In Höchstadt bald mehr Zeit bis zum Abitur
Autor: Andreas Dorsch
Höchstadt a. d. Aisch, Donnerstag, 19. März 2015
Am Höchstadter Gymnasium sieht man in der "Mittelstufe Plus" eine Chance für Schüler und ihre Familien. Außerschulische Aktivitäten sollen nicht länger am Unterrichtsstress scheitern.
Das Ziel ist klar: Gymnasiasten sollen wieder mehr Zeit bekommen, sich auch außerhalb der Schule zu engagieren. In Sportvereinen ebenso wie im musikalischen Bereich. Möglich machen soll dies das Pilotprojekt "Mittelstufe Plus", das es den Schülern erlaubt, sich für die Klassen acht, neun und zehn ein Jahr mehr Zeit zu lassen. Ob dieses Projekt funktioniert, testet Bayerns Kultusministerium zwei Jahre lang an 47 Pilotschulen. Eine dieser Pilotschulen ist das Gymnasium Höchstadt.
71 bayerische Gymnasien hatten sich für das Pilotprojekt beworben, 47 wurden vom Kultusministerium ausgewählt. Im Kreis Erlangen-Höchstadt ist die Höchstadter Schule die einzige, in der die wieder um ein Jahr verlängerte Gymnasialzeit getestet wird.
Das Lernen wird entschleunigt
Seit seiner Einführung steht das achtstufige Gymnasium auch heftig in der Kritik.
"Es geht um die Entschleunigung des Lernens", sagt der Höchstadter Schulleiter Bernd Lohneiß. Er ist stolz darauf, dass seine Schule dabei ist. Konkret bedeutet das, dass die heutigen Siebtklässler - beziehungsweise deren Eltern - in den nächsten Wochen entscheiden können, ob sie die Klassen neun mit zehn in drei oder vier Jahren absolvieren möchten.
"Alle können frei wählen", kündigt Lohneiß an und betont, dass die Mittelstufe Plus kein Modell nur für schwächere Schüler ist. Wer Auslandsaufenthalte plant, kann dieses Modell ebenso nutzen wie Hochbegabte, die nebenbei noch etwas anders machen möchten. Weil der Unterrichtsstoff über vier Jahre verteilt wird, fallen einige Fächer zeitweise weg und die Schüler haben etwa vier Wochenstunden weniger. "In den Klassen acht und neun bedeutet das keinen verpflichtenden Nachmittagsunterricht mehr", stellt Lohneiß in Aussicht. Nur in der Zehnten lassen sich zwei Stunden am Nachmittag nicht umgehen. Damit bekommen die jungen Gymnasiasten wieder mehr Zeit für außerschulische Aktivitäten.
Ab Herbst werden am Gymnasium Höchstadt zwei Zweige der Mittelstufe angeboten: der bisherige dreijährige und daneben das Pilotprojekt Mittelstufe Plus. Derzeit besuchen hier in fünf Klassen rund 125 Schüler die siebte Jahrgangsstufe.
Theoretisch hätten sie alle die Möglichkeit, sich für die vierjährige Mittelstufe anzumelden. Die Eltern müssen nur einen schriftlichen Antrag stellen und die Gründe für die verlängerte Schulzeit kommunizieren. Das können der Entwicklungsstand der Schüler, außerschulische Aktivitäten oder die Begabung sein. Um in der Pilotphase Erfahrungen zu sammeln, wolle man wissen, warum die vierjährige Mittelstufe gewählt wird.
Wie viele seiner Siebtklässler in das Pilotprojekt Mittelstufe Plus einsteigen, wagt Bernd Lohneiß nicht abzuschätzen. Der Schulleiter hofft allerdings, dass genügend Schüler für mindestens eine Klasse zusammenkommen. Möglich wären auch mehr Mittelstufe-Plus-Klassen. Nur in der Summe darf die Klassenzahl durch das Pilotprojekt nicht steigen.
Weil das Höchstadter Gymnasium die einzige Pilotschule im Landkreis ist, können sich hier auch Schüler aus den anderen Landkreis-Gymnasien anmelden - sofern noch Kapazitäten frei sind. Allerdings bekommen sie die Kosten für die Fahrt nach Höchstadt nicht erstattet.
Wäre es nach den Vorstellungen des Schulleiters gegangen, hätte man das G9 als Regel einführen, aber gleichzeitig auch einen G8-Zug anbieten sollen. Lohneiß: "Man könnte diejenigen rausholen, die schneller machen wollen."
Für die Bewerbung als Pilotschule konnte Lohneiß auf die Unterstützung von Eltern, Schülersprechern, Lehrern und dem Sachaufwandsträger Landkreis bauen. Die neuen Jahrgangsstufen sind jetzt acht, neun, neun plus und zehn. Der organisatorische und vor allem stundenplantechnische Mehraufwand für die beiden Mittelstufen-Zweige bereite keine Probleme, sagt Lohneiß.
"Zunächst wollten wir nicht experimentieren", blickt Thomas Zieger zurück, Elternbeiratsvorsitzender des Höchstadter Gymnasiums. Erst als sich der Elternbeirat intensiv mit der getreckten Mittelstufe befasst hatte, sah man eine große Chance für viele Familien.
Maßgeschneiderte Angebote
Von den Kindern werde Druck genommen. Der Elternbeiratsvorsitzende sieht mehr Freizeit für die Schüler und auch positive Auswirkungen auf die Vereine: "Die Kinder sollen wieder ein Leben jenseits des Lernens haben." Das Pilotprojekt sieht er auch als Vertrauensbeweis für die Höchstadter Schule, die damit "ein maßgeschneidertes Angebot für jeden Schüler schnüren kann".
Man müsse nur den Finger heben, wenn dann die Schüler vom ruhigen Lernen in der Mittelstufe Plus in die Elfte des alten G8 kommen, warnt Zieger.