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Reitstall für therapeutisches Reiten gesucht


Autor: Evi Seeger

Möhrendorf, Dienstag, 25. Dezember 2012

Die Ergotherapeutin Sabine Fechter sucht für ihren Reitstall ein neues Gelände. Ihr bisheriges Areal am Kanal muss sie bis Juni 2013 räumen.
Nikolai (ein Kind mit Down Syndrom) hat Enrico, den andalusischen Riesenesel, lieb gewonnen. Foto: Evi Seeger


Wie frustrierend Herbergsuche sein kann, ist seit zweitausend Jahren aller Welt bekannt. Damals wurde ein Elternpaar allerorten abgewiesen und fand schließlich eine nicht gerade komfortable Bleibe in einem Stall bei Ochs und Esel.

Nun, einen Stall, einen Esel, vier Pferde, Hühner und Hasen hat auch Sabine Fechter in Möhrendorf. In ihrem Reitstall bietet die Ergotherapeutin zusammen mit der Erzieherin Ulrike Löhe therapeutisches Reiten an. Doch die Tage der Einrichtung, die allwöchentlich 40 bis 50 Kinder und Erwachsene mit und ohne Behinderungen oder Beeinträchtigungen aufsuchen, scheinen gezählt. Das Grundstück nahe am Kanal, auf dem Sabine Fechter vor zehn Jahren aus eigener Kraft ihren Reitstall aufgebaut hat, ist gekündigt. Bis Juni 2013 soll sie das Areal geräumt haben.

Nun sucht die Reittherapeutin Hände ringend nach einer Immobilie in Ortsrandlage, mit der Möglichkeit, angrenzend Land zu pachten, um dort ihre Pferde in einem Offenstall mit Weidegang zu halten.

Die Gemeinde Möhrendorf habe wohl ein Grundstück in der Nähe angeboten. Die Bedingungen erscheinen Sabine Fechter jedoch nicht akzeptabel: Für eine Pachtdauer von zehn Jahren müsste sie die Kosten der Bebauungsplanänderung von rund 14 000 Euro übernehmen. Hinzu kämen noch Kosten für den Flächenausgleich und der Umbau des Stalles, der wiederum 24 000 Euro verschlänge. Diese Investition für nur zehn Jahre ist Fechter zu hoch. Zumal das Ersatzgrundstück weder Wasser- noch Stromanschluss aufweist.

Zwar ist ihr momentaner Reitstall auch nur mit Strom, nicht jedoch mit Wasser versorgt. "Doch ein Neuanfang sollte wenigstens eine Verbesserung darstellen", findet Fechter.
Bei einem erneuten Umzug und Umbau möchte sie wenigstens für 20 Jahre abgesichert sein. Sie hat aus der Erfahrung gelernt. Etwas blauäugig hatte sie damals einen Vertrag für nur sieben Jahre unterschrieben, der seit nunmehr drei Jahren abgelaufen ist.

Sie sei durchaus kompromissbereit, sagt Sabine Fechter. Auf Möhrendorf als ihren künftigen Wirkungskreis besteht sie nicht. Günstig wäre jedoch ein Gelände im Umkreis von Erlangen. Denn viele ihrer Klienten wären auf Therapien und medizinische Versorgung in der Stadt angewiesen. Für sie sei es wichtig, nicht zu große Strecken fahren zu müssen.

Nach Fechters Meinung kam der Stein durch eine Änderung des Bebauungsplans ins Rollen: Ein Teil des Areals - zuvor für "Freizeit, Sport und soziale Zwecke" ausgewiesen - wurde zum Gewerbegebiet umgewidmet. Das von ihr genutzte Gelände ist zwar noch immer der ursprünglichen Nutzung "Freizeit, Sport und soziale Zwecke" vorbehalten, doch scheinen Grundstücksspekulationen im Raum zu stehen.

"Wir möchten gut und in Ruhe arbeiten können und unsere Energie nicht in Streitigkeiten vergeuden", sagt Fechter. Dabei ist die Wirkung des therapeutischen Reitens unumstritten. Wie Professor Detlev Thilo-Körner, Internist und Präsident des Rotary-Clubs Herzogenaurach, betont, ist therapeutisches Reiten eine ganzheitliche heilpädagogische Therapie. Sie fordere den Hilfsbedürftigen auf seiner individuellen mechanischen, biochemischen, biophysikalischen, mentalen und seelischen Ebene. Hinzu kommt für den Präsidenten des Rotary-Clubs, der die Einrichtung unterstützt, die artgerechte Freilandhaltung der Pferde und die "Therapie im Freien". Dadurch werde bei allen Beteiligten "der Bezug zur Natur hergestellt und als Therapie mit einbezogen".

Für Sabine Fechter findet zwischen Pferd und Patient "eine Wechselwirkung" statt. Daher wird häufig ohne Sattel geritten: "Die Bewegungs- und Wärmeübertragung ist dadurch wesentlich intensiver. Das tut Patienten mit Muskelverkrampfungen oder Spastiken sehr gut." Wenn ein Bereich stimuliert werde, komme das auch anderen Bereichen zugute. Gute Erfolge ihrer Therapie hat Fechter in der Sprachentwicklung feststellen können. Auch ein Kind, das vor der Therapie stark "gespeichelt" habe, könne jetzt den Mund schließen.

Das stark ausgeprägte Sozialverhalten der Tiere habe Bedeutung im Therapieverlauf, sagt Fechter. Die Pferde würden merken, wenn ein Mensch Unterstützung brauche. Wichtig sei für sie auch, die Tiere selbst zu versorgen. So sei sie stets informiert, wie es ihnen geht.
Die Therapie beinhalte nicht nur das Reiten, sondern auch das Putzen und Vorbereiten der Pferde. Dadurch werde der taktile Bereich, die Fein- und Grobmotorik und die Selbständigkeit gefördert. "Ich bekomme oft Rückmeldungen von Eltern, wie positiv das Reiten von Kindern erlebt wird, die oft die unterschiedlichsten Therapien durchgemacht haben und die nun froh sind über eine Förderung, die ihnen Freude bereitet."
Das kann Christel Weber, Mutter einer Tochter mit Down Syndrom, die schon seit 23 Jahren bei Sabine Fechter reitet, nur bestätigen. "Die bei Down Syndrom häufig erschlaffte Muskulatur erhält durch das Reiten neue Impulse." Ihrer Tochter bekomme auch die Frischluft sehr gut, da sie immer wieder Probleme mit Bronchitis hatte.
Die Crux des Ganzen ist, dass Sabine Fechter aus dem Betrieb des Reitstalles ihren Lebensunterhalt bestreitet. Wäre der Reitstall ein Verein, würden ganz andere Möglichkeiten greifen.
Das bedeutet aber auch, wenn sich bis Juni nichts findet, müssten sich die 50 Kinder und deren Eltern etwas anderes suchen. "Sie müssten wieder ganz neu anfangen, sich neue Beziehungen aufbauen." Dass dies schwierig ist, weiß Wolfgang Jörg, Behindertenbeauftragter der Stadt Herzogenaurach: "Gerade behinderte oder beeinträchtigte Menschen können nicht von heute auf morgen eine neue Beziehung aufbauen."