeld eine Riesenparty feiern. Das hat er sich für heute vorgenommen. Schon fällt der Startschuss und Mirko verschwindet im Gedränge.

Querläufer:Was macht für Dich den Rennsteig aus? Und wie ist die Finisher-Party?
Mirko Leffler: Als gebürtiger Suhler habe ich mir mit Anfang 30 gesagt, dort musst du auch einmal laufen. Über Halbmarathon und Marathon bin ich zum Supermarathon gekommen. Heute ist mein zehntes Mal. Das wird bei der Party in Schmiedefeld gefeiert. Das Zelt ist immer "knackevoll" und die Stimmung einfach nur unglaublich, ja: legendär.

Höchstens 500 Meter flach, dann beginnt der Anstieg. Leon und ich laufen gemütlich den Berg hoch. Jetzt heißt es den Tritt finden. Das gibt Sicherheit und wir finden unser Tempogefühl. Eine Läuferschlange bewegt sich Richtung Schmiedefeld. Mittlerweile spitzt die Sonne durch die Wolken. Anfangs ist es noch frisch, doch bald sind wir auf Betriebstemperatur. Bei Kilometer 7 am Waldsportplatz begnügen wir uns noch mit Tee. Doch das soll nicht mehr lange so bleiben. Lukullische Genüsse wie bei "Bocuse à la carte". Nach einigen Getränkestellen erwarten uns an der Glasbachwiese belegte Brote mit Margarine und frischen Kräutern der Provence oder Schnittlauch. Der aus vielen Läuferlegenden bekannte Haferschleim wird gereicht. Der gibt Power. Als Nachtisch empfiehlt Hannes einen Obstteller mit Bananen, Äpfeln und Orangenscheiben. Danach nähern wir uns langsam einem der drei Knackpunkte der Strecke, dem großen Inselsberg (916 Meter).

Querläufer:Das Mysterium Rennsteig lässt Dich auch nicht los.
Harald Weigel: Sind wir einmal ehrlich, es gibt in Deutschland deutlich schönere und "trailigere" Strecken. Auch kulturell ist andernorts mehr zu sehen. Aber es sind der Zusammenhalt der Läufer, die Herzlichkeit der Betreuer und das wunderbare Verpflegungsangebot, die den Unterschied machen. Vom Becher Haferschleim bis zum Wiener Würstchen oder Schmalzbrot. Ich bin mittlerweile seit acht Jahren ununterbrochen dabei.

Schon geht es weiter. Nächste Verpflegungsstelle ist auf der Grenzwiese bei Kilometer 27, kurz nach dem Inselsberg. Diese V-Stelle bietet neben Haferschleim und Tee auch Mettwurstbrote Thüringer Art an. Sogar Bockwürste kann man hier bekommen. Ein starkes Gefälle von 15 Prozent wechselt sich mit einer ebensolchen Steigung ab. Das Gelände und die Aussicht wechseln ständig. Und ehe wir uns versehen, sind wir an der Ebertswiese. Hier ist Halbzeit und ich verkoste den berühmten Schleim mit Heidelbeeren. Das ist eine Spezialität, erfunden zu DDR-Zeiten. Zusätzlich werden heiße Würstchen gereicht.
Der Sperrhügel (881 Meter) liegt vor uns. Meiner Meinung nach der schwierigste Anstieg der ganzen Strecke. Kein Problem für mich, denn ich habe ein Ziel. Die nächsten Buden stehen bei Kilometer 40 an der Ausspanne Neuhöferwiese. Als Vorspeise kredenzt man verschiedene Suppen. Anschließend werden Schleim, Tee und Schmalzbrote nach Bauernart gereicht. Das Gelände wechselt stetig. Bei Kilometer 54 (Grenzadler) bin ich froh, eine kurze Pause zu machen. Wieder erwartet uns eine reichhaltige Auswahl.
Die letzten 18 Kilometer werden wie immer hart. Dazwischen ist noch eine letzte große Verpflegungsstelle (Kilometer 65, Schmücke). Wieder das volle Programm. Nicht zu vergessen Obst, Riegel, Cola, Salzstangen, Kekse, Kuchen et cetera. Hört sich an wie die Speisekarte eines Ausflugslokals. Klingt nicht schlecht, oder? Spätestens jetzt müsste ich mein Zeitziel nach hinten korrigieren, wenn ich eins hätte. Keine kulinarische Kostbarkeit will ich auslassen.

Querläufer:Hallo Stefan, da bist Du ja wieder. Wie bist Du bisher durchgekommen?
Stefan Hantscher: Ganz gut. Ein Ultra eben, da wechselt die Stimmung schon einmal zwischendurch. Der Rennsteiglauf ist für mich ein Stück Tradition. Doch auch nach über zehn Teilnahmen wird es nicht langweilig.

Kilometer um Kilometer kommen wir dem Ziel näher. Noch ein Kurve, dann sind wir auf der Zielgeraden. Aufpassen, da sind immer viele Wanderer. Man hört schon die Zuschauer und den Sprecher. Ich laufe um eine Ecke, springe über einen Wanderstock der am Boden liegt. Wir müssen eine letzte Straße überqueren, vor uns die Zielgasse. Ein Rauschen, Rufen, Applaus und Musik umgeben uns. Der Zieleinlauf in Schmiedefeld ist immer sensationell. Die Zuschauer treiben uns ins Ziel, jeden Meter kosten wir aus. Im Ziel. Geschafft. Finish!

Querläufer:Wie hat Dir Deine Rennsteigpremiere gefallen?
Leon Terentiv: Sehr gut. Das war mein längster Ultra bisher. Die Landschaft ist sehr schön, der Zieleinlauf unbeschreiblich. Ich bin überglücklich.

Run happy and smile!
Euer Querläufer