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Siemens: Warnstreiks in Erlangen


Autor: Michael Busch

Erlangen, Donnerstag, 21. Februar 2013

Gleichzeitig demonstrierten die Angestellten im öffentlichen Dienst und Mitarbeiter von Siemens für ihre Belange. Gleichzeitig, aber nicht zusammen. Denn bei den einen geht es um bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld, bei den anderen um die berufliche Existenz.
Fotos: Michael Busch


Es ist ein Zitat, das treffender kaum sein kann. "Für augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht." Wer nun glaubt, dass dies eine gewerkschaftliche Phrase ist, die beim Warnstreik der Siemensianer von einem der Teilnehmer postuliert wurde, der irrt gewaltig. Dieses Zitat stammt von Werner von Siemens.

Der deutsche Erfinder, Begründer der Elektrotechnik und Industrielle des 19. Jahrhunderts sowie Gründer und Namensgeber des Weltkonzerns hätte vermutlich auch einem weiteren Ausspruch zugestimmt. "Es wird kälter in Deutschland." Damit meinten die Warnstreikenden allerdings nicht die rund minus sechs Grad, die in Erlangen als Außentemperatur zu verzeichnen waren, denn vielmehr die fehlende soziale Wärme.

Etwa 700 Menschen traten am Donnerstagmorgen für ihre Forderungen in den Ausstand und demonstrierten für die Sicherung des Arbeitsplatzes und bessere Bedingungen am selbigen. 700 Menschen, die aber in der Öffentlichkeit kaum auffielen, obwohl sie aufgeteilt auf zwei Veranstaltungen im Stadtgebiet in Streik getreten waren.

Gestartet hatten die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. "Die Verweigerungshaltung der öffentlichen Arbeitgeber, auch in der zweiten Verhandlungsrunde kein Angebot vorzulegen, hat zu einer massiven Verärgerung der Beschäftigten geführt", erklärt Jürgen Göppner, Geschäftsführer von ver.di Mittelfranken. "Diese provozierende Haltung lässt nur eine Antwort zu: Warnstreiks". Rund 300 Beschäftigte des Uniklinikums Erlangen, der Autobahnmeistereien Nürnberg-Fischbach und Erlangen, der Autobahndirektion Nürnberg, dem Wasserwirtschaftsamt Ansbach und Nürnberg, dem Landesamt für Gesundheit- und Lebensmittelsicherheit, dem staatlichen Bauamt Nürnberg sowie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen beteiligen sich an dem Ausstand. Von der Kopfklinik ging es durch das Gelände des Uniklinikums.

Bis auf einen kurzen Stau vor dem Unigelände blieb dieser Streik aber eher unbeobachtet. Lag es an der Kälte, dass selbst Patienten nicht aus den Fenstern der Kliniken lugten? Lag es an der Resignation, das sich eh' nichts ändere, wie selbst einige Mitdemonstranten meinten?

Die Gewerkschaft Verdi fordert eine Einkommenserhöhung von 6,5 Prozent, mit einer stärkeren Berücksichtigung der unteren Entgeltgruppen. Das für die Bundesländer vereinbarte Ergebnis soll dann zeit- und inhaltsgleich auch auf die Beamten übertragen werden.

Aus der Klinikleitung reagierte man pragmatisch: "Auch während der vier Streikstunden werden alle Notfälle und stationären Patienten auf dem hohen Niveau einer Universitätsklinik versorgt", versicherte der Ärztliche Direktor Heinrich Iro. Bei geplanten Eingriffen kann es am Donnerstag eventuell zu Terminverschiebungen und Verzögerungen kommen.

"Unsere Mitarbeiter wissen um ihre besondere Verantwortung gegenüber ihren Patienten, auch wenn sie mit den Streikzielen übereinstimmen. Das sollten die Gewerkschaften akzeptieren, zumal ein Klinikum nicht am Verhandlungstisch sitzt", so Iro. "Eiskalt abserviert", meinten die Sprecher der Demonstranten.

Zum selben Zeitpunkt trafen sich die Siemensmitarbeiter zum Aktionstag in Erlangen. 10.15 Uhr Start am Südgelände, 11 Uhr die Abschlusskundgebung an der Kantine an der Allee am Röthelheimpark. Es herrscht die gleiche Außentemperatur, doch die soziale Kälte scheint angesichts der Planungen des Weltkonzerns noch eisiger zu sein.

"Ohne Menschen keine Marge. Zukunft nur mit uns." Die Betriebsrätin Birgit Steinborn wurde nicht müde diese Forderung zu wiederholen. Sie startete aber mit dem Hinweis, dass sie gesehen habe, dass in Erlangen das Theaterstück "Der nackte Wahnsinn" laufe. Es ist die Siemens Theatergruppe, die es aufführt, wusste sie zu beantworten. Ähnlichkeiten mit dem Theater des Siemens-Vorstandes seien aber nur zufällig.

Der eigentliche Skandal sei aber, dass in dem Jahr, indem das zweitbeste Firmenergebnis der Geschichte präsentiert wurde, diese Kürzungen inklusive der Personaleinsparungen im Raum stünden. Das alles geschehe, um die Margen immer weiter nach oben zu treiben. "Das ist allerdings kurzfristiger Aktionismus, statt langfristiger Planung", warnte sie in Richtung des Vorstandes.

Der Plan der Firma Siemens sehe eine Kostensenkung vor, den "Go-to-Market", die Vereinfachung der Governance, eine Optimierung der Infrastruktur sowie die Stärkung des Kerngeschäfts. "Ein Jahr des Übergangs habe Peter Löscher, Vorstandsvorsitzender Siemens, erklärt. Bis 2014 sollen sechs Milliarden eingespart werden. Es soll in allen Geschäftsbereichen eine Marge von zwölf Prozent erwirtschaftet werden.

Deutlicher wurde nochmals Betriebsrat Wolfgang Fees: "Umsatz 78 Milliarden Euro - 7,6 Milliarden Euro vor Steuer - 5,2 Milliarden nach Steuer. Statt Dank und Anerkennung an die Belegschaft gibt es die Einsparpläne und die Gefahren von Betriebsschließungen." Er ergänzt speziell für Erlangen: "Die Medizintechnik hat 1800 Millionen Euro erwirtschaftet, das hat es noch nie gegeben."

670 Kollegen seien hier im Standort betroffen. Kollegen, die einst voller Euphorie zu ihrem Arbeitsplatz gegangen sind, da sie wussten, dass sie medizinische Geräte mitentwickeln, mitbauen, die dem Menschen helfen, Geräte, die Menschen vor Krebs retten. Diese Euphorie sei nun verschwunden.

Und damit zeigt sich die Verbindung zum Streik der Uniklinik. Es seien eben nicht nur die "Arbeiter" im öffentlichen Dienst und bei Siemens betroffen, es seien eben auch die anderen Menschen betroffen. So hoffen beide Warnstreikteilnehmer darauf, dass die Bevölkerung sich mit ihnen solidarisiert. Doch bei Streiks, die eher am Rande der Stadt stattfinden, wird das schwierig. Es wird, und das ist noch eine weitere Gemeinsamkeit, aus Sicht der Betriebsräte, Gewerkschaften und Betroffenen noch ein langer, steiniger und vermutlich kalter Weg.