Druckartikel: Junger Herzogenauracher pflegt altes Brauchtum

Junger Herzogenauracher pflegt altes Brauchtum


Autor: Manfred Welker

Herzogenaurach, Freitag, 25. Oktober 2013

Wenn es jetzt früher Nacht wird, finden sich vielerorts leuchtende Zeichen in Gärten und vor Häusern. Dabei handelt es sich heute meist um Kürbisse. Aber wie war es früher?
Nach alter Tradition und mit Anleitung hat der Herzogenauracher Justus Welker in diesem Jahr eine Rübe mit einem Messer ausgehöhlt. Foto: maw


Da der Garten mit seinem Gemüse und dem Obst für die Versorgung der Familien nötig war, gab es dort früher wenig Platz für ein rankendes Gewächs wie den Kürbis, der große Flächen abdeckte und außerdem "den Boden auszog", wie die allgemeine Formulierung lautete. Wenn aber eine derartige Frucht im Garten heranreifte, dann war es nicht üblich, mit einem Kürbis, einem Nahrungsmittel, derartig verschwenderisch umzugehen. Kürbis süß/sauer eingemacht diente im Winter als willkommene Beilage zum Essen am Mittagstisch.
Aber es gab eine andere Möglichkeit, leuchtende Zeichen in der dunklen Jahreszeit zu setzen. Und das schon lange, bevor Halloween sich in unserem Kulturkreis einbürgerte. Denn viele Anwesen hatten Haustiere, die auch im Winter versorgt werden mussten. Kühe, Ziegen und Stallhasen bekamen Heu und Getreide. Für die nötigen Proteine und Mineralstoffe sowie Flüssigkeit sorgten die Futterrüben oder Runkelrüben, die als "Dorsch'n" in und um Herzogenaurach oder "Rangers'n" im Höchstadter Raum bezeichnet wurden.

Essen für arme Leute

Die Rüben sind eine sogenannte Hackfrucht. Sie gehören zu den Fuchsschwanzgewächsen und tragen den lateinischen Namen "Beta vulgaris". Sie sind walzen- bis kugelförmig, rötlich bis gelb gefärbt und erheben sich zu 80 Prozent über dem Erdboden. Sie wurden auf Beeten gezogen.
Die Rüben sind universell einsetzbar, auch die Hühner pickten sich das Beste davon heraus. Für die Kühe mussten sie mit einer großen Maschine zerkleinert werden, damit sie diese leichter aufnehmen konnten. Die Rübe diente auch als Arme-Leute-Essen, es gibt nicht wenige Rezepte dazu. Besonders während des Ersten Weltkriegs waren die so genannten Steckrübenwinter gefürchtet.
Allerdings werden sie in der heutigen Zeit kaum mehr angebaut, die Landwirte sorgen vielmehr mit Silage für Proteine und Mineralstoffe bei ihren Kühen. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass die Rüben als Hackfrucht eher arbeitsaufwendig sind. Üblicherweise werden sie vor dem ersten Frost geerntet und im Winter so eingelagert, dass ihr die niedrigen Temperaturen nicht schaden können.
"Dorsch'n" oder "Rangers'n" hatte also fast jede Familie im Herbst eingelagert. Auf ein paar Exemplare mehr oder weniger kam es nicht an. Die Kinder machten sich also den Spaß, die großen und gutgewachsenen Exemplare auszuhöhlen und sie in der Dunkelheit mit einer Kerze versehen vor dem Haus, auf der Fensterbank, am Zaun oder auf den Torsäulen, wo sich der Hauswurz befand, zu postieren, um vielleicht doch den einen oder anderen etwas erschrecken zu können.
Dabei legten die Kinder großen Wert darauf, das größte oder schönste Exemplar ihr Eigen nennen zu können. Es gab quasi einen richtigen Wettstreit. Mit den Futterrüben ist auch dieser Brauch fast schon verschwunden.
Der Unterschied zum Kürbis: Der hat oft innen einen Hohlraum und man muss nur durch die Wandung schneiden. Außerdem ist das Innenleben weicher. Bei der Rübe muss dagegen mühselig das kompakte Innenleben herausgeholt werden, bevor man das Gesicht einschneiden kann. Da das Aushöhlen der Rübe eher mühsam ist, wundert es nicht, dass in neuerer Zeit eher Kürbisse dafür hergenommen werden.