Leider waren die Ergebnisse der Abschlussexamina 2019 wiederum erbärmlich. Die grundlegenden Problemfelder - defizitäres Lehrerverhalten, schwache Schulleitung und leistungsschwache bis unmotivierte Schüler - haben Bestand. Wohltuend für mich war der herzliche Empfang. Ich fühlte mich sofort willkommen, mein Verhältnis zu den Kollegen war vom ersten Tag locker, offen, auf Augenhöhe. Heuer arbeitete ich mit drei Mathelehrern (2019 nur einem), rotierte viel. Für mich ein abwechslungsreicher Alltag.
Die Schlüsselrolle haben die Lehrer inne. Wie erlebten Sie deren Verhalten und deren Unterricht ?
Aus unserer Sicht wäre es euphemistisch, von einem verantwortungsvollen oder gar nachhaltigen Unterricht zu sprechen. Echte, häusliche Unterrichtsvorbereitung gibt es nicht. Unpünktliches Erscheinen, Untätigkeit sowie allerlei Erledigungen während des Unterrichts reduzieren viele 40-Minuten-Stunden auf weniger als die Hälfte.
Eigenes Handeln und Wirken wird nicht reflektiert, stattdessen seien die Schüler "schlicht zu dumm, zu faul, zu unmotiviert und für unzureichende Leistungen selbst verantwortlich". Am erschreckendsten waren allerdings inhaltliche Wissens- und Kompetenzdefizite, wodurch immer wieder haarsträubende mathematische Fehler geschahen. Das klingt deprimierend. Wie haben Sie agiert, was bewirkt ?
Die Zusammenarbeit im Alltag war produktiv. Die Kollegen äußerten Wünsche und erbaten Unterstützung. Methodische und inhaltliche Ratschläge verabreichte ich in homöopathischen Dosen. Ich korrigierte ihre Fehler, bereitete sie auf neue Themen vor, hielt Demonstrationsstunden und entwarf umfangreichere Arbeitspapiere zu Wunschthemen, deren Besprechung leider dem Abbruch meines Einsatzes weitgehend zum Opfer fiel. Insgesamt glaube bzw. hoffe ich, ein paar Impulse gesetzt zu haben. Und die Schüler? Wie ist deren Verhältnis zu den Lehrern ?
Die mangelhafte Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Schüler wundert nicht, sind doch die Lehrer kein Vorbild, keine Motivatoren. Einige Schüler rücken zudem in die Sekundarschule vor, obwohl sie in der Primarschule gescheitert sind.
Die Lehrer disziplinieren einerseits brutal. Ein Beispiel: Nach einer Brandrede lässt eine Kollegin einige Schüler antreten, verteilt mit einem Hartgummistöckchen Schläge auf die Handflächen, andere müssen bis Stundenende am Boden sitzen. Andererseits ist das Verhältnis inniger, emotionaler als bei uns, eine Umarmung durchaus üblich.
Wie steht es um die Ausstattung der Schule ?
Es fehlt an Vielem. Oft reicht die Zahl der Tische und Stühle in den Klassenzimmern nicht. Elementar ist der Mangel an Schulbüchern.
Was können Sie über die Schulleitung sagen ?
Bislang war sie führungsschwach und inkonsequent. Anfang März kam ein neuer Schulleiter. Erste Maßnahmen zielen auf Pünktlichkeit im Allgemeinen und Schülerdisziplin. Ob sich Grundlegendes ändern wird, lässt sich nach der kurzen Zeit nicht beurteilen.
Lassen Sie mich noch ein Beispiel zum Schulmanagement erzählen: In den ersten Februartagen hat eine Alumnigruppe der Schule zwei PCs und eine mobile Laptopeinheit mit Beamer gespendet, dazu Lehrvideos und interaktive Lernsoftware bereitgestellt. Nach einer von nahezu euphorischem Applaus begleitenden Vorführung wurden die Geräte abgeräumt und weggesperrt. Sie sind bis zu meiner Abreise nicht mehr aufgetaucht.
Was ist für eine Verbesserung der Situation notwendig ?
Die Veränderung des Lehrerverhaltens erfordert ein Langzeitprogramm, das vom Bildungsministerium zu initiieren ist. Zweitens muss Geld für Bildungsinvestitionen in die Hand genommen werden, was ein notleidender Staat, aktuell verschärft durch die Corona-Pandemie, leider nicht tun wird. Drittens ist das Niveau der Lehrerausbildung erheblich anzuheben.
Halten Sie einen weiteren Einsatz für sinnvoll ?
Zunächst müsste ich erneut angefordert werden. Persönlich bin ich diesbezüglich zwiegespalten. Einerseits benötigen die Lehrer inhaltlich und methodisch täglichen Beistand, andererseits ist ihre grundsätzliche Berufseinstellung von mir nicht veränderbar.
Sie unterstützen seit vielen Jahren Sozialprojekte in Namibia. Haben Sie diese besucht ?
Eigentlich wollte ich mich in den letzten Tagen des geplanten Aufenthalts um zwei Kindergärten im Windhoeker Township kümmern, Corona machte mir einen Strich durch die Rechnung. Ich hoffe, im Herbst Namibia und die Projekte dort besuchen zu können. Die Corona-Krise wird die Not der Menschen in den Armenvierteln erhöhen, weshalb ich für jede noch so kleine Spende dankbar bin. Die Fragen stellteJohanna Blum