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Projekttag DDR: Morgenappell und Zeitzeugen


Autor: Tina Meier

Höchstadt a. d. Aisch, Mittwoch, 29. Juli 2015

Am Gymnasium Höchstadt fand ein Projekttag zum Thema Mauerfall und Leben in der DDR statt. Zeitzeuge Günter Wetzel berichtete von seiner Flucht im Heißluftballon.
Zu Schulbeginn versammelten sich alle Schüler im Südhof zum Morgenappell. Fotos: Tina Meier


Zu Schulbeginn strömen alle Klassen in den Südhof und warten auf den Morgenappell. Die Hymne der DDR ertönt, die Flagge wird geschwenkt und der Elftklässler Bastian Kuth erhebt die Stimme. Er verkörpert einen Schulleiter der DDR. Er ehrt besondere Erfolge der Schule und spricht dem Vaterland, der DDR, seine Dankbarkeit aus. Gemeinsam mit der FDJ, den Schülern, trägt er die Regeln der Pioniere vor: "Wir lieben unsere Deutsche Demokratische Republik. Wir lernen fleißig, sind ordentlich und diszipliniert", lauten nur zwei der zehn Regeln, die die Jugendliche der FDJ früher auswendig kennen mussten.

"Mit diesem Tag möchte euch das P-Seminar einen Eindruck vom Alltag in der DDR vermitteln", verkündete Schulleiter Bernd Lohneiß vom Balkon des Schulgebäudes.

Unter der Leitung von Lehrerin Petra Arnold organisierten die 15 Mitglieder des Projekt-Seminars "Grenzerfahrungen" Ausstellungen, bauten eine Mauer im Schulgebäude auf, die die zeitlichen Eckdaten veranschaulicht, und stellten das Programm für die Schüler zusammen.

In den Pausen verkaufte das P-Seminar Kuchen und Soljanka nach DDR-Rezepten. Über eine Rundmail forderten sie die Eltern im Vorfeld auf, ihnen alte Gegenstände aus dem Osten bereitzustellen. So entstand eine Ausstellung unter anderem mit Karten, Büchern, altem Geschirr, einer Schreibmaschine und Telefonen, die den Schülern das damalige Leben verdeutlichen sollte. Um ihnen einen weiteren und intensiveren Einblick zu ermöglichen, wurden neun Zeitzeugen eingeladen, die von ihren Erfahrungen berichteten.

Mit dem Ballon über die Grenze

Einer von ihnen war Günter Wetzel. Er floh mit Frau und Kindern und einer befreundeten Familie mit dem Heißluftballon nach Westdeutschland. Nicht nur das Haus und den persönlichen Besitz sondern auch andere Familienmitglieder mussten sie in der DDR zurücklassen.

"Ich bin auf dem Land aufgewachsen und erlebte zunächst eine Kindheit, die mit eurer vergleichbar ist", erklärte Wetzel. Durch Flugblätter und die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft bekam er bereits früh etwas von der Politik mit. In der Schule wurden die Kinder überwacht und überprüft. Sie bekamen zum Beispiel die Aufgabe, eine Fernsehuhr zu malen. Zeigte ihr Bild eine Uhr mit Punkten, wurde angenommen, dass zuhause DDR-Fernsehen geschaut wird. Sobald eine Uhr mit Strichen gemalt wurde, war klar, dass die Familie des Kindes Westfernsehen schaut.

"Man konnte als Jugendlicher sogar ins Gefängnis kommen, wenn man einen Witz gegen die DDR macht", erzählte er. Die Mauer wurde den Bürgern Ostdeutschland als "Antifaschistischer Schutzwall" verkauft. "Man fühlte sich eingesperrt und hatte nicht die Möglichkeit, die DDR zur verlassen", berichtete Wetzel. Da er kein Mitglied der SED war, wurde es ihm sogar verwehrt, ein Physikstudium anzutreten.

Im März 1978 stieß er in einer Zeitung, die Freunde aus Westdeutschland mitbrachten auf einen Bericht über ein Ballonfahrertreffen. "Ich dachte mir: Es kann doch gar nicht so schwer sein, so einen Ballon zu bauen." Gemeinsam mit Peter Strelzyk fasste er den Plan, auf diese Art die Grenze zu überwinden. Nach einigen Schwierigkeiten und gescheiterten Flugversuchen stellte er 1979 den dritten Ballon fertig.

Am 15. September entwickelte sich das Wetter zu einem stabilen Nordwind. "Wir wussten, wenn wir fliehen, dann in dieser Nacht." Die Familien und der Ballon waren startklar. Beim Losfahren hing der Korb allerdings für kurze Zeit nur noch an einem Befestigungsseil und neigte sich zur Seite, sodass der Stoff des Ballons Feuer fing. Glücklicherweise konnte der Brand mit einem Feuerlöscher gestoppt werden, aber das nächste Problem machte sich schon bemerkbar. Der Ballon hatte oben ein Loch, verlor also ständig an Luft und der Gasbrenner musste durchgehend laufen. Nach 20 Minuten war das Gas dann leer und sie begannen zu sinken.

Schließlich landeten die acht Personen in der Nähe der Stadt Naila (Landkreis Hof) - circa zehn Kilometer von der Grenze entfernt. "Erst als uns zwei westdeutsche Polizisten in einem Audi begegneten, war uns klar, dass wir es geschafft haben."