Ist 24-Stunden-Pflege noch bezahlbar?
Autor: Peter Groscurth
, Montag, 05. Januar 2015
Auch in den ländlichen Regionen Frankens gibt es viele Helferinnen, die sich rund um die Uhr um alte oder kranke Menschen kümmern. Um die Schwarzarbeit in diesem Sektor einzudämmen, fordern Experten eine bessere Förderung durch die Pflegekassen.
Elke G. (54) hat ein Problem. Denn der Vater der resoluten Frau, die in einer Gemeinde im Aischgrund lebt, ist seit einigen Jahren Witwer und hat überhaupt keine Lust darauf, in einem Pflegeheim zu landen. Er will zuhause bleiben, hat das auch so festgelegt. Seit einer schweren Erkrankung braucht er aber Hilfe.
Hilfe, die Elke G. und ihre Geschwister aber wegen ihren beruflichen Tätigkeiten nicht leisten können. Ihr Vater hat daher eine Pflegerin. Eine junge Frau aus Polen, die kranken, älteren Menschen ein Leben in Würde ermöglicht - in den eigenen vier Wänden. Für Elke G. ist diese Pflegerin fast schon ein Familienmitglied geworden. "Was sie für meinen Vater tut, ist mit Geld gar nicht zu bezahlen", sagt sie.
Diese Helferinnen verlassen ihre Heimat, weil ihr Verdienst dort nicht reicht, und tun das, was die allermeisten Deutschen gegen Bezahlung nur selten tun würden: rund um die Uhr für jemanden da sein. Einem Menschen die Windeln wechseln, beim Baden helfen oder das Essen zubereiten. Pflege-Experten nennen sie daher die "unverzichtbaren Heldinnen", die ab 1. Januar auch einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben.
8,50 Euro pro Stunde gilt dann auch für solche Arbeitskräfte aus dem Ausland. Und das kann vor allem für diejenigen Familien, die nicht schwarz arbeiten lassen, zu einem großen und vor allem teuren Problem werden. Keiner weiß bisher genau, wie viele osteuropäische Haushaltshilfen alte Menschen in Deutschland in ihrer Wohnung oder ihrem Eigenheim versorgen. Ihre Zahl wird auf rund 200 000 geschätzt - viele arbeiten auch in ländlichen Regionen Frankens.
Ohne Pflegekräfte aus dem Ausland würde System zusammenbrechen
Fakt ist: Ohne sie würde das Pflegesystem zusammenbrechen. Derzeit leben in der Bundesrepublik 2,5 Millionen Menschen, die Pflege brauchen. Im Jahr 2030 dürften es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bereits 3,4 Millionen sein. Es ist vor allem ein Markt, in dem sich die Schwarzarbeit durchgesetzt hat.
Rund 80 bis 90 Prozent der osteuropäischen Helferinnen sollen illegal beschäftigt seien. Selbst Ärzte und Pfarrer sollen schon Pflegerinnen aus Osteuropa vermittelt haben. "Es gibt einen nicht unerheblichen Anteil von Familien, die sich eine häusliche Betreuung wünschen und sich eine legale Beschäftigung nicht leisten können", meint ein Insider.
Ganz anders sieht es bei Elke G. aus. Sie wollte von Anfang an, dass bei der Betreuung ihres Vaters alles mit rechten Dingen zugeht und die Pflegerinnen und Pfleger sozialversichert sind. Also hat sie eine Agentur eingeschaltet. Je nach Bezahlmodell kann eine Altenbetreuerin aus Osteuropa zwischen 1100 und 1400 Euro netto verdienen. Die Agenturen selbst erhalten für ihre Dienstleistung in der Regel mehrere Hundert Euro im Monat.
Die Familie von Elke G. kommt so auf Kosten von 2000 Euro im Monat. "Das ist viel Geld", sagt sie und hofft, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Trotz des Mindestlohns. Sie hat schon mal ausgerechnet, was es kosten würde, wenn Pflegerinnen wirklich für jede Stunde 8,50 Euro erhalten würden. 10 000 Euro an Lohn kämen so zusammen - für nur einen Monat. "Wer soll das bezahlen?", fragt sie. "Verarmen will ich nicht."
Experten warnen bereits davor, dass der Mindestlohn nicht dazu führen dürfe, dass Familien sich die Pflege eines Angehörigen zu Hause nicht mehr leisten können. Sie plädieren deshalb für ein anderes System. Die Politiker müssten veranlassen, dass die Pflegekassen die häusliche Betreuung stärker fördern und die Beschäftigung dort entbürokratisieren. Österreich habe es geschafft, mit einem neuen Fördermodell den Anteil der legalen Beschäftigung bei der häuslichen Pflege deutlich zu erhöhen. Elke G. wäre froh, wenn ihr Vater weiter zuhause bleiben könnte und eine Pflegerin vor Ort ist. Und sie fügt an: "Ich bin unendlich dankbar dafür, dass es solche Menschen gibt, die das für meinen Vater tun."
Im fünften und letzten Teil unserer Serie rund um das Thema Mindestlohn informieren wir Sie, was Taxifahrten bald kosten werden.