Druckartikel: Judenfriedhöfe erinnern an vergangene Kultur

Judenfriedhöfe erinnern an vergangene Kultur


Autor: Pauline Lindner

, Freitag, 08. November 2013

Die Friedhöfe sind die steinernen Zeugen des untergegangenen Landjudentums. Die wachsenden oder wieder entstehenden jüdischen Kultusgemeinden stehen nur sehr bedingt in dieser Tradition.
Adolf Krause kümmert sich um den Judenfriedhof in Zeckern. Fotos: Pauline Lindner


Blickt man durch den Zaun des jüdischen Friedhofs von Mühlhausen, fallen in vorderster Reihe zwei Grabsteine durch das gemeißelte Blumenornament auf. Es sind Gräber zweier Frauen.

Die Blume steht für ihren Ehrentitel "Zierde des Hauses". Wegen ihrer Gewandtheit, den Haushalt zu führen, aber auch, weil die jüdische Religionspraxis zu weiten Teilen in der Familie stattfindet, man denke nur an die wöchentliche häusliche Schabbatfeier. Die Bestattungen fanden im 19. Jahrhundert statt.

Der Erlanger Rabbiner Dani Danieli lobte mit demselben Begriff am Sederabend vor dem Pessachfest die Frauen, die so viel für die Festvorbereitung getan hatten. Das war in diesem Jahr.

Daraus lässt sich unschwer folgern: Es gab und es gibt jüdisches Leben in der hiesigen Region.

Dennoch kann nicht von einem Kontinuum gesprochen werden, auch wenn über Jahrhunderte nach den gleichen Ritualen gebetet und gehandelt wurde. Der große Bruch ist nur zum Teil eine Folge des Holocausts.

Sie lebten in vielen kleinen Orten des Fränkischen, die Landjuden. Unauffällig, mitten unter christlichen Mitbürgern. Vereinzelt stellten sie im 19. Jahrhundert sogar die Mehrzahl der Bevölkerung. Ihr Brot verdienten sie sich meist als Händler und Handwerker. Landwirte waren eher selten. Gesprochen haben sie im Alltag biederes Fränkisch und ihre Gebete auf Hebräisch.

Sie feierten Gottesdienst in ihren Synagogen und begruben ihre Toten auf eigenen Friedhöfen, die vielfach - die große Ausnahme ist Baiersdorf - weit ab von den Wohnorten lagen.

Parallel zu den Strukturen der christlichen Kirchen waren auch die Kultusgemeinden organisiert. Mit örtlichen Gemeinden, in denen Rabbiner wirkten, aber auch mit übergeordneten Strukturen. So hatte die Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth in Baiersdorf ein Landrabbinat eingerichtet. Die Amtsinhaber hatten eine ähnliche Funktion wie ein Landesbischof und waren zudem Richter bei Streitigkeiten innerhalb der Kultusgemeinden.

Gleichberechtigt im Königreich

Es waren über Jahrhunderte fest gefügte Gemeinschaften von jüdischen Familien, die sich mit einem Schutzbrief eines hohen oder niederen Landesherrn ansiedeln durften. Die erste Veränderung setzte im nachnapoleonischen Bayern ein. Die jüdischen Bewohner des Königreichs wurden zu gleichberechtigten Bürgern. Vor allem durften sie sich ab Anfang des 19. Jahrhunderts niederlassen, wo sie wollten.

Viele Landjuden lebten in ärmlichen Verhältnissen, als kleine Wanderhändler zum Beispiel. Für sie brachte die beginnende Industrialisierung neue Arbeitsmöglichkeiten in den wachsenden Städten. Einen zweiten Einschnitt bedeutete die Auswanderungswelle nach Amerika ab Mitte des 19. Jahrhunderts. So verzeichnen die Chroniken der kleinen Landjudengemeinden einen starken Personenrückgang bis hin zur Auflösung.

Nur die Friedhöfe blieben, denn sie sind nach jüdischer Vorstellung für die Ewigkeit angelegt. Bis heute. Sie stehen in der Obhut zentraler jüdischer Organisationen, den jährlichen Erhalt übernehmen meist die Kommunen. Aber auch Einzelpersonen wie Adolf Krause. Er kümmert sich um den Zeckerner Friedhof, der der älteste im Raum um Höchstadt ist. Den wenigen Spuren früherer jüdischer Mitbürger gehen im Ebrach- und Aischgrund Johann Fleischmann und seine Mitstreiter nach oder in Baiersdorf der Historiker Horst Gemeinhardt.

Ihre Arbeiten haben sie als Bücher veröffentlicht. In Rabbiner Danielis Arbeitszimmer stehen viele Bücher. Die meisten in hebräischer Sprache, aber auch solche mit russischer Aufschrift. Denn er gehört wie viele Mitglieder der heutigen Erlanger Gemeinde zu denen, die nach 1990 die ehemalige Sowjetunion verlassen konnten. Eine seiner wichtigsten Aufgaben als Seelsorger ist es, diese Menschen, die jahrzehntelang ihren Glauben kaum ausüben durften, wieder mit den Inhalten, Gebräuchen und Ritualen vertraut zu machen. Er muss sie gewissermaßen wieder in das jüdische Glaubenskontinuum eingliedern.

Und so decken Natalia Schitnitzki, Fanja Schiterman oder Sophia Fischmann an jedem Freitagabend den Tisch festlich für den Segen über Brot und Wein und zünden mit einem Segensspruch in hebräischer Sprache die Schabbatkerzen an: Gepriesen seist du, Herr, König der Ewigkeit, der geboten hat, das Licht für Schabbat anzuzünden.