Den Fußball zeitgemäß anbieten
Autor: Hartmut Neubauer
Bischofsgrün, Mittwoch, 22. März 2017
BFV-Präsident Rainer Koch regt eine "Eventisierung" von besonderen Spielen und Änderungen zum Beispiel bei der Durchführung der Relegation an.
Zur jährlichen Mitarbeitertagung trafen sich die oberfränkischen Fußball-Funktionäre im Sporthotel Kaiseralm im Bischofsgrün. Höhepunkt der Veranstaltung war der Vortrag von BFV-Präsident Rainer Koch, der über aktuelles im Verband berichtete, so über die Online-Angebote des BFV, über Flüchtlinge und die Finanzen. Was den 58-jährigen Juristen, der seit 2007 auch DFB-Vizepräsident ist, darüber hinaus am Herzen liegt, erzählte er anschließend in einem Interview mit der Mediengruppe Oberfranken.
Herr Koch, Sie haben Karlheinz Bram, der sich in einem Jahr als oberfränkischer Bezirksvorsitzender des Bayerischen Fußball-Verbandes nicht mehr zur Wahl stellen wird, mit der DFB-Verdienstnadel geehrt. Treten Sie beim nächsten Verbandstag wieder an?
Rainer Koch: Ich bin jetzt seit 13 Jahren BFV-Präsident. Was ab 2018 kommt, ist für mich noch kein Thema. In den nächsten Monaten möchte ich mich weiter für zwei wichtige Ziele einsetzen.
Und die wären?
Punkt 1: Die Zukunftsfähigkeit des Amateurfußballs zu sichern. Und zweitens: Meinen Beitrag dazu zu leisten, dass die Finanzierung der Verbandsaufgaben weiter gesichert ist.
Was die Finanzen betrifft, sind aus den Vereinen immer wieder Stimmen zu hören, dass die Auflagen, Gebühren und auch die Anforderungen immer mehr steigen. Wie stehen Sie dazu?
Die Wahrheit ist: Das Haushaltsvolumen des Bayerischen Fußball-Verbandes in Höhe von rund 19 Millionen Euro wird nur zu rund 30 Prozent von den Vereinen finanziert. Die Pflichtabgaben der Vereine liegen bei gerade mal 6,8 Prozent. Hinzu kommen die aufwandsgesteuerten Abgaben wie Pass- oder Sportgerichtsgebühren mit 23,4 Prozent. Etwa 70 Prozent seiner Einnahmen holt sich der Verband also aus anderen Quellen, zum Beispiel über Eigenvermarktung, Zuschüsse oder Spielabgaben der Profivereine. Das sind übrigens vier Prozent mehr als bei meinem Amtsantritt im Jahr 2004. Wenn also eine Gebühr gekürzt oder abgeschafft werden soll, muss eine andere erhöht oder neu eingeführt werden. Und wenn es manchmal heißt, wir müssten mehr sparen, dann müssen auch Vorschläge kommen, worauf wir künftig verzichten sollen.
Sie sprachen von der Zukunftsfähigkeit des Amateurfußballs. Wie ist es um diesen bestellt?
Der Amateurfußball erlebt im Moment keine einfachen Zeiten. Die Rahmenbedingungen, unter denen im Jahr 2017 Fußball gespielt wird, sind völlig anders als vor 30 oder 40 Jahren. Es bringt uns nichts, darüber zu jammern, dass zu viel Profifußball im Fernsehen zu sehen ist und die Bundesliga auch am Sonntagnachmittag spielt. Das werden wir nicht mehr ändern. Der Amateurfußball muss sich vielmehr den Bedingungen unserer Zeit anpassen. Wer dazu nicht bereit ist, begeht einen Fehler.
Was bedeutet das für die Funktionäre in den Vereinen und im Verband?
Dass sich der Verband reformieren muss. Etwa in der Frage, wie wir unseren Spielbetrieb organisieren oder wie wir junge Menschen für Fußball begeistern. Die Zeiten, in denen es außer Fußball so gut wie nichts gegeben hat, sind längst vorbei. Dienstag und Donnerstag Training, am Samstag oder Sonntag ein Spiel, und das von 6 bis 60 Jahren - das funktioniert nicht mehr.
Wo wollen Sie gerade bei den Jungen ansetzen?
In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung läuft die Kommunikation ganz anders ab als früher, über Social Media, mit Bewegtbildern, kurzen Videoclips. Wir leben in einer eventisierten Gesellschaft. Junge Menschen sind für Dinge zu begeistern, über die gesprochen wird. Mit Methoden, die vielleicht vor 30 Jahren funktioniert haben, können wir sie heute nicht mehr für den Fußball gewinnen. Wenn sich eine Sportart nicht auf die Veränderungen der Gesellschaft einstellt, dann verliert sie.
Welche Aufgabe kommt hier dem Verband zu?
Auf Dauer hat man nur Erfolg, wenn man für seine Sache kämpft. Wir müssen den Fußball zeitgemäß anbieten und organisieren. Und wir dürfen unser Produkt nicht schlecht reden. So wird man für junge Leute nicht attraktiv. Wer argumentiert, die Vereine müssten etwas machen, nur weil es der Verband so will, der hat nichts kapiert.
Ist denn der Amateurfußball überhaupt noch zeitgemäß?
Natürlich! Es gibt gerade beim Fußball viele Menschen, die sich für ihren Verein interessieren, auch ohne als Zuschauer bei den Spielen zu sein. Darüber sollten wir uns zunächst einmal freuen. Und was machen wir? Wir regen uns stattdessen darüber auf, dass so wenige Zuschauer da sind. Dabei sollten wir uns lieber überlegen, wie wir dafür sorgen können, dass wieder mehr Zuschauer kommen.
Und wie wäre das möglich?
Indem wir zum Beispiel einige Spiele besonders interessant machen, sie eventisieren. Das geht natürlich nicht bei jedem Heimspiel, aber es ist leichter, zweimal im Jahr 500 Zuschauer zu haben, als die durchschnittliche Besucherzahl um 25 pro Spiel zu steigern. Bei einigen Spielen kann man besondere Reize setzen, zum Beispiel bei einem Nachbarderby oder bei den Kreispokalendspielen, die man vielfach noch besser aufziehen könnte.
Bei welchen Spielen könnten Sie sich außerdem noch Änderungen vorstellen?
Zum Beispiel bei der Relegation, die auf Verbandsebene mit Hin- und Rückspiel ausgetragen wird. Da erhalten die betroffenen Vereine das Geld aus ihrem Heimspiel und kein neutraler Ausrichter. Und die beiden Vereine haben auch die Verantwortung für die Durchführung, nicht der Spielleiter. In den höheren Ligen gibt es mittlerweile mehr Releganten und weniger direkte Absteiger. Warum? Weil dann meistens nicht schon im März klar ist, wer absteigt, und nicht etwa, weil der Verband durch die Relegationsspiele mehr Geld kassieren will. Der BFV erhält 15 Prozent aus dem Eintrittskartenverkauf für seinen Aufwand. 85 Prozent bleiben also bei den Vereinen, plus 100 Prozent der Einnahmen aus dem Verkauf von Speisen und Getränken.
Wollen Sie also den Spielleitern eine entsprechende Änderung empfehlen?
Nein, nein. Es gibt für ganz viele Dinge unterschiedliche Lösungsvorschläge, die wir ansprechen wollen und müssen. Aber unsere Funktionäre in den Bezirken und Kreisen haben sehr große Freiheiten. Sie regeln ihren Spielbetrieb, wie sie es für richtig halten. Bayern ist ein Flächenstaat mit völlig unterschiedlichen Regionen. Da macht es auch gar keinen Sinn, von Aschaffenburg bis Burghausen alles bis in die unterste Spielklasse einheitlich zu regeln. Wir wollen unseren Bezirken und Kreisen nicht hinein regieren.
Was wollen Sie den Funktionären - auch in den Vereinen - vielmehr anbieten?
Nach wie vor gibt es beim Fußball viele Menschen, die sich dafür interessieren, wie der eigene Verein und auch wie die Konkurrenz spielt. Das war vor 30 Jahren schon so, aber da war es viel schwieriger, die entsprechenden Informationen einzuholen. Das hat sich längst geändert, wie die Zugriffszahlen zum Beispiel in der BFV-App oder auf BFV.de zeigen. Wir als Verband sind die einzigen, die alle Daten von allen Spielen haben. Und wir können den Vereinen diese Daten, Bewegtbilder und den Liveticker für ihre Medienkanäle zur Verfügung stellen, zum Beispiel über Widgets oder Sharing-Funktionen für die sozialen Netzwerke. Wir wollen ihnen Angebote machen, mit denen sie den Fußball und ihren eigenen Verein so interessant wie möglich darstellen können.
Um auf die Anfangsfrage zurückzukommen: Werden Sie auch nach 2018 an diesen Zielen mitarbeiten?
Wenn bis dahin die richtigen inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden, kann ich mir gut vorstellen, dass ich auch auf dem nächsten Verbandstag erneut als BFV-Präsident kandidiere.