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Schatz aus der Scheune: Alte Höchstadter Kirchturmuhr strahlt jetzt im Heimatmuseum


Autor: Christian Bauriedel

Höchstadt a. d. Aisch, Freitag, 16. Oktober 2020

Es ist ein kleines Wunder: 60 Jahre schlummerte die alte Höchstadter Kirchturmuhr in einer Scheune zwischen Gerümpel. Nun glänzt sie als neuer Star im Heimatmuseum. Doch das Räderwerk gibt noch Rätsel auf.
Räder- und Läutwerk sowie das Uhrenblatt der alten Höchstadter Kirchturmuhr wurden von Klaus Kramer in akribischer Fleißarbeit restauriert. Foto: Christian Bauriedel


Sie ist ein Zeitzeuge im wahrsten Sinne. Und fast wäre sie in Vergessenheit geraten, die alte Höchstadter Turmuhr, die von 1855 bis 1958 in der Stadtpfarrkirche ihren Platz hatte. Als sie damals durch ein modernes Werk ersetzt wurde, landete sie schließlich beim Uhrmacher Alfred Wahlrab. Er bewahrte sie in der Scheune hinter seinem Haus in der Brückenstraße auf.

60 Jahre schlummerte sie dort zwischen Gerümpel. An Rädern, Zeigern und Uhrblatt nagte der Zahn der Zeit. Ganz vergessen war sie jedoch nicht.

"Ich habe schon immer gewusst, dass in der Scheune die alte Uhr steht", erinnert sich Gertrud Kammerer, Nichte von Alfred Wahlrab. Als ihr Onkel vergangenes Jahr in hohem Alter verstarb und

der Lagerraum ausgeräumt wurde, war es soweit. "Es war immer klar: Das Uhrwerk kriegt einmal die Stadt", sagt Gertrud Kammerer.

Dass sie bei diesen Worten vor dem Uhrwerk in einem prächtig restaurierten Zustand stehen kann - und das auch noch nur ein paar Monate später - das ist der arbeitsreiche Verdienst von Klaus Kramer.

Metallschlosser legt sich ins Zeug

"Man könnte nie bezahlen, was er geleistet hat", formulierte es Bürgermeister Gerald Brehm bei der Vorstellung der wiederhergestellten Uhr im Heimatmuseum. In mühevoller Kleinstarbeit, teils tüftlerisch, teils schweißtreibend, machte sich Kramer, der gelernte Metallschlosser und Oldtimer-Freak, ans Werk. Er zerlegte das Metallkonstrukt der Uhr in alle Kleinstteile, säuberte sie, besserte aus, schliff, wienerte, strich und ölte, bis schließlich wieder ein Tick-Tack zu hören war. Uhrenmäßige Erfahrung hat Kramer. Vor rund 20 Jahren restaurierte er bereits die Uhr im Turm des Alten Rathauses.

Der Motor hinter dem Projekt Turmuhr, oder wie er es selbst sagt "unser Coronaprojekt", war Christian Plätzer, Historiker, Stadtarchivar und Leiter des Heimatmuseums. Er und Monika Mennel, die die Höchstadter Geschichte bestens kennt, erkannten sofort den historischen Wert, den die Uhr für die Stadt hat und auch welche Rätsel sie aufgibt (siehe unten).

Uhrentechnische Expertise war nicht weit weg: In Bernhard Huber fanden sie einen Mann vom Fach. Er ist von der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie in Nürnberg, Bibliothek und Fachkreis zur Erforschung und Dokumentation der Zeitmessung.

Lob vom Uhren-Experten

"Das ist eine mächtige Uhr", sagt Huber. Ein Wunder sei es, dass sie so lange erhalten blieb. Ein noch größeres Wunder, sei es, dass sie "unter den Zauberhänden" von Kramer wieder zum Leben erweckt wurde. Und das in der Kürze der Zeit. Von April bis August arbeitete Kramer daran. "Ich habe das mit Freude für die Stadt Höchstadt und die Nachkommen gemacht. Das ist einfach Stadtgeschichte. Und die Herausforderung war klasse", sagt Kramer.

Einen Ehrenplatz hat die Uhr nun im Heimatmuseum gleich im Eingangsbereich links. An dem mechanischen Uhrwerk könne man sehen: "Digital ist eben nicht alles", schwärmt Kramer. Es lohnt sich einfach, Altes aufzubewahren. Das werden dank des geglückten Restaurierungsprojekts noch Generationen lernen können.

Teamwork: Stadtarchivar Christian Plätzer und Bernhard Huber von der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie haben die Geschichte der Uhr recherchiert:

Uhrengeschichte: Sie sah das Kaiserreich kommen und gehen, überlebte zwei Weltkriege, Wirtschaftskrisen: 1958 wurde die alte Turmuhr von St. Georg durch eine modernere ersetzt.

1854 war sie im Auftrag der Stadt gebaut und ein Jahr später dort installiert worden. Bereits 1842 ärgerte sich der Magistrat (Stadtrat) über ein "abgenutztes, abgelaufenes Werk". Ein Zeiger, der oft stand. Wenn er lief, dann falsch. Es ist wahrscheinlich, dass die Uhr zu dieser Zeit - wie oft üblich - nur einen Stundenzeiger hatte und der Minutenzeiger erst 1879 dazu kam. Der Stundenzeiger war, anders als heute, der längere.

Gebaut wurde sie von einem Simon Johann Lechner aus Schornweisach. Er baute sie für 314 Gulden. Das war nur halb so viel wie die damals erfolgreichste Großuhrenschmiede in München geboten hatte.

Fragezeichen: Doch hat dieser Lechner sie auch wirklich gebaut? Hier verbirgt sich ein noch nicht vollends gelöstes Rätsel. Recherchen bringen in Schornweisach nur einen Maurer mit dem Namen zu Tage. Doch er hieß eigentlich Simon Georg Lechner, nicht Johann. Die Bauweise deutet auch auf eine mögliche Herkunft einer bekannten Uhrmacherei im Coburger Land hin. Hat Lechner damals geschummelt und eine gebrauchte, möglicherweise defekte Uhr erworben, wiederhergerichtet und den Stadtoberen angedreht? Viel spreche dafür, dass der Schornweisacher sie wirklich selbst gebaut hat, so das Urteil des Uhrenexperten Huber.

Die Recherchen gingen sogar soweit, dass ein Nachfahre dieses Lechner zur Vorstellung im Heimatmuseum anreiste. Ur-Ur-Enkel Martin Prütting kam aus Hamm in Nordrhein-Westfalen extra nach Höchstadt. Für ihn sei es ein "Blick in die weitere Vergangenheit der Familie". Bisher habe er nur gewusst, dass sein Ur-Großvater Uhrmacher war.