Mit der Lupe nach dem Urbild gemalt
Autor: Pauline Lindner
Höchstadt a. d. Aisch, Mittwoch, 29. Mai 2013
Erika Musiols Ikonen sind zur russischen Nacht in Etzelskirchen und zum Altstadtfest im Stadtmuseum zu sehen.
Im wahrsten Sinne des Wortes lebt Erika Musiol in einer Schatzkammer. Alle Wände ihres Zimmers im BRK-Altenheim hat die 91-Jährige mit Ikonen behängt. Mit von ihr selbst gemalten.
"Es sind sicher mehr als 100, die ich gemalt habe", sagt sie. Viele hat sie verschenkt, an Freunde, aber vor allem an ihre Kinder. Die aus dem Besitz der Tochter können die Höchstadter während des Altstadtfestes am letzten Augustwochenende bewundern.
Für zwei Tage überlässt sie sie Museumskurator Sebastian Schmitt. "Eigentlich wollte ich zur Russischen Nacht am 27. Juli eine Ikonen-Sammlung ins Stadtmuseum holen. Das ist an den Versicherungsbedingungen gescheitert", sagt er. Dann ist er auch vom Termin abgekommen, denn in der Nacht gibt es so viel Programm, dass die Besucher kaum überall hinkommen.
Ein markantes Datum sollte es dennoch sein. Schmitt entschied sich für das Altstadtfest. Und freut sich, dass er die Werke einer "Einheimischen" ausstellen kann. Ein gutes Jahr darf sich Erika Musiol dazu zählen, seit sie aus dem Sauerland hierher zur Tochter gezogen ist.
So sehr ihr das BRK-Heim gefällt, einen Nachteil hat es: Kein Platz zum Malen. Und zum Lagern der halbfertigen Holztafeln. "Ich brauche einen halben Tag", sagt Musiol, aber das stellt sich schnell als Missverständnis heraus. Einen halben Tag etwa dauert es, bis sie ein Gesicht gestaltet hat.
"Während des Malprozesses", so erinnert sich die Tochter, "hat Mutter die Ikonen immer zum Trocknen auf den Schrank gelegt." Die Gesichter waren immer schon das, was Musiol am besten, am lebendigsten zu gestalten wusste. Gleich ob sie berühmte Vorlagen nach kleinen Kunstdrucken nachgestaltete oder ob sie "ein Abbild vom Urbild" schaffen wollte, wie Musiol die Aufgabe des Ikonenmalers beschreibt.
Bis ins Kleinste ist ihre Arbeit verhaftet in der Tradition der ostkirchlichen Malerei. "Manches muss man mit d er Lupe malen", verrät Musiol das Geheimnis ihrer feinen Pinselarbeit.
Die Grundform, die Körperhaltung, die Gewandfarbe und auch die Attribute eines Heiligen sind in der Ikonenmalerei traditionell festgelegt. Die Schönheit - man darf ruhig sagen - die innere Leuchtkraft einer Ikone schafft ihr Maler. Wie er die hellen Lichter auf die eher dunklen Gesichter setzt, wie er mit feinstem Strich den Faltenwurf eines Gewandes hervorhebt. In diesem Bereich darf man Erika Musiol ein hohe Meisterschaft attestieren.
Diese Fähigkeit hätte einmal Ruhm eingebracht. Nicht ihr, sondern ihrem Lehrer Golikow. Er wollte Musiols Ikonen für eine Ausstellung in Paris und sie dort - unter seinem Namen ausstellen. Das war Musiol bei aller Verehrung für den russischen Meister doch zu viel. "Er konnte die Technik perfekt lehren, aber selber Ikonen malen konnte er nicht", sagt sie nüchtern über den längst Verstorbenen.
Mit ihm waren die Teilnehmer seiner Kurse schon vor 1990 in der Sowjetunion. "In Moskau und in Leningrad", sagt deshalb Musiol auch. Die Ikonostase des Newskij-Klosters in - heute - St. Petersburg hat sie noch gut in Erinnerung, die Stilmischung aus östlicher Tradition und westeuropäischem Barock. "Wir haben, soweit es ging, überall Kirchen besucht", erinnert sie sich. An Einzelheiten kann sie sich bei der Fülle nicht mehr erinnern, meint sie. Aber geblieben ist ihr das Bild der majestätisch leuchtenden Farben. Ein Vorbild, das man beim Betrachten aus jeder ihrer Ikonen ablesen kann.