Hitziges Frankenderby: Leidenschaft entscheidet Spitzenspiel
Autor: Christian Pack
Nürnberg, Sonntag, 18. Oktober 2015
Der HC Erlangen gewinnt gegen den HSC Coburg in der 2. Handball-Bundesliga mit 31:24 (15:13). Die Gastgeber zeigen das strukturiertere Spiel und wollen den Sieg letztlich mehr.
Manchmal bedarf es im Handball nur eines kurzen Moments, um einem Spiel den entscheidenden Impuls zu geben. So war es auch am Samstag beim fränkischen Derby zwischen dem HC Erlangen und dem HSC Coburg, das die Heimmannschaft verdient mit 31:24 (15:13) für sich entscheiden konnte.
Bis zur Halbzeit hatten beide Teams ein hochklassiges und kampfbetontes Handballspiel auf Augenhöhe gezeigt und die über 5000 Zuschauer in der Arena Nürnberg in Verzückung versetzt. Dann ging alles ganz schnell: Bereits in der 35. Minute stand es 19:13 für die Heimmannschaft - eine Vorentscheidung. "Sie haben da entscheidende Nadelstiche gesetzt", resümierte HSC-Trainer Jan Gorr und meinte damit unter anderem die Paraden von HC-Schlussmann Mario Huhnstock, der über sich hinauswuchs. "Er hat überragend gehalten", lobte HC-Trainer Robert Andersson.
Wie zu erwarten war, erlebten die Zuschauer von der erste Minute an eine mit viel Leidenschaft geführte Partie. Es wurde um jeden Zentimeter gekämpft, das Spitzenspiel der 2. Liga bot alles, was zu einem rassigen Derby dazugehört. Die Gäste hielten auch aufgrund der einfachen Tore von Matthias Gerlich gut mit (3:3; 6. Minute), mussten dann aber eine Hiobsbotschaft verkraften: Kreisläufer Markus Hagelin verdrehte sich das Knie und humpelte nach neun Minuten in Richtung Kabine - eine Diagnose steht noch aus.
Zwei Rote Karten
Spätestens zu diesem Zeitpunkt übernahm Erlangen das Kommando, auch weil das Heimteam im Angriff das strukturiertere und variantenreichere Spiel zeigte. Martin Stranovski führte geschickt Regie und war auch selbst torgefährlich (sieben Treffer). Zudem bekam die Gästeabwehr Rückraumschütze Nikolai Link (sechs Tore) nie unter Kontrolle.Die Gastgeber ließen sich auch nicht durch die Disqualifikation ihres Kapitäns aus der Ruhe bringen: Pavel Horak wurde für ein Foul an Florian Billek (26. Minute) vorzeitig zum Duschen geschickt - aus Sicht einiger Beteiligten eine zu harte Entscheidung (Andersson: "Es war keine Rote Karte"). Allerdings durfte der Tscheche froh sein, dass er zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch auf dem Feld stand. Horak hätte für eine ähnliche Attacke bereits in der 13. Minute die Rote Karte sehen müssen.
Kämpfen für Pavel
Erlangen steckte die Disqualifikation ihres Kapitäns allerdings famos weg und mehr noch: Der HC ging fortan vor allem in der Abwehr mit noch mehr Leidenschaft zu Werke. "Die Rote Karte hat uns heißer gemacht. Wir haben für Pavel gekämpft", sagte Andersson.Der HSC muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er sich spätestens nach der Disqualifikation gegen Romas Kirveliavicius (49. Minute) seinem Schicksal ergab. "Da hat die Körpersprache nicht gestimmt", gab HSC-Linksaußen nach der Partie zu Protokoll.
HSC-Coach Jan Gorr sprach nach dem Spiel von einem verdienten Erfolg der Erlangener und davon, dass es zwischen dem HSC und den Spitzenteams aus Erlangen und Minden "noch Unterschiede gibt". In der Tabelle der 2. Bundesliga stehen beide Teams weiterhin auf einem Aufstiegsrang. Der HC Erlangen empfängt bereits am kommende Mittwoch um 19 Uhr die HG Saarlouis in der Arena Nürnberg. Der HSC Coburg tritt am Sonntag, 25. Oktober, um 17 Uhr gegen die TSG Ludwigshafen-Friesenheim an.
Kommentar zum Spiel von Christian Pack: Helden und Chaoten
Viel wurde geredet im Vorfeld des fränkischen Derbys zwischen dem HC Erlangen und dem HSC Coburg - vielleicht ein wenig zu viel. Unter anderem war ein angeblicher Abwerbungsversuch von Florian Billek ein Thema, wurde das Kartenkontingent für die Gäste diskutiert, oder das Verbot, die Partie im Internet live zu übertragen. Alles Geplänkel, das (anscheinend) vor so einer Partie nötig und das - sind wir doch mal ehrlich - auch vollkommen normal ist.
Erfreulich, dass aus den Reihen der beiden Mannschaften im Vorfeld - zumindest öffentlich - keinerlei Provokationen zu vernehmen waren und die Spieler am Samstagabend das zeigten, worauf es im Sport wirklich ankommt: einen emotionalen und kampfbetonten Wettstreit. Das fränkische Derby war rassig und eines Spitzenspiels der 2. Liga absolut würdig. Beide Teams deuteten an, dass es in der kommenden Saison zwei fränkische Vereine in Deutschlands höchster Spielklasse geben könnte. Dass der Partie mit über 5000 Zuschauern zudem noch der passende Rahmen serviert wurde, war das i-Tüpfelchen eines berauschenden Handballabends.
Ärgerlich und unnötig war allerdings, dass einige Laiendarsteller es schafften, das Spektakel zumindest kurzzeitig zu stören. Da wäre zum einen der Hallensprecher zu nennen, der mit diversen zweifelhaften Zwischenrufen bei Fans beider Lager für Kopfschütteln sorgte.
Und da waren (wieder einmal) stark alkoholisierte, jugendliche Fan-Chaoten, die sich definitiv nicht dem Sport verschrien haben, sondern durch hirnrissige Aktionen wie das Zünden einer Rauchbombe die Fortsetzung des Spiels gefährdeten.
Schön, dass der Großteil der Handballfans auch dafür nur ein Kopfschütteln übrig hatte und sich mit dem Gefühl auf den Heimweg machte, ein berauschendes Handballspiel miterlebt zu haben.