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Bund fördert die Talente nicht mehr


Autor: Johannes Höllein

, Samstag, 24. Mai 2014

Die Zuschüsse für "Jugend trainiert für Olympia" sollen dem Rotstift zum Opfer fallen. Der BLSV will das nicht hinnehmen, fordert, den Wettbewerb am Leben zu erhalten und ruft zum Widerstand auf.
Nico Kaufmair von der TS Herzogenaurach vertrat seine Schule 2013 in Berlin. Fotos: Archiv


Das schlägt ein wie eine Bombe: Der Bund will sich schrittweise aus der Förderung für die Schulsportwettbewerbe "Jugend trainiert für Olympia" und "Jugend trainiert für Paralympics" zurückziehen. Noch in diesem Jahr sollen die Mittel - bisher rund 700 000 Euro für die Bundesfinal-Veranstaltungen in Berlin - halbiert, 2015 dann komplett gestrichen werden. Ein Schlag ins Gesicht derer, die viel Zeit und Herzblut in die Arbeit mit dem Sport-Nachwuchs investiert haben. "Der Wettbewerb ist seit Jahrzehnten eine wichtige Maßnahme für die Talentsichtung und -förderung. Wenn der Geldhahn tatsächlich zugedreht werden sollte, bringt dies einen absehbaren, hohen Schaden mit sich", erklärt Günther Lommer, Präsident des bayerischen Landessportverbandes (BLSV), in einer Presseerklärung.

Zudem sei es ein ein schlechtes Signal, die eh schon knappen Mittel für den Schulsport zu streichen und sie stattdessen in den Kampf gegen Doping zu investieren.

"Das eine hat doch mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Klar, die nationale Anti-Doping-Agentur NADA war bisher auch nicht mit Geld gesegnet und verdient eine Aufwertung - aber nicht zu Lasten des sauberen Schulsports", schiebt Thomas Kern von der BLSV-Geschäftsführung nach. Die Summe falle im Bundeshaushalt doch gar nicht ins Gewicht, sei ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Ein Todesurteil

700 000 Euro für 800 000 Schüler, die sich jedes Jahr deutschlandweit auf Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene bei "Jugend trainiert für Olympia/Paralympics" miteinander messen, sind wahrlich nicht fürstlich. Aber Kampfrichter, Medaillen, Urkunden, Rahmenprogramm und vieles mehr muss bezahlt werden. Fehlt das Geld, ist es das Todesurteil für die Bundeswettkämpfe. "Und dann macht sich auch in den Schulen keiner mehr die Mühe, die Kinder auf die Kreis-, Bezirks, und Landeswettkämpfe zu schicken. Der Anreiz fehlt und die Motivation der Schüler, das Bundesland repräsentieren zu können und vielleicht eine Medaille vom Minister umgehängt zu bekommen, ist dahin", weiß Kern.

Sollte der Bund seine Pläne verwirklichen, wirke sich das auch auf den Leistungssportbereich aus. "Echte Sportgrößen wie Skistar Maria Höfl-Riesch kommen von der ,Jugend trainiert für Olympia'-Basis. Wenn man darauf keinen Wert mehr legt, darf man sich im Umkehrschluss auch nicht darüber beschweren, wenn wir bei Olympischen Spielen keine Medaillen mehr holen", sagt Kern, der hofft, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen ist.

Widerstand regt sich

Neben dem BLSV haben auch die Sportverbände anderer Bundesländer ihre Mitglieder aufgerufen, sich solidarisch zu zeigen. "Wir wollen mit Hilfe des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Druck auf politischer Ebene machen und das Bundesinnenministerium auffordern, seiner Verantwortung für leistungssportliche Förderung gerecht zu werden und die Unterstützung zumindest in der bisherigen Form beizubehalten", betont Kern. Die Opposition im Bundestag habe ebenfalls das Thema für sich entdeckt, das sicher auch beim "Parlamentarischen Tag des deutschen Sports" am Mittwoch, 25. Juni, in Berlin zur Sprache kommt.

Am falschen Ende gespart

Peter Müller, Diplomsportlehrer bei der Turnerschaft Herzogenaurach: "Ich finde, das ist ein Hammer. Der Schulsport lässt eh schon zu wünschen übrig. Wenn das auch noch gestrichen wird, bekommen wir noch mehr ,Bewegungskrüppel' - die Kosten im Gesundheitswesen steigen weiter. Sport und Bewegung sind mit Abstand die billigste Medizin. Für "Jugend trainiert für Olympia" lohnt es immer, sich anzustrengen. Das war schon bei mir so und auch bei meinen Töchtern. Und zwar nicht nur, weil die Sportler an Wettkampftagen schulfrei haben. Da wird am falschen Ende gespart. Allerdings muss man auch sagen, dass das Engagement an den Schulen nachlässt. Wir haben in Herzogenaurach seit über 20 Jahren erfolgreiche Leichtathletik. Aber wenn nicht ich mich nicht um die Zusammenstellung der Mannschaft kümmern würde, hätte das Gymnasium oft gar kein Leichtathletik-Team ins Rennen geschickt. Wenn ein engagierter Lehrer dahintersteht, kann man was erreichen. So wie in Neustadt/Aisch: Nico Kaufmair, der bei der TSH trainiert, hat seine Schule 2013 in Berlin vertreten."

Der Wettbewerb muss am Leben bleiben

Heinz Dobrzanski, Lehrer i. R., Dientzenhofer-Gymnasium Bamberg: "Ich war schon gefühlte 20 Mal bei den den Bundesfinals in Berlin. Und fast immer wurde gewarnt, es könnte das letzte Mal sein, dass die Förderung fließt. Jetzt scheint es konkret zu werden. Es wäre aber schade, wenn diese Förderung wegfällt, nachdem die Bundesfinals über die Jahre schon immer mehr beschnitten wurden. Früher hatten wir zum Beispiel einen Tag mehr Aufenthalt und Gelegenheit, Berlin anzuschauen. In einigen Sportarten ist das noch drin. Bei den Ballsportarten bleibt aber kaum Zeit, die Hauptstadt zu genießen. Außerdem werden die Sportler - anders als früher - schon zur Kasse gebeten: 45 Euro wurden für jeden meiner Basketballer fällig. Zum Glück springt bei uns der Förderkreis der Schule ein und trägt die Kosten. Es geht schlichtweg ums Geld, aber der Wettbewerb muss am Leben bleiben, denn er ist ein großes Erlebnis und wichtig für den Sport. Wenn es nicht anders geht, könnte man darüber nachdenken, den Zuschuss auf 70 Euro zu erhöhen, den sich dann Schüler und Förderkreis teilen."

Der Bund übt Druck aus

Ingmar Kühhorn von der Fachberatung Sport des Schulamtes Forchheim: "Es wäre eine Katastrophe, wenn die weiterführenden Wettbewerbe nicht mehr adäquat gefördert werden. Das würde sicherlich zu einem massiven Einbruch der Meldezahlen führen, was äußerst bedauerlich wäre. Zudem opfern Lehrer viel Freizeit für ihre Schulmannschaften. In Zeiten von G8, Ganztagsschule und vor allem der massiven Kürzung von Unterrichtsstunden im Fach Sport ist die Vorbereitung von Schul teams im normalen Schulsport oft nicht unterzubringen. Die Wettbewerbe haben oft Talente zu Tage gefördert. Kinder, die noch nicht in Sportvereinen waren oder zum Beispiel auch Ballsportler, die sich auch als ausgezeichnete Schwimmer oder Leichtathleten erwiesen haben. Ohne die Förderung für die Bundesfinals wird vieles wegfallen, was auch wir in der Wettkampfregion Bamberg/Forchheim mit viel Einsatz bei den Vorausscheidungen realisieren. Ich vermute, dass der Bund mit dieser Ankündigung Druck auf die Länder ausüben will, damit diese sich noch stärker an den anfallenden Kosten beteiligen."