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Seniorchef ist die Seele der Firma


Autor: Evi Seeger

Wachenroth, Mittwoch, 03. August 2016

Anton Murk ist auch mit mittlerweile 86 Jahren fast täglich in dem Wachenrother Bekleidungshaus anzutreffen.
Anton Murk packt im Bekleidungshaus auch heute noch gerne selbst mit an. Foto: Evi Seeger


"Urlaub hab ich seit 1972 nicht mehr gemacht", sagt Anton Murk. Einmal, als er stationär im Krankenhaus war, habe er zum Professor gesagt: "Das ist jetzt mein Urlaub!" Der Seniorchef des Wachenrother Bekleidungshauses, der beim Aufbau des Unternehmens in den Nachkriegsjahren federführend war, ist noch heute fast täglich im Geschäft anzutreffen. Die Antwort auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, aufzuhören, überrascht daher keineswegs: "Nein", kommt es wie aus der Pistole geschossen. "Dann würde ich ja krank werden!"

"Er ist das Gesicht der Firma", meint einer seiner engen Mitarbeiter. Für andere ist "der Anton" der ruhende Pol und die Seele des Unternehmens. 86 Jahre ist er jetzt und - körperlich wie geistig - topfit. Murk ist Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde und hat, was anderen meist erst nach dem Tode zuteil wird: Die Marktgemeinde hat nach ihm eine Straße benannt. Das Bundesverdienstkreuz wurde ihm schon vor Jahren verliehen.

Fragt man den Seniorchef, ob er sich denn heute noch in die Geschäftsführung einmische, kommt ein Nein. Etwas zögerlich allerdings, so dass man geneigt ist, noch einmal nachzuhaken. Na ja, Tipps gebe er "den Jungen" schon noch hin und wieder. Dass er ein wenig stolz ist auf sein Lebenswerk, gibt Anton Murk gerne zu. Vor allem aber ist er zufrieden und das ist ihm auch anzumerken. Bei seinen Söhnen Georg und Johannes sowie bei Neffe Reinhold weiß er das Unternehmen in besten Händen.

"Überall, wo's pressiert" ist der Senior heute anzutreffen. Hauptsächlich findet man ihn im Kassenbereich. Dort macht er das, was ihm ein Leben lang wichtig war: Kontakte pflegen. Da gibt es Kunden, die bereits silberne oder goldene Hochzeit gefeiert haben und denen Anton Murk den Brautanzug geliefert hat. Sie suchen noch heute den Kontakt zu ihm. "Kunden, die einmal hier waren, kommen immer wieder - bis aus Norddeutschland", freut er sich.


Mit zwölf an der Nähmaschine

Schon in früher Jugend musste Anton Murk im elterlichen Geschäft mit anpacken. Denn bereits vor dem Zweiten Weltkrieg wurde bei Murk in Wachenroth Berufskleidung in Eigenproduktion gefertigt und an Firmen und Händler im weiten Umkreis geliefert. Mit zwölf Jahren hatte der junge Anton bereits seine eigene Phoenix-Nähmaschine in der Werkstatt und musste nähen. Seine Hausaufgaben erledigte er erst am Abend. Meist unter Betreuung seines Großvaters, der ebenfalls Anton hieß und der 1890 mit einer Schneiderwerkstatt das Unternehmen gründete.

1942 - im Alter von zwölf Jahren - saß Anton Murk erstmals im Luftschutzkeller in Würzburg. Im Zug war er mit seiner Mutter in die unterfränkische Stadt gefahren, um Großhändler aufzusuchen. Zwei Jahre später begann er 1944 eine Schneiderlehre beim Vater Georg Murk. Einmal pro Woche musste er mit dem Zug nach Bamberg zur Berufsschule fahren.

An den Sonntagnachmittagen erledigte der junge Mann die Verwaltungsarbeiten. Überweisungen mussten ausgestellt und Webereien wegen der Lieferungen angeschrieben werden. Die Materialbeschaffung sei während des Krieges und noch in den ersten Jahren danach das Schwierigste überhaupt gewesen, erinnert sich Murk Senior.

Seinen Ursprung hatte alles in der Wachenrother Hauptstraße. Dort befand sich auch der kleine Laden, in dem es Meterware für Kleider, Anzug- und Sakkostoffe, Berufskleidung, die damals beliebten Cordhosen, Strümpfe und Socken zu kaufen gab. In den Jahren 1965, 1971 und 1976 wurde das ursprüngliche Firmengelände immer wieder erweitert. In Wachenroth wurden Herrenhosen, Sakkos und Damenhosen produziert.

1953 übernahmen Anton Murk und sein Bruder Georg die Geschäftsführung vom Vater. Schon zwei Jahre später folgte der Erweiterungsbau der Näherei. Wie die Chronik besagt, hatte der Betrieb im Jahr 1952 schon 50 Beschäftigte.


Immer selbst gefahren

An den Samstagen gingen die Brüder auf Liefertour in unterschiedliche Richtungen. Zuerst mit dem Motorrad, später dann mit dem Auto. Kundenbesuche, das Ausliefern von Kollektionen an die Fachgeschäfte, sei immer seine Lieblingsbeschäftigung gewesen. "Ich war viel unterwegs - im In- und im Ausland", erinnert sich Anton Murk. "Es gab Jahre, da war ich nur zwanzig Wochen daheim." Ganz gleich wohin es ging, ob nach Italien, München, Köln, Düsseldorf oder Prag - auch die weitesten Strecken sei er immer selbst gefahren. Einen schweren Unfall habe er auf all diesen Fahrten nie verursacht.

Viel zu tun gab es für Murk lange vor der Wende im Osten Deutschlands, vor allem in Ost-Berlin, in Leipzig und Dresden. Anton Murk hatte ein Visum und konnte ungehindert ein- und ausreisen. Engagiert war der Firmenchef auch bei der Industrie- und Handelskammer Nürnberg, wo er 23 Jahre lang seine Erfahrungen einbrachte.
Als 1998 der Neubau am Ortseingang von Wachenroth bezogen wurde, war die Geschäftsleitung bereits an die nächste Generation übergegangen. "Ja, es war richtig, dass wir Wachenroth und damit unserem Heimatort treu geblieben sind", antwortet Murk auf die Frage. Auch wenn es steuerlich vielleicht an einem anderen Ort günstiger gewesen wäre. Heute beschäftigt das Unternehmen gut tausend Mitarbeiter im In- und Ausland. Mit 300 Beschäftigten allein in Wachenroth ist Murk ein ganz wichtiger Arbeitgeber in der Region.