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"Königin" der Instrumente geht zur Kur


Autor: Johanna Blum

Adelsdorf, Montag, 02. Januar 2017

Die alte Orgel von St. Stephanus Adelsdorf wird im Odenwald renoviert.
Die Orgel in St. Stephanus muss dringend gesäubert werden. Holzwürmer haben zudem dem Orgeltisch schwer zugesetzt. Fotos:


Am Sonntag, 8. Januar, wird um 16 Uhr in der St. Stephanus in Adelsdorf die Orgel in einem Orgelabschiedsfest feierlich verabschiedet. Die Orgel von St. Stephanus ist schon lange in die Jahre gekommen. Am Montag, 9. Januar, beginnt dann der Abbau. Zur Generalüberholung und teilweisen Erneuerung wird die alte Dame nach Hardheim in den fränkischen Odenwald zur Orgelbaufirma Vleugels umziehen.

Blicken wir zurück in die Geschichte der Adelsdorfer Orgeln:
In den Jahren 1870 bis 1890 wurde in der Pfarrei Adelsdorf eine lebhafte Diskussion über die Frage geführt, inwieweit die Orgel in der alten (sie brannte 1929 ab) beim Friedhof repariert werden kann oder ob sie durch eine neue Orgel ersetzt werden soll.

Dabei überwog zunächst die Meinung, die vorhandene Orgel könne repariert werden. Am 2.7.1887 schrieb der Lehrer und Chorrektor A. Rauh ans königliche Bezirksamt in Höchstadt: "Es dürfte der hohen Behörde bekannt sein, dass sich die Orgel in der hiesigen Kirche in einem unqualifizierbaren Zustand befindet. Dieser Zustand kann und darf nicht länger geduldet werden, denn es ist doch für einen Organisten die denkbar unbilligste Zumutung, auf einem Instrument, welches ganz defekt, durchaus verstimmt und mit Staub, Mörtelbröckchen und sonstigem Unrat gefüllt ist, etwas Erbauliches darauf zu spielen."

Ganz so schlimm steht es um die jetzige Orgel - die daraufhin 1899 in der alten Kirche errichtet, aber bereits für die neue Stephanskirche geplant war - noch nicht. In den Aufzeichnungen von damals steht: "Für das Orgelwerk ohne Gehäuse und Blindpfeifen zu der später für die neue Kirche aufzustellenden Orgel und Baustützen wurden damals 4088 M an den Orgelbauer Wolf bezahlt." 1909 wurde endgültig beschlossen, diese Orgel umzubauen und zu erweitern und in die gegenüber der alten Kirche neu errichteten, 1909 eingeweihte Kirche St.Stephanus einzubauen.


"In bequemster Weise"

Am 20.04.1910 schreibt Valentin Höller, Domorganist und Orgelrevisor in einem Gutachten zum neuen Orgelwerk: "Das Werk zählt, auf zwei Manuale und Pedal verteilt, 15 klingende Register (elf davon von der alten Orgel übernommen und vier neue), fünf Koppeln, vier pneumatische Collectiv-Druckknöpfe und ein automatisches Piano-Pedal für das II. Manual. Bei Besichtigung des Orgelinneren konnte sofort wahrgenommen werden, dass der vorhandene Raum in zweckmäßiger Weise ausgenützt wurde. Alle Teile der Orgel sind in bequemster Weise zugänglich."

Im Schlussabsatz lesen wir: "Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die neue Orgel als in jeder Hinsicht gelungenes Meisterwerk und als ein des herrlichen Gotteshauses würdiger Schmuck bezeichnet werden muss, zu dem man sowohl dem Erbauer als auch der kath. Pfarrgemeinde Adelsdorf aufrichtig gratulieren kann."

In den Jahren 1916/1917 erfolgte ein Ausbau von Orgelpfeifen als Material für Kriegszwecke. In den 50er und 60er Jahren erfolgten Umbaumaßnahmen, die Elektrifizierung des Gebläses und die Erneuerung der derzeitigen Pneumatik, die Versetzung des Spieltischs von der Mitte vor dem großen Orgelprospekt auf die Seite, die elektrische Nummernanzeige und die Telefonverbindung zur Sakristei.

1969 schloss man einen Vertrag mit der Firma Eisenbarth in Passau zur Reinigung und Pflege der Orgel und 1984 beschloss die Kirchenverwaltung eine Generalrenovierung der Orgel. Die Firma Stellmacher bekam 1986 den Auftrag zur Generalüberholung sowie über die ein Mal jährlich stattfindende Pflege und das Stimmen der Orgel. Die Generalüberholung kostete damals 69 282,50 DM.

Heute gibt es wieder schwergewichtige Gründe für eine Erneuerung: Der Spieltisch ist in desolatem Zustand, die Orgelelektrik entspricht nicht mehr dem jetzigen Sicherheitsstandard (zum Beispiel Brandschutz), die Holzpfeifen und andere Holzbestandteile sind stark vom Holzwurm befallen. Fazit: Im derzeitigen Zustand ist die Spielbarkeit der Orgel nur noch für einen kurzen Zeitraum gegeben.

Nun stellte sich die Frage: Soll eine völlig neue Orgel gebaut werden oder soll eine qualifizierte Erneuerung (Rückbau ins Jahr 1910) unter Verwendung von restaurierten hochwertigen Teilkomponenten der jetzigen Orgel erfolgen?


250 000 Euro Kosten

Man entschied sich für eine Generalüberholung und Ergänzung. Nach einer detaillierten Ausschreibung mit Begleitung des Diözesanamts für Kirchenmusik erging der Auftrag an die Orgelbaufirma Vleugels. Die Kosten werden sich auf 250 000 Euro belaufen.

Für die Bauzeit wurde ein Jahr veranschlagt und voraussichtlich Weihnachten 2017 kann die Orgel im neuen Klang ertönen. Sinnvollerweise wird diese Zeit auch genutzt, um das Gewölbe über dem Hauptschiff der Kirche zu sanieren.

Daher wird das Gotteshaus in der zweiten Jahreshälfte 2017 nicht, bzw. nur eingeschränkt nutzbar sein. Wie es einer "Königin der Instrumente" gebührt, gibt es am kommenden Sonntag um 16 Uhr ein feierliches Orgelabschiedsfest in St. Stephanus. Mitwirkende sind die Organisten von St. Stephanus und Pfarrer Holger Fiedler, der - selbst ein hervorragender Organist - zu seiner Amtszeit in Adelsdorf maßgeblich für eine Restaurierung der Orgel stimmte.

Auch der Chor des Musik- und Gesangvereins gestaltet den Abschied musikalisch mit. Die Adelsdorfer Musikanten sorgen im Anschluss daran auf dem Vorplatz der Kirche mit Unterhaltungsmusik dafür, dass der Abschied nicht gar zu schwer fällt.