Meerrettich macht Karl Brehm aus Lonnerstadt erfinderisch
Autor: Sarah Seewald
Lonnerstadt, Dienstag, 25. August 2015
Karl Brehm aus Lonnerstadt hat die Chance, Deutschlands Okö-Landbauer 2016 zu werden. Gestern nahm eine Jury vom Landwirtschaftsministerium seinen Hof unter die Lupe. Angstschweiß trieb es Brehm dabei nicht auf die Stirn.
Für die Autos aus Berlin, Bonn und Göttingen reichte die Hofeinfahrt der Familie Brehm gestern Nachmittag gerade so aus. Den Fahrzeugen entstiegen Experten in Sachen ökologische Landwirtschaft - die Jury des Bundeswettbewerbs Ökologischer Landbau 2016 und Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
An den Marktplatz nach Lonnerstadt verschlug es die Jury, die von einem Film-Team begleitet wurde, weil sich Karl Brehm mit seinem Bio-Bauernhof und seinen Maschinen für die Ausschreibung "innovative technologische Entwicklungen" beworben hatte.
Karl Brehm ist seit 1999 Bio-Bauer. Er hat den Hof in Lonnerstadt von seinen Eltern übernommen, ist aber als Erster in der Familie zum "Öko-Bauer mutiert", wie er schmunzelnd in der Besichtigungsrunde auf seinem Hof erzählt. Und das auch nicht auf direktem Wege. Karl Brehm ist studierter Architekt, musste nach dem Abitur erst einmal Reißaus vom Landleben nehmen, sich ausprobieren, seinen Horizont erweitern, um dann letztlich voller Überzeugung wieder in die Heimat zurückzukehren.
Regionale Nischen-Kultur
Mit seiner Ehefrau, ihren vier Kindern - zwei Söhne, zwei Mädchen - und den Eltern auf dem Hof lebt er den Traum von Bio-Landwirtschaft und hat sich auf den Anbau von Getreide, Kartoffeln und Meerrettich spezialisiert. Nicht nur Bio-Ware, vor allem das Direktvermarkter-Prinzip liegen dem Landwirt besonders am Herzen. So hat er sich dafür entschieden, seine festkochende Kartoffelsorte Anuschka nur noch in den eigenen Zwei-Kilo-Papier-Beuteln an einen regionalen Einkaufsmarkt abzugeben.Am stärksten fordert aber der Meerrettich seine Aufmerksamkeit. Fördert wohl aber auch Brehms Erfindungsgeist, wenn es darum geht, Maschinen-Teile zu entwickeln, mit denen die Bewirtschaftung im Meerrettich-Sektor erleichtert werden kann.
So hat Brehm beispielsweise ein Gerät entwickelt, mit dem die Löcher in den Dämmen für die Stecklinge nicht mehr von Hand mit dem Pflanzspaten gestochen werden müssen, sondern mit einem speziellen Aufsatz auf der Dammfräse erfolgen. Die Stecklinge werden dann von seinen vier saisonalen Hilfsarbeitern in die Löcher gelegt. Im Frühjahr wird das Kreuzblütengewächs gesetzt, Anfang Oktober - am besten, wenn es kurz vorher Frost gegeben hat - werden die Pflanzen geerntet.
Angefangen hat Brehm 1999 mit 100 Setzlingen, im vergangenen Jahr ist er bei 180 000 Meerrettich-Setzlingen angekommen, circa 2000 Setzlinge verteilen sich auf einem Hektar Land.
Nicht nur die Bodenbedingungen, vielmehr der bekannte Meerrettich-Hersteller in Baiersdorf, machen den Landkreis zu einem beliebten Meerrettich-Anbaugebiet, erklärt Brehm. "Meerrettich ist eben die Nische und Bio ist die Nische der Nische", sagt der Landwirt.
Der Meerrettich wird bei Brehms geerntet, auf dem Hof geputzt und kommt gleich weg. Auf Brehms Aussage, "mehr tun wir nicht", geht ein Raunen durch die Jury. Nach seiner zweistündigen Ausführung, wieso auf einen Hektar Meerrettich umgerechnet circa 1000 Arbeitsstunden entfallen, ist allen Jury-Mitgliedern klar, wie viel Aufwand hinter dem Anbau steckt - selbst mit den "innovativen technologischen Entwicklungen". Ob diese ihm nicht nur die Arbeit erleichtern, sondern vom Bundesminister für Landwirtschaft ausgezeichnet werden, wird sich erst in den nächsten Wochen entscheiden.
Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau
Am Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau können Betriebe teilnehmen, die seit mindestens zwei Jahren nach den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau zertifiziert sind. Voraussetzung ist, dass der gesamte Betrieb ökologisch bewirtschaftet wird. Bewerbungsschluss war bereits im
Juni.
Jury Die Jury wird durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) berufen und setzt sich zusammen aus Vertretern der ökologischen Landwirtschaft, von Verbraucher- und Umweltverbänden und der Wissenschaft.
Gewinner Nach einem Vorauswahlverfahren ermittelte die Jury aus dem engeren Kreis fünf Bewerber, deren Betriebe alle Ende August besichtigt werden. Danach schlägt die Jury dem Bundesminister bis zu drei der besichtigten Betriebe als Preisträger vor. Der Minister zeichnet die Sieger bei der Internationalen Grünen Woche 2016 in Berlin aus. Das Preisgeld beträgt max. 7500 Euro je Sieger. Quelle: BMEL