"Ich habe Pubertät" - Dann geht es ab ins Altersheim
Autor: Michael Busch
, Donnerstag, 10. November 2016
Redakteur Michael Busch berichtet im Blog "Ich habe Pubertät" von den Erfahrungen mit seiner 13-jährigen Tochter.
Ich hatte vor wenigen Tagen eine kleine Operation. Meniskus. Nichts tragisches und relativ schnell verheilt. Im Gegensatz zu den Wunden, die meine Tochter mit einem verbalminimalinvasiven Eingriff hinterließ.
Drei Tage nach der OP bat ich nämlich meine 13-Jährige, dass sie mir den rechten Schuh anziehe und bitte auch zuknote. Bittend, immerhin wusste ich um meine Defizite in dieser hilflosen Situation, die nur durch Nicola zu beseitigen waren. Trotz aller Höflichkeit war ein mürrisches: "Immer ich" die erste Reaktion, obwohl sie mir in ihrer Laufbahn noch nie einen Schuh hat anziehen, geschweige denn binden müssen.
Ich hätte ihr gerne den Schuh aufgeblasen, setzte aber angesichts meiner temporären Hilflosigkeit mit einem erzieherischen Appell ein. "Gewöhn Dich schon mal daran", so mein Ansatz, "wenn Mama und ich älter sind und wir nicht mehr so richtig können, musst Du das öfters machen." Und ich weiß nicht, was mich dann mehr erschreckte. Der Inhalt des entgegen geschleuderten Satzes meiner Tochter oder die Geschwindigkeit, mit der sie den Satz herausschleuderte.
"Dann kommt ihr einfach ins Altersheim!" Wow, das saß und sitzt heute in der Retroperspektive immer noch. Altersheim! Das ist doch mal eine Ansage, angesichts der Idee, dass der tägliche Gang zur Arbeit nicht zuletzt auch unter dem Aspekt der Zukunft meiner Kinder geschieht. So Sätze wie: "Die sollen es mal gut haben!" (Nein, 'Besser' wäre übertrieben, mir geht es ja ganz gut); "Ich mache das meiste für meine Kinder!" und "Ich möchte etwas vernünftiges hinterlassen!"
Und nun droht, nur weil ich mir den Schuh nicht anziehen kann, das Altersheim. Nachdem ich mich einigermaßen gefangen hatte, versuchte ich moralisch zu argumentieren. "Was glaubst Du, wie oft ich Dir die Windeln gewechselt habe? Deinen Po sauber gemacht habe? Dir die Klamotten angezogen?" Ich stellte zugegebenermaßen unfair die Hilflosigkeit eines Babys dar und unterstrich die für mich schlüssige Argumentation mit dem Satz: "Und ich habe dabei nie daran gedacht, Dich zur Adoption freizugeben" - was für mich irgendwie dem Altersheim gleichkommt. Und was antwortete Nicola: "Das hast Du gemacht, weil Du mich halt lieb hast!" Und schob so nebenbei hinterher: "Hab' Dich aber auch lieb."
Ich denke dennoch über mein Testament und eine eventuelle Veränderung nach. Ich will nicht ins Altersheim. Scheiß Pubertät!
Und was sagt Nicola?
Papa ist schon recht Spaß befreit, den Witz mit dem Altersheim, hat er ziemlich ernst genommen. Er ist echt sensibel.