Druckartikel: Lonnerstadter Guru geht in Revision

Lonnerstadter Guru geht in Revision


Autor: Andreas Dorsch

Ailsbach, Dienstag, 05. August 2014

Bei ihnen zuhause auf der Terrasse sprechen der Guru aus Lonnerstadt und seine Lebensgefährtin mit unserem Reporter Andreas Dorsch über das Urteil. Die drei Jahre, die sie ins Gefängnis sollen, halten sie für "zu deftig".
Drei Jahre sollen diese beiden Ailsbacher Sonnenanbeter ins Gefängnis. Foto: Andreas Dorsch


Ganz in Weiß gekleidet sitzen sie einträglich auf ihrer Terrasse im Lonnerstadter Ortsteil Ailsbach und verstehen die Welt nicht mehr. Einen Tag nachdem sie vom Landgericht Nürnberg zu einer jeweils dreijährigen Haftstrafe verurteilt wurden, präsentieren sich der 55-jährige sogenannte "Guru von Lonnerstadt" und seine Lebensgefährtin so friedlich, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Das Gericht sah dies in seinem Urteil am Montag anders.

Wegen der "Misshandlung von Schutzbefohlenen" wurden sie schuldig gesprochen. Durch unterlassenes Handeln hätten sie in Kauf genommen, dass ein 15-jähriger Jugendlicher in eine "potenziell lebensbedrohliche" Lage geraten sei. Dabei handelte es sich um den Sohn der Mitangeklagten, der an Mukoviszidose erkrankt war, aber keine Medikamente mehr einnahm.

Nach dem Urteil am Montag im Nürnberger Gerichtssaal "wollten wir eigentlich nur weg", sagt die Angeklagte. Ihr Lebensgefährte glaubt nicht, dass die Kinder - der 15-Jährige hat noch drei Geschwister - ihre Mutter ins Gefängnis bringen wollten.

Der BGH muss entscheiden

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Wie Rechtsanwalt Axel Graemer aus Erlangen, der Pflichtverteidiger der beiden Angeklagten, auf Anfrage bestätigte, werde man Revision einlegen. Nachdem der Fall wegen des hohen möglichen Strafrahmens erstinstanzlich vor dem Landgericht verhandelt wurde, geht es mit der Revision zum Bundesgerichtshof. Anwalt Graemer fordert weiterhin "Freispruch, hilfsweise eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe".

Den Tatvorwurf des Missbrauchs hält der Verteidiger für nicht gegeben. Graemer wundert sich, dass zehn Jahre lang nichts passiert ist und der Ex-Mann der Angeklagten, der leibliche Vater des damals 15-Jährigen, drei Wochen vor Ablauf der Verjährungsfrist Anzeige erstattet hat. Und das geschah zudem erst, nachdem der WDR einen Filmbeitrag über den Lonnerstadter Guru ausgestrahlt hatte.

Die 49-jährige Angeklagte vermutet in dem Ganzen eine Fortführung der Rachekampagne ihres Ex-Mannes. Seit 1992 ist sie bereits geschieden. Das Urteil über drei Jahre Haft findet sie "zu deftig" und auf Lügen aufgebaut. "80 bis 90 Prozent gelogen", sagt ihr Partner, der Guru.

Die beiden kritisieren auch die Medien, von denen sie sich vorverurteilt fühlten. "Wir sind die Bösen. Es wäre ein Paukenschlag gewesen, wenn es einen Freispruch gegeben hätte", ist der Guru überzeugt. Die Geschichte sei auf Sensation aufgebaut gewesen. Er könne jetzt Christian Wulff und Gustl Mollath gut verstehen.

"Wenn es unser Schicksal ist, würden wir es annehmen", sagt die 49-Jährige, sollte die Revision keine Strafmilderung bringen. "Eigentlich haben wir hier oben in Ailsbach schon 14 Jahre freiwilliges Gefängnis hinter uns - ohne Auto und ohne Fahrrad", ergänzt ihr Partner.

Niemand wird gezwungen

Die beiden Sonnenanbeter, die noch keinerlei Erfahrungen mit Gerichten hatten, sind sich keiner Schuld bewusst. Mit ihrer freien Lebenseinstellung wollen sie niemanden zu etwas zwingen, auch nicht ihre Kinder zur Einnahme von Medikamenten. In den vergangenen drei Jahren fühlten sie sich gemobbt, gestalkt und verfolgt.
Die Kinder der Angeklagten wollen sich zu dem Verfahren erst äußern, wenn das Urteil rechtskräftig ist, verriet eine Tochter unserer Zeitung.

"Drei Jahre sind noch zu wenig", findet Christina Plank, Mitinitiatorin der Mahnwachen, in denen aufgebrachte Bürger vor dem Anwesen in Ailsbach protestierten. Schließlich wäre der 15-Jährige fast gestorben. Steuerhinterzieher oder Tierquäler würden höhere Strafen bekommen. Trotzdem ist sie froh, dass die beiden überhaupt verurteilt wurden.

Lonnerstadts Bürgermeister Stefan Himpel (FW) geht davon aus, "dass das Gericht den Fall genau geprüft hat, wenn es eine so hohe Strafe ansetzt". Die müsse man akzeptieren. Aus Sicht der Gemeinde könne er über die Sonnenanbeter in Ailsbach nichts Negatives sagen. Auch aus ihrem Umfeld gebe es keine Klagen.