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Ist Religionsunterricht noch zeitgemäß?


Autor: Christian Bauriedel

Höchstadt a. d. Aisch, Mittwoch, 25. Oktober 2017

Wie wichtig ist Religionsunterricht heute noch? Was denkt der Pfarrer, was die Schüler? Ein Unterrichtsbesuch am Gymnasium Höchstadt.
Kilian Kemmer unterrichtet einen der beiden katholischen Religionskurse im Abiturjahrgang am Gymnasium Höchstadt. Foto: Christian Bauriedel


Denkt man an seine Schulzeit zurück, was kommt einem in den Sinn? Dem einen vielleicht Übungen am Reck im Turnunterricht. Dem anderen Formelketten in Mathematik oder Gedichtinterpretationen in Deutsch. Religion - oder Reli im Schülerdeutsch - fristet dagegen oft ein Nischendasein.

Setzt man sich einmal in den Religionsunterricht, wird klar: Worüber hier gesprochen wird, ist das pure Leben. Dekan Kilian Kemmer lehrt am Gymnasium in Höchstadt katholische Religion. Er ermöglichte gestern den Besuch einer Doppelstunde.

Im Klassenzimmer sitzen 24 Schüler und Schülerinnen einer der beiden katholischen Religionskurse der Q12. Sie machen in diesem Schuljahr ihr Abitur.

Vorne surrt der Overheadprojektor. "Ethik der Lebensbereiche" ist das aktuelle Thema. Wie Normen und Werte den Alltag bestimmen. Zuvor hat Kemmer den zurückliegenden Stoff noch einmal kurz wiederholt.

Und wer von sich denkt, er kenne sich wenigstens ein bisschen in der Welt der Religionsfragen aus, der schlackert mit den Ohren angesichts der philosophischen Tiefe. Denn wer weiß schon den zentralen Begriff der altgriechischen Stoa, wer kennt schon den monotheistischen Rückschluss von Thomas von Aquin oder wer kann den Konflikt zwischen Glauben und Naturwissenschaften mal eben auflösen?


Die Finger gehen hoch

Es mag daran liegen, dass die Presse da ist, dass die Klasse anfangs ein bisschen braucht, bis sie warm wird. Aber dann gehen die Finger hoch, als Kemmer den Stoff Revue passieren lässt. Die Evangelien und die Apostel? "Da haben wir ja erst eine Ex geschrieben."

Kemmer ist nicht nur Religionslehrer und Schulseelsorger. Sondern seit diesem Schuljahr ist er auch Teil der sogenannten Missio Kommission des Erzbistums. Das vierköpfige Gremium ist die Zulassungsstelle für angehende katholische Religionslehrer. Denn neben dem Examen an der Universität muss zusätzlich die sogenannte kirchliche Sendung für die Lehrerlaubnis erteilt werden. Rund hundert Referendare sind es jährlich im Erzbistum Bamberg.

"Die Kommission ist vor allem in Konfliktfällen gefordert", erklärt Kemmer. Er wählt ein Extrembeispiel: Wenn zum Beispiel ein angehender Lehrer die Auferstehung von den Toten als Märchen bezeichnen würde, wäre das ein Grund, ihn als nicht geeignet für den Religionsunterricht einzustufen. Aber auch, dass der Lehrer selbst getauft ist, sei ein Kriterium.

Genau diese Prüfung der Qualifikation ist für Kemmer auch der Hauptgrund, warum er Islamunterricht an Schulen befürworte. "Ich halte das für sinnvoll, weil die islamischen Lehrer dann der staatlichen Kontrolle unterlägen. Wenn ich hier etwa zu einem Kreuzzug aufrufen würde, wäre ich nicht mehr lange an der Schule."


Warum steht die Kirche im Dorf?

Grundsätzlich sei der Religionsunterricht, egal welcher Konfession, noch immer enorm wichtig. Das zeigen auch die Zahlen: Ethik anstatt Religion wählen am Gymnasium Höchstadt nur zehn Prozent der 1044 Schüler. "Wir sprechen immer von Kultur und Geschichte. Gerade jetzt nach der Bundestagswahl wird sehr viel von Heimat gesprochen. Wir haben einfach gewisse Wurzeln in der religiösen Prägung", sagt Kemmer. Es gehe darum, zu vermitteln, warum in jedem Ort eine Kirche steht und vor allem, was hinter den Glaubensgrundsätzen steckt.

Kemmer sieht aber nicht nur die reine Informationsvermittlung als seine Aufgabe. Er sei schließlich Geistlicher und sei damit auch Botschafter seines Glaubens. "Vielleicht bin ich ein Exot, wenn ich am Anfang des Unterrichts bete." Und wie sehen die Schüler selbst ihren Religionsunterricht? Der Tenor: Sie haben nicht den Eindruck, missioniert zu werden. "Das Wenigste, was wir machen, ist speziell katholisch", meldet sich ein Schüler zu Wort. Vergleichbares stünde auch bei den Evangelischen oder in Ethik auf dem Lehrplan.

"Religionsunterricht hat mit der Kirche relativ wenig zu tun", sagt eine andere. Eine Mitschülerin betont: "Man lernt ja auch andere Religionen kennen. Die ethischen Grundlagen vermittelt zu bekommen, finde ich ganz gut." Man lerne für das eigene Leben. Dass Religion ein Pflichtfach ist, stößt bei einigen Schülern auf Unverständnis. Man solle es lieber freiwillig halten und dafür alle Naturwissenschaften verpflichten.


Kirche am Sonntag? Fehlanzeige

Und nun Hand aufs Herz: Wer geht sonntags regelmäßig in die Kirche? Drei Finger gehen hoch. Ministranten hingegen waren von den 24 Schülern rund die Hälfte. Religion als Abiturfach ist laut Kemmer gefragt. Auf seiner Liste stünden 14 Interessenten für die mündliche Prüfung. Zumindest diese Schüler werden wohl später nicht nur an Turnübungen, Formelketten und Gedichtinterpretation denken.