Welche Schwierigkeiten  bei Schaeffler meinen Sie?
Schaeffler hat viele Entwicklungen, insbesondere den Umbruch hin zu Elektromobilität verschlafen. Das gilt im Übrigen für viele deutsche Zulieferer, Schaeffler ist damit nicht allein. Jetzt kommt hinzu, dass die Werke aller großen Automobil-Hersteller nahezu weltweit stillstehen. Das ist ein einmaliger Vorgang. Die Befürchtung, dieser Ausnahmezustand würde den ein oder anderen Zulieferer über den Jordan gehen lassen, ist nicht aus der Luft gegriffen. Schaeffler aber dürfte "too big to fail" sein. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Länder- wie die Bundesregierung gerade die großen Arbeitgeber nicht werden fallen lassen. Notfalls wird man hier finanziell unter die Arme greifen. Davon sind wir aber noch ein Stück entfernt.
Siemens fährt seit längerem die Strategie, Geschäftsbereiche aus der Stamm-AG auszugliedern, so etwa beim Börsengang der Healthineers oder bei der   dann geplatzten Fusion der Bahnsparte mit Alstom. Hat Siemens nun aktuell damit Vorteile oder fährt man als "großer Gemischtwarenladen" besser?
  
  
  
  
  
    
    
    Wir sollten uns nicht dazu verleiten lassen, eine grundsätzliche Unternehmensstrategie, die auf Jahre und Jahrzehnte angelegt ist, an einer Momentaufnahme festzumachen. Siemens ist im Begriff, die Konglomeratsstruktur schrittweise aufzulösen. Dieser Prozess läuft seit Jahren und wird noch Jahre dauern. Aus Investorensicht ist die Auflösung des einstigen Gemischtwarenladens zu begrüßen. Hier treten Werte zum Vorschein, die sonst verborgen geblieben wären. Und das sollte auf lange Sicht auch für die Arbeitnehmer von Vorteil sein, weil sich die einzelnen Bereiche in der Folge besser kapitalisieren können. Einen Vor- oder Nachteil daraus für die jetzige Situation abzuleiten, halte ich jedoch nicht für richtig. Siemens hat eine starke Bilanz. Da muss man sich wenig Sorgen machen. 
Und die Medizintechniker Healthineers mit Standorten in Erlangen und Forchheim?
Siemens Healthineers könnte sich sogar als kleiner Krisenprofiteur entlarven. Die Nachfrage sei jedenfalls stabil, sagt das Unternehmen. Bei bildgebenden Geräten soll sie sogar erhöht sein. Das stimmt zuversichtlich. 
China kauft sich nun groß bei deutschen Firmen ein. Diese Warnung hört man aktuell allerorten. Was ist dran an der "Gefahr"? Sehen Sie diese Möglichkeit auf die Dax-Konzerne der Region zukommen?
Ja und Nein. China wird als erstes aus dieser Krise hinauskommen. Nach allem was man hört und liest, hat die Regierung dort die Ausbreitung des Virus in den Griff bekommen. Die Firmen fahren ihre Produktion wieder hoch, verdienen Geld. Aber: Sowohl von der deutschen Regierung als auch seitens der EU versichert man, man werde alles dafür tun, ausländische Investoren abzuwehren, sofern sie die Krise für Übernahmen nutzen wollen. Inwiefern das gelingt, lasse ich offen. Nicht-kritische Industrien wie beispielsweise Sportartikel- und Modeunternehmen wie Puma oder Adidas wird man so kaum schützen können. Aber: Adidas ist auch heute noch über 40 Milliarden Euro wert. Das ist kein kleiner Happen. 
Und was ist mit dem Konkurrenten Puma? 
Puma hat mit Kering einen starken Großaktionär, an dem vorbei kein Chinese die Kontrolle übernehmen kann. Übernahme in beiden Fällen also unwahrscheinlich. Bei Schaeffler sieht es etwas anders aus: Interessant ist hier für Investoren nicht in erster Linie Schaeffler selbst, sondern die Beteiligung an Continental. Die ist mittlerweile mehr wert als Schaeffler selbst an der Börse. Bleibt diese Diskrepanz erhalten, könnten Investoren aktiv werden, allerdings nicht zwangsläufig aus China. Bei Siemens muss man sich darüber wenig Gedanken machen. Hier dürfte der Staat einen Riegel vorschieben. Bei Siemens Heal-thineers ist eine Übernahme ebenfalls kein Thema, allein schon weil Siemens die Mehrheit hält. Dass Siemens einem Verkauf zustimmt, erachte ich als unwahrscheinlich auf dem aktuellen Niveau.
 Inwieweit kann man die Krise jetzt mit der Weltfinanzkrise 2008/09 vergleichen?
Auch wenn hier gerne Vergleiche gezogen werden, unterscheiden sich beide Ereignisse grundlegend. Investoren suchen gerne nach bekannten Mustern, um sich das Hier und Jetzt überhaupt oder zumindest besser zu erklären. Das ist nichts Außergewöhnliches, sondern nur menschlich. Doch wenn man ehrlich ist, dann hinkt dieser Vergleich von Beginn an. Die Weltfinanzkrise hatte ihren Ursprung im Bankensektor. Was dann in der Realwirtschaft ankam, waren die Ausläufer dieser Spekulationsblase mit Subprime-Hypotheken am US-Immobilienmarkt. Die Schockwelle für die Weltwirtschaft wurde aber eindeutig vom Finanzsektor aus gesandt.
 Es gibt also Unterschiede der beiden Krisen? 
Die Corona-Krise ist vollkommen anders gelagert. Der Finanzsektor könnte hier einen Kollateralschaden erleiden, etwa weil Kredite, die ohnehin auf wackeligen Füßen standen, jetzt notleidend werden und ausfallen. Getroffen von der Corona-Krise wird aber in erster Linie die Realwirtschaft. Das hat eine ganz andere Dimension. Wir sehen einen sudden stop, und zwar sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Das ist so in dieser Form einmalig, dafür gibt es kein Muster, kein Beispiel aus der Vergangenheit. Die Folgen sind nicht absehbar. Jede Prognose ist Kaffeesatzleserei. Schwarzmalerei verbietet sich daher ebenso wie Wirtschaftswunder-Prophezeiungen. 
Es ist zu früh für eine Prognose? 
Fakt ist: Niemand weiß wirklich, wie wir aus dieser Situation rauskommen werden. Auch, weil die Regierung keine Exit-Strategie vorgestellt hat, wie der Lockdown der Wirtschaft aufgelöst wird. Ich fürchte, die wissen selbst nicht, wie wir zur Normalität zurückkehren. Diese Unsicherheit spürt man natürlich auch in den Vorstandsetagen der betroffenen Unternehmen, deren Produktion zu großen Teilen stillsteht.
Die Fragen stellte Christian Bauriedel.