Druckartikel: Kann Liebe dem Brexit trotzen?

Kann Liebe dem Brexit trotzen?


Autor: Johanna Blum

Erlangen, Dienstag, 19. Februar 2019

Wenn der junge Nordire Scott Galloway bei seiner Freundin in Erlangen bleiben will, braucht er möglicherweise bald eine Aufenthaltsgenehmigung.
Scott mit Zeitungsartikeln über Brexit und seinem im Moment einzigen Pass, dem britischen.     Foto: Johanna Blum


Seit November 2018 lebt der 20-jährige Nordire Scott Galloway in Erlangen. Der Liebe wegen ist er nach Deutschland gekommen. Nun bedroht der Brexit seine Lebenspläne. Das Vereinigte Königreich wird nach aktuellem Stand mit Ablauf des 29. März 2019 aus der EU austreten. Und dann könnte es auch für Scott kritisch werden. Dem FT erzählte der junge Nordire von seiner Liebe, seiner Familie in Nordirland, von seinen Plänen und den Sorgen um die Zukunft.

Wo wohnt Ihre Familie in Nordirland und warum kamen Sie nach Deutschland?

Scott Galloway: Meine Eltern und meine drei älteren Geschwister leben in Broughshane, einem kleinen Dorf 30 Kilometer von Belfast entfernt. Nach Deutschland kam ich der Liebe wegen.

Verraten Sie uns etwas über die Geschichte Ihrer Liebe?

Mit meinen Kumpels war ich im Mai 2018 eine Woche auf Mallorca. Svenja, meine jetzige Freundin, war mit ihrer Bekannten ebenfalls auf Mallorca. Am dritten Abend trafen wir uns zufällig in einer Bar. Wir luden die Mädchen zu uns an den Tisch ein - und da war's auch schon geschehen. Wir verliebten uns. Zwei Wochen später trafen wir uns für ein Wochenende in Amsterdam und Ende Juli besuchte ich Svenja - sie ist 18 Jahre alt - in Deutschland. Im August flog sie dann für ein paar Tage zu mir nach Irland. Es ging ziemlich schnell, aber alles fühlt sich einfach richtig an. Wir wollten zusammen bleiben, und so bin ich im November zu ihr nach Erlangen gezogen und hier wie auch in Adelsdorf, wo ihre Eltern wohnen, fühle ich mich sehr wohl.

Haben Sie beim Verlassen Ihrer Heimat an den Brexit gedacht und hatten Sie schon Pläne, was Sie in Deutschland machen wollen?

Bevor ich Svenja traf, hat mich der Brexit eigentlich nicht sonderlich interessiert, und als ich nach Deutschland kam, war das alles noch so weit weg. Ich wollte hier einen Job finden und dann studieren. Erst jetzt merke ich, wie sehr mich und Leute in meiner Situation - es leben ungefähr 120 000 Briten in Deutschland - der Brexit berührt.

Was bedeutet der Brexit für Sie als Nordire in Deutschland?

Sollte es zu einem harten Brexit kommen - so sieht es im Moment aus -, gibt es eine dreimonatige Übergangszeit, und es ist immer noch nicht sicher, wie diese genau aussieht. Ich kann bestimmt nur bleiben, wenn ich einen Job habe, studiere oder vermögend bin. Heiraten ist jetzt noch keine Option.

Wie sehen Ihre Eltern und Freunde in Ihrer Heimat den Brexit und was bedeutet er für Nordirland?

Wir sind evangelisch und meine Eltern haben damals für den Brexit gestimmt. Ich weiß inzwischen, dass sie gar nicht groß über die Konsequenzen nachgedacht haben - wie viele Iren und Engländer. Wenn wir eine "hard border" bekommen, könnte ich nicht so einfach über die Grenze. Ich bräuchte ein Visum und eine Arbeitserlaubnis. Viele meiner Landsleute in der Grenzregion Nordirlands arbeiten auf der "anderen Seite". Sie hätten zum Beispiel Probleme, zum Arbeitsplatz zu kommen und mehr.

Glauben Sie, dass der Nordirlandkonflikt nun wieder ausbricht?

Seit dem Karfreitagsabkommen 1998 - dem Jahr meiner Geburt - herrschte ja weitgehend Frieden, und ich selbst habe von dem Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten nicht viel mitbekommen. Unser Dorf ist protestantisch. Es gibt bei uns oft noch rein protestantische oder rein katholische Dörfer. Ich glaube, dass es bei einem harten Brexit vor allem an der Grenze Probleme geben könnte, was ich nicht hoffe.

Wie geht es jetzt für Sie persönlich weiter - zum Beispiel nach einem harten Brexit?

Ich werde mich sofort mit dem Amt für Einbürgerung in Erlangen in Verbindung setzen und fragen, was ich tun muss. Der 29. März ist nicht mehr weit. Ich möchte natürlich gerne bleiben. Wichtig ist, dass ich einen Job finde. Ich würde alles annehmen wie Bedienung in einem Lokal, mit dem Gabelstaplerschein könnte ich als Gabelstaplerfahrer arbeiten, in einem Kaufhaus, bei Aldi im Lager und mehr. In Adelsdorf oder in Erlangen, das wäre egal.

Seit kurzem besuche ich einen Deutschkurs. Das Beherrschen der deutschen Sprache ist nämlich Voraussetzung, dass ich an der Uni weiterstudieren kann. Das wäre eigentlich mein Ziel. Ich habe die Hochschulreife und studierte in Irland Informatik, Business und Ingenieurwesen. Im Moment bilde ich mich noch online weiter.

Wie würden Ihre Eltern und Sie selbst abstimmen, wenn es noch einmal ein Referendum gäbe?

Natürlich wären wir nun alle gegen den Brexit, weil wir jetzt wissen, welche fatalen Folgen der Austritt aus der EU für meine Landsleute in England und vor allem in Nordirland hat. Aber wie alle Briten abstimmen würden, wer weiß? Das Gespräch führte Johanna Blum.