Nun doch: Familie ist abgeschoben
Autor: Bernhard Panzer
Herzogenaurach, Mittwoch, 27. März 2019
Nicht nur der 22-jährige Tschetschene Shamil musste gestern Deutschland verlassen, auch seine Eltern flogen nach Kasachstan.
Sie haben zurzeit wahrhaft keine guten Tage, die Helfer der Herzogenauracher Flüchtlingsbetreuung. "Ich hätte so gern einmal ein Erfolgserlebnis", sagt Uschi Schmidt. Stattdessen muss sie erneut einen Rückschlag hinnehmen.
Freilich geht es den engagierten Mitarbeitern im Helferkreis dabei nicht um das eigene Wohlbefinden. Steckt doch hinter jeder Niederlage auch ein persönliches Schicksal der Betroffenen. Und zumeist auch eine menschliche Tragödie. Genau das geht eben unter die Haut.
So wie im aktuellen Fall. Am Dienstag wurde eine Familie aus Tschetschenien abgeschoben, obwohl laut Uschi Schmidt mehrere Gründe dafür sprachen, diesen harten Schritt nicht jetzt zu vollziehen. Unermüdlich hatten sich die Helfer für den 22-jährigen Shamil eingesetzt. Er war fünf Jahre in Herzogenaurach, er war integriert mit guten Deutsch-Kenntnissen. Und hatte eine Lehrstelle angeboten bekommen. Seit Dienstagmittag ist das alles vorbei: Da ging sein Flieger nach Kasachstan. Der Appell an den Innenminister verhallte, auch die Hoffnung auf ein aufschiebendes Urteil des Verwaltungsgerichts erfüllte sich nicht.
Dem nicht genug: Mit abgeschoben wurden seine Eltern. Und das ist etwas, was Uschi Schmidt erst recht nicht verstehen kann. Shamils Mutter Luiza war bekannt in Herzogenaurach, "sie hat geholfen, wo sie nur konnte". Die Betreuerin ist ratlos: "Es gibt unter den Flüchtlingen in Herzogenaurach niemanden, der sich mehr integriert hat." Genutzt hat es nichts: Auch Luiza und ihr kranker Mann Hasan wurden abgeschoben.
Viele kennen Luiza
Zunächst hieß es, dass die Familie im gleichen Flugzeug sei und damit wenigstens zusammenbleiben durfte. Doch auch diese Hoffnung zerschlug sich, Shamil flog über Moskau, die Eltern wenig später über Kiew. In Almaty sollten sie wieder aufeinander treffen.
Uschi Schmidt reagierte am Dienstag erschüttert und sprachlos. Wenn jemand sich integriert, anderen Menschen hilft so wie Luiza, mehrere Arbeitsstellen antreten könnte und auch schon ausgefüllt hat, und jetzt aktuell eine Stelle als Pflegerin in Aussicht hatte, "der darf nicht abgeschoben werden", ist die 57-Jährige überzeugt. Auch Papiere waren genügend vorhanden und sollten nun gesammelt vorgelegt werden.
Da heiße es immer, wer den Pflegeberuf beschreitet, werde wohlwollend betrachtet. Und dann seien das plötzlich nur leere Worte, klagt Schmidt. "Für uns gab es nie einen Grund, dass das mit der Stelle nicht klappen könnte." Die Religionspädagogin weiter: "Ich bin demoralisiert. Es geht nur noch ums Abschieben."