Druckartikel: Leute vom Fach sind gefragt

Leute vom Fach sind gefragt


Autor: Stefan Fößel

, Mittwoch, 17. August 2011

1300 Stellen könnte Schaeffler noch besetzen. Auch andere Firmen der Region suchen verstärkt nach Fachkräften. Und doch gibt es auch Ingenieure, die keine geeignete Stelle finden.
Georg Schwarz konnte sich seinen künftigen Arbeitsplatz aussuchen. Der 27-jährige Ingenieur hat sich für Imo in Gremsdorf entschieden. Foto: Stefan Fößel


Georg Schwarz konnte sich seinen künftigen Arbeitsplatz aussuchen. Der 27-jährige Ingenieur aus Erlangen hat sich nach dem Studium "allgemein umgehört" und dann für Imo in Gremsdorf entschieden. Das Unternehmen hatte seinen Sitz in der Nähe und war Schwarz positiv aufgefallen, weil es vom Wirtschaftsministerium unter "Bayerns Best 50" gewählt worden war. Als Anwendungsingenieur beschäftigt sich Schwarz mit der Auslegung von Großwälzlagern in allen Bereichen, die vom großen Schwimmbagger bis zu Flaschenabfüllanlagen oder in Tunnelbohrmaschinen eingesetzt werden. "Ich bin hier sehr zufrieden, vor allem weil ich mit vielen Bereichen eng zusammen arbeite und in der Entwicklung mit unterschiedlichen Anwendungsfällen betraut bin, aber auch mit den Kunden zu tun habe", sagt der 27-Jährige.
Ingenieure wie Schwarz werden als das klassische Beispiel zum Thema Fachkräftemangel angeführt, aber bei Imo wären auch andere Stellen zu besetzen: "Wir suchen eigentlich ständig, vom Produktionshelfer bis zum Ingenieur, Zerspanungsmechaniker, Maschinenbediener, Anlagenelektroniker, Dreher, Fräser, Bohrer", sagt Julia Diepenbroek, die bei Imo in Gremsdorf die Abteilung Personalbeschaffung und -entwicklung leitet. Genaue Zahlen könne sie nicht nennen.

Jogging mit den Auszubildenden

Weil Fachkräfte knapper werden, will der Betrieb mit seinen derzeit 1000 Mitarbeitern die vorhandenen weiterqualifizieren, neue ausbilden - und möglichst lang gesund erhalten. Wie die meisten seiner Kollegen betätigt sich Georg Schwarz sportlich. So schaut immer dienstags die Gesundheitsbeauftragte Heike Förster im Entwicklungsbüro vorbei, übt mit den Ingenieuren. "Vielen Kollegen konnte ich mit meinen Fitnessübungen schon gegen Beschwerden helfen", sagt Förster.
Imo zählt zu den 14 "vitalen Unternehmen" der Region, die ihre Angestellten zum Sport animieren, Gesundheitschecks durchführen oder analysieren, wo sie krankmachenden Stress reduzieren könnten. "Wir fördern die Bewegung, das ist auch wichtig, etwa für Maschinenführer, die viele Stunden in Sicherheitsschuhen auf hartem Boden stehen müssen", sagt Diepenbroek. Und freitags ist Azubi-Sport, dann gehen die Auszubildenden mit ihren Ausbildern vor der Arbeit joggen.

Arbeitslosenquote von 2,1 Prozent

"Arbeitsplatz-Sicherheit wird hier groß geschrieben. Wir konnten den größten Teil unserer Arbeitsplätze durch die Krise retten, das wissen unsere Mitarbeiter zu schätzen", sagt Imo-Marketingleiterin Andrea Meißner. Von aggressiven Abwerbeaktionen in konkurrierenden Unternehmen halte sie nichts: "Wir wollen uns keine Feinde schaffen."
Laut Matthias Klar von der Nürnberger Arbeitsagentur liegt die Arbeitslosenquote im Landkreis Erlangen-Höchstadt bei 2,1 Prozent "und schon bei drei Prozent sprechen wir eigentlich von Vollbeschäftigung". Schon jetzt könne er feststellen, dass etwa die Chancen für 50- bis 55-Jährige auf dem Arbeitsmarkt deutlich besser geworden sind. Fachkräftemangel ist für Klar eine abstrakte Größe, die sich unter anderem an der Zahl offener gemeldeter Stellen messen lasse. Laut Statistik für den Bereich der Geschäftsstelle Erlangen werden da etwa 78 Ingenieure und 49 Techniker gesucht, 60 Schlosser und 29 Maschinisten.
Relativ niedrige Zahlen, wenn man mit Marcus Brans, Leiter Unternehmenskommunikation bei Schaeffler, spricht: "Wir könnten noch 1300 Stellen besetzen, davon 600 mit Ingenieuren, andere in Bereichen wie Elektromechanik, aber auch kaufmännische Mitarbeiter."
Das sei aber perspektivisch zu betrachten und heiße nicht, dass die anderen deshalb Überstunden machen müssten. "Wir haben derzeit fast 1400 Auszubildende", sagt Brans und berichtet von vielen Kooperationen mit Universitäten. "Natürlich wollen wir die Besten für unser Unternehmen gewinnen, das ist eine ständige Herausforderung." Schaeffler stehe zum Standort Deutschland, ohne die globalen Möglichkeiten ungenutzt zu lassen: "Als weltweit aufgestellte Organisation haben wir die Möglichkeit, ausländische Fachkräfte auszubilden, die dann zwei bis drei Jahre in Deutschland arbeiten, bevor sie wieder in ihre Heimat zurückkehren."
Wo die Fachkräfte nicht mehr vorhanden seien, müsse das Unternehmen nach Alternativen suchen, an externe Dienstleister vergeben oder Aufträge ins Ausland verlagern - immerhin habe der Konzern weltweit 180 Standorte. Weniger wählerisch auf der Suche nach Bewerbern wolle man aber nicht sein: "Wir können unsere Maßstäbe nicht niedriger ansetzen - der Kunde würde uns abstrafen."
Auf die internationale Karte setzt auch der Herzogenauracher Sportartikelhersteller Adidas: "Unser Recruiting ist bereits seit einigen Jahren global ausgerichtet und wir spüren auch allein deshalb den Fachkräftemangel in Deutschland nicht allzu deutlich", teilt Adidas-Sprecherin Sara Sikora mit.
"Der Fachkräftemangel ist für uns ein großes Problem, da wir stärker wachsen als unser Absatzmarkt. Das heißt, wir haben regelmäßig Bedarf an neuen Mitarbeitern", sagt hingegen Sebastian Distler, Personalreferent beim Höchstadter Unternehmen Medwork Medical Products and Services. "Für unsere Fertigung suchen wir handwerklich und technisch begabte Leute, zum Beispiel Feinwerkmechaniker oder Zahntechniker, aber auch Produktionshelfer. Für uns sind die individuellen Fähigkeiten entscheidend, denn es gibt nicht viele Bewerber, die zum Beispiel Polypektomieschlingen biegen können."

Zeitarbeitsfirmen enttäuschen

Mittlerweile schreibt Medwork neu zu besetzende Stellen nicht nur regional, sondern auch überregional aus. Die Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsfirmen bringe nicht den gewünschten Erfolg - viele antworteten nicht einmal auf Anfragen. "Für uns heißt das, dass wir unsere Bemühungen noch intensivieren müssen, wir müssen unsere Präsenz im regionalen Umfeld erhöhen, neue Medien und Wege nutzen", sagt Distler. Um die Mitarbeiter langfristig ans Unternehmen zu binden, lege man Wert auf ein familiäres Betriebsklima, halte regelmäßig Sommerfeste ab und biete Betriebssport an. "Die sinkenden Bewerberzahlen erfordern von uns noch mehr Augenmerk bei der Personalauswahl auf jede einzelne Bewerbung, um auch verdeckte Potenziale zu erkennen."

Auch als Ingenieur kein Glück

Für Heiko Röder aus Buchfeld hat die Diskussion um den Fachkräftemangel einen bitteren Beigeschmack. "Eigentlich müsste ich mich ja als Ingenieur glücklich schätzen", sagt der 28-Jährige. Er hat Verfahrenstechnik studiert, sich zum Maschinenbautechniker weitergebildet und eine Industriemechaniker-Ausbildung mit Bestnoten abgeschlossen.
Und dennoch sucht er seit einem Jahr vergeblich nach einer geeigneten Stelle, hat sich nun mit einer Feuerwerksfirma selbständig gemacht. "Es scheint, als möchten viele Arbeitgeber am liebsten nur perfekte Arbeitnehmer, die zu 100 Prozent auf das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stellen passen." Für ihn gibt es noch reichlich Potenzial an Fachkräften, "doch manche Unternehmen scheinen lieber zu warten". Röder stünde sofort zur Verfügung, "mit großer Motivation und hoher Einsatzbereitschaft".