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Pfarrerin startet in Mühlhausen neu durch


Autor: Evi Seeger

Mühlhausen, Freitag, 21. August 2015

Dorothea Zwölfer übernimmt ab Februar 2016 die Pfarreien Mühlhausen und Weingartsgreuth. Das Besondere an ihr: Sie wurde in einem männlichen Körper geboren. Ihre neuen Wirkungsstätten besucht sie schon vor ihrem offiziellen Amtsantritt.
Der Vespa-Roller ist eine der Leidenschaften von Pfarrerin Dorothea Zwölfer.  Foto: privat


Die Pfarrstelle für Mühlhausen und Weingartsgreuth ist derzeit - nach dem Weggang von Pfarrer Torsten Bader - nicht besetzt. Dorothea Zwölfer wird seine Nachfolge übernehmen.

Frau Pfarrerin Zwölfer, Sie werden voraussichtlich im Februar 2016 die Pfarreien Mühlhausen und Weingartsgreuth übernehmen. Gab es schon ein gegenseitiges Beschnuppern?
Es gab ein Treffen mit den Kirchenvorständen der beiden Kirchengemeinden, bei dem es um die Stellenbesetzung ging. Dort wurden mir viele Fragen gestellt, auf die ich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit eingegangen bin. Aber bei der Kirchweih in Weingartsgreuth (23. August, am Nachmittag) und Mühlhausen (7. September, am Nachmittag) möchten meine Frau und ich gerne dabei sein und die Menschen vor Ort kennenlernen.

Sie bekennen sich im Internet und verschiedenen Foren ganz offen zu Ihrer Transsexualität, das heißt, Sie wurden in einem männlichen Körper geboren. Inzwischen sind Sie auch vor dem Gesetz eine Frau. Eine besondere Situation, mit der die evangelische Kirche und Ihre Vorgesetzten offensichtlich gut umzugehen verstehen.
Was den "männlichen Körper" betrifft: Es kommt sehr darauf an, was einen Menschen in seinem Innersten ausmacht. Bei der Geburt kann man das Geschlecht keineswegs so klar bestimmen, wie man meint - denn das zentrale Geschlechtsmerkmal "sitzt zwischen den Ohren", wie ein Neurowissenschaftler es einmal ausdrückte. Das bedeutet: Es gibt ein inneres Wissen um das eigene Geschlecht, das im Gehirn verankert ist und von außen eben nicht immer klar erkannt werden kann.
Ja, meine Transsexualität ist ein Thema meines Lebens, das in den letzten Jahren wichtig war, aber mein Glaube ist mir viel wichtiger. Ich bin mir sicher, dass Gott mich so liebt, wie ich bin - das gibt mir Kraft und das ist letztlich auch das, was Martin Luther entdeckt hat: Gottes Liebe und Gnade sind ein Geschenk, das frei macht, aufatmen lässt und Gemeinschaft wachsen lässt.
Deshalb bin ich bewusst Pfarrerin in der evangelischen Kirche. Ich habe meine Kirche seit vielen Jahren als sehr vielfältig und weit erlebt und viele wunderbare Gottesdienste und bereichernde Begegnungen mit Menschen in dieser Kirche gehabt.

Sie sind ja weiterhin verheiratet. Kommt Ihre Frau mit in den Ebrachgrund?
Ja, sie kommt mit und wird auch gerne in die Gemeinde mitarbeiten.

Würden Sie mir bitte etwas über Ihren beruflichen Werdegang erzählen?
Ich habe sowohl Erfahrung in der Großstadt München (Vikariat) gesammelt wie auch im ländlichen Raum und in der Kreisstadt Ansbach. Da ich in Ansbach im Frühjahr 2011 endgültig Gewissheit bekam, eine Frau zu sein, überlegte ich, wie die Angleichung möglich werden konnte.
Nachdem meine Frau im Sommer 2012 sich entschied, bei mir zu bleiben, beschlossen wir beide in Absprache mit der Kirchenleitung, nach dem Coming out im Frühjahr 2013 die Stelle zu wechseln, und ich bewarb mich um eine Sonderpfarrstelle im Dekanat Landshut. Dort bin ich übergemeindlich tätig und halte im Dekanat und darüber hinaus Gottesdienste, übernehme Taufen, Trauungen und Beerdigungen, arbeite im Bereich Internet und Schulung evangelische Termine konzeptionell - und Religionsunterricht erteile ich ebenfalls.

Wird der Wechsel von einer Stadt mit mehr als 60 000 Einwohnern in eine so kleine Gemeinde wie Mühlhausen nicht eine große Umstellung für Sie bedeuten?
Nein, ich habe auch schon in kleinen Gemeinden gearbeitet bzw. Vertretungen übernommen. Die Größe einer Gemeinde sagt alleine wenig aus. Ebenso wichtig sind andere Faktoren: Interesse an Glaubensfragen, Offenheit, Bereitschaft zum Gespräch und das Miteinander mit anderen Menschen.

Was hat Sie bewogen, sich für gerade für Mühlhausen zu entscheiden?
Vieles, was in der Ausschreibung stand, war und ist mir wichtig: Die Struktur der Gemeinde ist interessant - es gibt viele "Lehrberufe". Gemeindearbeit hat viel mit Pädagogik und Vermittlung zu tun - wenn dann andere da sind, die in diesem Bereich eine besondere Begabung haben, ist das wunderbar. Die Nähe zu Erlangen und die Pendler werden erwähnt - ich selber habe bei Siemens Praktika gemacht und bin ein wenig mit der "Siemens-Familie" vertraut.
Im Amtsblatt wird der hohe Stellenwert der Kirchenmusik betont - etwas, was mir schon immer wichtig war. Musik kann Menschen etwas von Gottes Liebe und Nähe vermitteln und mit Musik kann man Jugendliche und junge Familien begeistern. Die Arbeit mit diesen beiden Zielgruppen ist ebenfalls eine Aufgabe, die mich reizt.
Außerdem gibt es in beiden Gemeinden viele engagierte ehrenamtliche Mitarbeitende und Gruppen. Das ist mir wichtig, denn Gemeinde lebt von Beteiligung und einem guten Miteinander.

Sie haben sich für den Namen "Dorothea" entschieden. Das bedeutet Gottesgabe, Gottesgeschenk. Empfinden Sie Ihr Leben als Frau in diesem Sinne als ein Geschenk Gottes?
Ich denke, dass jeder Mensch ein Geschenk Gottes ist und eine ganz besondere Würde von Anfang an geschenkt bekommen hat. Für mich war es ein Geschenk, dass ich ein großes Rätsel meines Lebens und etwas, was mich lange belastet hat, lösen konnte und Ärzte mir dabei halfen, einen lange Jahre währenden Leidensdruck loszuwerden.
Letztlich erlebte ich meine Angleichung als ein Geschenk Gottes, für das ich Gott dankbar bin. Und ich habe erlebt, dass trotz der Krise, die meine Frau und ich gemeinsam durchstehen mussten, die Angleichung uns viele neue Perspektiven eröffnet hat. Durch meine Internetseite ergaben sich Kontakte zu anderen transsexuellen Menschen und deren Angehörige und viele Seelsorgegespräche sowie Einladungen zu Vorträgen und einem Kongress, der nächstes Jahr an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main stattfinden wird. Dazu findet man mehr auf www.familie-zwoelfer.de - es war bereichernd, anderen Menschen helfen zu können, die Ähnliches erlebt haben.
Insofern glaube ich, dass der Name "Dorothea" einfach passt. Abgesehen davon kenne ich einige Frauen mit dem Vornamen "Dorothea", die mir sympathisch sind.
Die Fragen stellte Evi Seeger.