Auch die Landwirte im Kreis Erlangen-Höchstadt können nur mit Ausgleichszahlungen der EU überleben.
Immer wieder müssen Landwirte in der Region neben Wetter auch gegen Neid und Missgunst kämpfen. Kritiker werden schnell laut, wenn sie auf der Homepage des Landwirtschaftsministeriums sehen, wieviel der nebenan wohnende Landwirt wieder an EU-Förderungen kassiert.
Eine dieser Tage durch die Medienlandschaft geisternde Meldung wies darauf hin, dass sich jetzt wieder jedermann informieren kann, wer wieviel EU-Förderung bekommt. Das "Gesetz zur Veröffentlichung von Informationen über die Zahlung von Mitteln aus den Europäischen Fonds für Landwirtschaft und Fischerei" bildet die Grundlage für diese Datenbank.
Unter der Internetadresse "www.agrar-fischerei-zahlungen.de/Suche" kann man schnell herausbekommen, dass beispielsweise Landwirt XY aus einem Höchstadter Ortsteil mit über 74 000 Euro im Jahr 2017 gefördert wurde und damit zu den größten Zahlungsempfängern in der Stadt zählt. Fünfstellige Summen sind bei Familienbetrieben keine Seltenheit. Es kommen über diesen Fonds aber auch Kommunen und Unternehmen in den Genuss von EU-Geldern, da gehen die Zuschüsse dann schnell in die Millionen.
Nicht gerade begeistert von dieser Transparenz ist Robert Ort, Bauernverband-Kreisobmann für Erlangen-Höchstadt. Da müsste man auch die Bezieher von Wohn- und Kindergeld, oder das Kurzarbeitergeld bei Schaeffler veröffentlichen, findet Ort.
Der Kreisobmann, der selbst mit einem niedrigeren fünfstelligen Betrag gefördert wird, verteidigt seine Berufskollegen: "Gäbe es ab heuer keine Prämien mehr, würde sich die Landwirtschaft bei uns sofort erledigen", sagt Ort. "Wenn ich das Geld nicht bekomme, könnte ich zusperren".
Verschiedene Höchstadter Landwirte, auf deren Namensnennung wir verzichten möchten, können die Meinung ihres Kreisobmanns nur bestätigen. "Wenn wir keine Förderung hätten, hätten wir auch keinen Gewinn", stellt einer fest und erinnert daran, dass er für einen Doppelzentner Weizen heute 16 Euro bekommt - vor 35 Jahren waren es bereits 28 Euro. Sicher sei der Ertrag heute höher, dafür waren die Sorten früher gesünder und es war weniger Pflanzenschutz notwendig.
Da bleibt nichts übrig
Den 1000 Euro, die er auf einem Hektar Getreidefeld erlösen kann, stellt ein Landwirt den Aufwand gegenüber: 200 Euro Pacht, 50 Euro Berufsgenossenschaft, dazu mehrmalige Bodenbearbeitung, Saatgut, die Aussaat, Pflanzenschutz, Düngung und die Erntekosten - "dann bleibt vom Tausender nichts mehr übrig".
Das sei für den Landwirt Fakt, wie auch, dass er ohne Förderung keinen Gewinn hätte. Er jammere aber nicht und rege sich auch über die Fördersummen-Veröffentlichung nicht auf. "Wir haben einen 365-Tage-Job, von früh bis nacht", sagt ein anderer Betroffener. Wer heute eine größere Investition - wie einen Stallneubau - abbezahlt habe, "haut in den Sack".
Wenn er kostendeckende Preise bekommen würde, bräuchte er keine Förderung, versichert ein weiterer und trifft damit den Nagel auf den Kopf.
"Bis Mitte der 90er Jahre waren die Landwirte glücklicher, weil sie sich nicht als Bittsteller fühlten", stellt Waldemar Kloss fest, Abteilungsleiter Förderung am Amt für Landwirtschaft in Fürth. Ohne Förderung ist für ihn kostendeckende Landwirtschaft im Hochpreisland Deutschland nicht mehr möglich. Damals konnten noch halbwegs Preise erzielt werden, doch dann öffnete die EU die Grenzen für landwirtschaftliche Produkte und die Preise fielen in den Keller.
Um die Landwirtschaft am Leben zu erhalten, wurde EU-weit ein hochkomplexes Fördersystem geschaffen. Abgewickelt werden die Förderungen vom Amt für Landwirtschaft. Wer in der Branche irgendwie aktiv ist, kann einen sogenannten "Mehrfachantrag" stellen. Für Kloss sagt der Name schon alles.
Es brauche Jahre, um das System mit seinen Fördermöglichkeiten und Bedingungen zu verstehen. Größter Brocken sind die Ausgleichszahlungen für die stark gesunkenen Erzeugerpreise. Es gibt eine Entschädigung für die in der EU gegenüber dem Weltmarkt weit höheren Umweltschutz-, Tierschutz- und Verbraucherschutzstandards.
Abzüge gibt es, wenn "dem Klima- und Umweltschutz förderliche Bewirtschaftungsmethoden" nicht eingehalten werden. Im ökologischen Landbau werden geringere Erträge und höhere Arbeitsbelastungen ausgeglichen. Entschädigung bekommt der Landwirt, wenn er beispielsweise eine Wiese nicht düngt und dadurch weniger Ertrag hat. Honoriert wird auch die Teilnahme an freiwilligen Umweltprogrammen - die müssen aber jeweils fünf Jahre laufen.
Wer einen Förderantrag stellt, setzt sich auch einer hundertprozentigen Kontrolle aus. Das Amt weiß, was der Landwirt auf jeder seiner Flächen anbaut. Das wird vor Ort auch kontrolliert. Kloss: "Teilweise durchs Veterinäramt und durch unseren Prüfdienst vom Landwirtschaftsamt."
Vieles von den Kontrollen bekomme man gar nicht mit, sagt Kreisobmann Ort. Alles werde untersucht. Vom Pflanzenschutznachweis wenn man spritzt, bis zur Aufzeichnung aller Arzneimittel, die man seinen Rindern gibt. Dass die Fördergelder öffentlich einsehbar sind, dürfte auch keinen Betroffenen überraschen, stimme man doch mit der Antragstellung automatisch einer Veröffentlichung zu.
Ohne Förderung sei für Ort Milchproduktion bei uns nicht machbar. Er selbst habe mit seinen 60 Kühen in den Jahren 2015 und 2016 wegen der niedrigen Milchpreise jeweils 50 000 Euro draufgezahlt.
Für Ort ist die Ernährungssicherheit in der EU ein hohes Gut, das die Politik nicht aufgeben sollte. Die Fördergelder seien auch notwendig, um sich notfalls selbst versorgen zu können.
Zur Transparenz bei den Fördergeldern stellt Ort fest: "Es gibt Gemeinden, da drucken Leute Listen mit den Zuschussempfängern aus und verteilen sie am Stammtisch."