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Klimanotstand? Nicht in Herzogenaurach


Autor: Richard Sänger

Herzogenaurach, Freitag, 31. Mai 2019

Der Stadtrat lehnt einen Antrag der Grünen ab, sich mit einer symbolischen Geste den Kampf gegen die Erderwärmung auf die Fahnen zu schreiben.
Auch durch die Bewegung "Fridays for Future" inspiriert (Foto): Die Grünen wollten, dass die Stadt Herzogenaurach den Klimanotstand ausruft. Retta Müller-Schimmel (Zweite von links) fand damit aber keine Mehrheit im Stadtrat, auch Bürgermeister German Hacker (hinten) lehnte das Ansinnen ab.     Foto: Bernhard Panzer


Das Wort "Klimanotstand" klingt nach einer ernsten Sache. "Es ist auch eine ernste Sache, wenn es darum geht, weitreichende Folgen für unseren Planeten einzudämmen. Die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, lautet das Ziel. Ohne weitreichende Maßnahmen wird es kaum realistisch zu erreichen sein", erklärte Peter Simon von den Grünen in der jüngsten Sitzung des Herzogenauracher Stadtrats.

Er und Retta Müller-Schimmel hatten beantragt, dass Herzogenaurach als symbolische Geste ähnlich wie Erlangen (siehe unten stehenden Text) den Klimanotstand ausrufen soll. Die beiden Antragsteller erinnerten dabei auch an die "Fridays for Future"-Bewegung und lösten damit eine rund einstündige Debatte aus. Nach der erregten Diskussion ließ der Bürgermeister abstimmen, wobei sieben Stadträte für den Antrag von Bündnis '90/Die Grünen stimmten und 22 ihn ablehnten.

"Mit Symbolik ist nichts erreicht und damit kann man das Klima nicht schützen", erklärte Bürgermeister German Hacker (SPD). Er könne der Ausrufung des Klimanotstandes nicht zustimmen. So solle man sich bei allem Verständnis für Kommunikation und deren Bedeutung nicht derart in rein plakativen Stellungnahmen und Superlativen ergehen. "Das Klima ist seit Jahren, Jahrzehnten in Not", erklärte Hacker. "Wer heute einen Notstand ausruft, kommt 20 Jahre zu spät." Die Stadt handele mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln seit über zehn Jahren, und die Zertifizierung in Gold mit dem European Energy Award sei ein Qualitätssiegel.

"Herzogenaurach wird den Klimawandel nicht aufhalten, außerdem hat die Stadt viel getan, weil sie es sich leisten konnte und kann", kündigte Curd Blank (SPD) seine Ablehnung an. Nach dem Atomausstieg sei die -Belastung gestiegen, außerdem sei mehr produziert worden und damit auch der Energieverbrauch gestiegen. Es solle sich jeder an die eigene Nase fassen, empfahl der SPD-Stadtrat.

CSU spricht von Populismus

Notstand bedeute Angst und sei in der Politik kein guter Ratgeber, denn die führe am Ende zu Protesten und nicht zu Zusammenhalt, meinte Konrad Körner (CSU). Trotzdem sei es eine Selbstverständlichkeit, dass in Umwelt- und Klimaschutz weiter investiert werden muss. Außerdem sei es nicht Aufgabe des Stadtrates, einen Notstand auszurufen, der Antrag sei Populismus pur und ein Schaufensterantrag.

Diese Aussage von Körner führte zu Protesten bei der Grünen-Fraktion. Nach Auffassung von Retta Müller-Schimmel ist Klimanotstand keine Begrifflichkeit, Herzogenaurach habe ein Klimaleitbild und es sei eine Bewegung in Europa. "Deshalb muss auch Herzogenaurach ein Zeichen nach außen setzen", forderte die Stadträtin der Grünen. Außerdem kritisierte sie, dass Anträge der Grünen nichts nützen, wenn sie vom Tisch gewischt werden, redete sie sich in Rage.

Nach Auffassung von Bürgermeister Hacker dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass man rein mit Symbolik weiterkommt. "Wir stehen vor einem naturwissenschaftlich-technischen Problem, dessen Lösungen bekannt sind, die aber Folgen, auch erhebliche soziale Folgen haben werden." Die -Emissionen müssten dramatisch gesenkt werden. Dazu müssten einerseits technische Lösungen eingesetzt und die Energieeffizienz drastisch verbessert werden, aber auch - und das sei der unbequeme Teil - beim Komfort, vom elektrischen Wäschetrockner bis hin zu Flugreisen, Abstriche gemacht werden.

Polemischer Angriff

Es steckt aber auch ein riesiges Potenzial an technischen Neuerungen und Verbesserungen von Lebensqualität darin. Dass der, der mit dem Fahrrad fährt, gesünder lebt, sei nur ein Beispiel dafür. Im Kern müsse daher die Aussage lauten: "Jeder kann sofort sehr viel tun, um das Klima zu schützen." Man müsse es nur angehen. Nur davon zu reden, und sei es noch so plakativ, helfe nicht. "Etwas für wichtig halten und dann aber auch zu handeln, sind, da mag man sich gerne an die eigene Nase fassen, zwei verschiedene Dinge."

Richtig heftig wurde die Diskussion, als Britta Dassler (FDP) von einem Mitarbeiter erzählte, der die Freitags-Demo beobachtete und junge Teilnehmer sah, die am Ende ihre Plakate und Schilder "entsorgten" und sich am Kiosk Getränke aus Plastikbechern schmecken ließen und Plastikbesteck benutzten. Daraufhin bezeichnete Peter Simon sie als "hochnäsig" und warf ihr vor, an wichtigen Sitzungen meist durch Abwesenheit zu glänzen. Hier schritt der Bürgermeister ein und bat, Polemik und Beleidigungen zu unterlassen. Er nahm die Bundestagsabgeordnete in Schutz, schließlich müsse sie auch bei Plenarsitzungen anwesend sein.

Der zweite Antrag von den Grünen zu einer Bürgerversammlung zum Thema "Klimaschutz" erhielt die Zustimmung des gesamten Gremiums. Es wird allerdings keine Bürgerversammlung werden, sondern ein Bürgerforum im Jugendhaus "Rabatz" stattfinden, erklärte der Bürgermeister. Er wies auch darauf hin, dass sowohl im zurückliegenden Isek-Prozess als vor allem innerhalb des Agenda AK Energie stets die breite Möglichkeit geboten wurde und auch weiterhin geboten wird, sich als Bürger jeden Alters bezüglich des Klimaschutzes einzubringen.