Schlüsselfelder half Hochwasser-Opfern
Autor: Martin Kreklau
Schlüsselfeld, Montag, 24. Juni 2013
Während des Hochwassers war der Schlüsselfelder Dieter Eck als Kradmelder im Einsatz. Im Interview spricht er über seine Eindrücke aus dem Flutgebiet.
Es waren Szenen, die Dieter Eck aus Schlüsselfeld so schnell nicht loslassen werden. Als Kradmelder der Johanniter war er mit dem Sanitätsmotorrad in und um Deggendorf, Plattling und Osterhofen unterwegs, um sichere Wege für die Einsatzfahrzeuge auszukundschaften. Die Zusammenarbeit mit Helfern verschiedener Organisationen erlebte er äußerst positiv. Doch ein Ereignis geht ihm bis heute nach.
Wo genau waren Sie im Einsatz und was waren Ihre Aufgaben?
Dieter Eck: Ich war als Kradmelder im Einsatz, also mit dem Sanitätsmotorrad. Der erste Anlaufpunkt für alle Einheiten war zur Registrierung die Autobahnmeisterei Kirchroth. Von dort aus wurden alle Einsatzkräfte auf die verschiedenen Bereiche verteilt - zum Beispiel nach Deggendorf, Plattling, Osterhofen und Straubing. Untergebracht waren wir in der Gäubodenkaserne in Mitterharthausen.
Unsere Aufgabe als Kradmelder war, die Wege auszukundschaften um zu sehen, welche noch befahrbar sind. Die A3 und die A92 am Deggendorfer Kreuz waren komplett überflutet, später auch die B8. Wir mussten dann die Einsatzkräfte - zwischen dreißig und fünfzig Fahrzeuge, vom Kleinbus bis zum Lkw - über die sicheren Wege bis zum Einsatzort bringen.
Wie wurden Sie als Helfer von der Bevölkerung aufgenommen?
Wir waren ja immer unterwegs, deswegen hatten wir wenig Kontakt zur Bevölkerung. Man hat allerdings immer mal wieder etwas erfahren, wenn man andere Kollegen getroffen hat. Die Menschen waren demnach alle froh, dass so viele Helfer da waren. Sie wurden mit offenen Armen empfangen und von den Betroffenen super versorgt.
Gab es Schwierigkeiten mit Gaffern?
Also mir persönlich stand kein Gaffer im Weg. In Deggendorf, Plattling und Osterhofen war das weniger ein Problem. Schwierigkeiten gab es aber mit Plünderern, die es ausnutzen wollten, dass ganze Ortschaften evakuiert waren. Das ist meiner Meinung nach unter der Gürtellinie, die Not der Menschen dort auszunutzen. Die sollten sich schämen.
Wie kann man sich Ihren Tagesablauf vor Ort vorstellen?
Aufstehen mussten wir gegen 5.30 Uhr, dann haben wir mit den Soldaten gemeinsam gefrühstückt. Im Anschluss ging es zur Einsatzleitung, wo wir unsere Aufgaben zugeteilt bekommen haben. In der Regel haben wir zwei Fahrten am Tag geschafft.
Von Kirchroth nach Deggendorf wären es zum Beispiel ungefähr 20 Kilometer - die einzige freie Strecke waren am Schluss 80 Kilometer. Es gab nur noch eine Donaubrücke, die man überqueren konnte, das war die über die B20. Und es gab auch nur noch eine Zufahrtsstraße nach Deggendorf.
Weil die Autobahn nicht befahrbar war, ist der Verkehr auf die B8 und die B20 ausgewichen. Wegen der aufgeweichten Grünstreifen sind dort zum Teil noch Lkw umgekippt. Man kann sich vorstellen, wie der Verkehr dort aussah. Und dann mussten wir da mit unseren 30 Fahrzeugen irgendwie durch. Das hat einige Zeit in Anspruch genommen. Abends sind wir in die Kaserne zur Einsatzleitung zurückgekehrt. Wenn es nichts mehr zu tun gab, so gegen 21 Uhr, konnten wir dann Feierabend machen. Bis es am nächsten Tag wieder weiterging.
Gab es einen Moment, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Die Zusammenarbeit mit den Kollegen, egal von welcher Organisation, war wirklich hervorragend. Es war eine positive Erfahrung. Es war keinem eine Arbeit zu viel, die Stimmung untereinander war gut, wir haben Hand in Hand gearbeitet. Diese Erfahrung möchte ich nicht missen.
Ein negativer Moment, der mir auch heute noch nachhängt, war die Geschichte eines Bauernhofes. Der Bauer hatte 180 Rinder. Davon sind 120 ertrunken und die restlichen 60 konnte er auch nicht retten. Die musste man dann erschießen. Der Bauer hat also quasi seine ganze Existenz verloren. So ging es natürlich vielen anderen auch.
Wie geht man als Helfer mit einer solchen Erfahrung um?
Ich denke es braucht eine gewisse Zeit, bis solche Eindrücke verarbeitet sind. Von einem Tag auf den anderen kann man das nicht wegstecken. Man muss sich auch als Helfer die Zeit geben, das für sich zu verarbeiten. Es ist nicht so, dass man nahtlos in den Alltag übergeht.
Inwiefern haben die Eindrücke Sie persönlich verändert?
Man lernt seine Heimat mehr zu schätzen. Ein Gedanke war: Was haben wir hier in Franken eigentlich für ein Glück? Solche Unwetter streifen uns nur, wie zum Beispiel im Aischgrund oder an der Laufer Mühle. Aber das ist nichts im Vergleich mit Deggendorf, Plattling und Osterhofen. Dafür bin ich dankbar. Da sieht man erstmal, was Wasser eigentlich anrichten kann, was da für eine Gewalt dahinter steckt. In Deggendorf etwa sind pro Sekunde 2500 Liter Wasser geflossen. Das kann man sich gar nicht vorstellen.
Wie sieht es derzeit vor Ort aus?
Jetzt geht die Arbeit erst los. Der ganze Müll muss beseitigt, der Schlamm ausgewaschen werden. An den Häusern muss der Putz und alles raus. Ich hoffe, dass die Politik dran bleibt und ihre Versprechen wahr macht. Denn viele Menschen in den Flutgebieten müssen jetzt wieder bei null anfangen.