Druckartikel: Höchstadter Realschüler sollen aus Geschichten lernen

Höchstadter Realschüler sollen aus Geschichten lernen


Autor: Johanna Blum

Höchstadt a. d. Aisch, Montag, 23. März 2015

Mit einer Mischung aus Fiktion und Fakten versuchte die Autorin Mirjam Pressler, Höchstadter Realschülern die Bedeutung von Werten wie Respekt und Toleranz beizubringen.
Mirjam Pressler (2. v. l.) beantwortete auch nach ihrer Lesung noch die Fragen von Joel, Hannah, Franziska und Marie (v. l.). Foto: Johanna Blum


Als eine Botschafterin gegen das Vergessen, die für mehr Respekt untereinander wirbt, besuchte Mirjam Pressler die achten Klassen der Realschule Höchstadt. Sie ist eine der erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautorinnen und wurde erst vor Kurzem auf der Leipziger Buchmesse für ihre Hebräisch-Übersetzung des jüdischen Werkes "Judas" von Amos Oz ausgezeichnet.

"Eine sehr facettenreiche Frau, unheimlich aktiv, intelligent und fleißig, die authentisch schwierige Ereignisse und Lebenssituationen einfühlsam und auch für Jugendliche verdaulich erzählt", so stellte sie Lehrerin Leman Uysal bereits im Vorfeld vor. Mirjam Pressler selbst, Mutter dreier Töchter, erzählte am Ende ihres leider etwas farblosen Vortrags den neugierigen Schülern: "Ich habe Kunst studiert, alle möglichen Jobs ausgeübt, in deutschen Büros und einem israelischen Kibbuz gearbeitet und sogar mal einen eigenen Jeansladen geführt."

Englisch und Französisch hat sie in der Schule gelernt, Hebräisch und Jiddisch hat sie sich später aus Interesse beigebracht und "Niederländisch hab ich vor mehr als 15 Jahren gelernt, um aus dieser Sprache übersetzen zu können", erklärte sie. Zwischen 50 und 100 Lesungen bestreitet sie pro Jahr, und mehr als 40 Bücher hat sie bis jetzt geschrieben.

Die erste Schülergruppe führte sie in das Jugendbuch "Malka Mai" ein. Es ist die Geschichte eines jüdischen Mädchens, ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester im Zweiten Weltkrieg. Mirjam Pressler vermittelt die Angst, das Leid und oft auch die ausgelöschte Hoffnung einer jüdischen Familie. Die Autorin zeigt am tragischen Beispiel des kleinen Mädchens Malka, dass es im Krieg keine Gesetze gibt. Das Grauen und das unbeschreibliche Leid sind unfassbar. Was aber viel schlimmer ist: Das ist nicht nur Geschichte, es gibt diese Schicksale auch jetzt. Um uns herum bekriegen sich Menschen. Viele Kinder verlieren im Gefecht der Ungerechtigkeit alles - eben wie Malka damals.

Erschreckende Schilderungen

Im zweiten Jugendbuch, "Ein Buch für Hanna", erfuhren die Jugendlichen die Geschichte eines anderen jüdischen Mädchens, die sich so oder so ähnlich zugetragen haben könnte. Viele Erzählungen Presslers sind keine wahren Geschichten. Sie sind eine Mischung aus Fakten und Fiktion. Wichtig für sie ist es, in diesem Jugendroman herauszuarbeiten, wie sich ein junger Mensch, dem man die Jahre seiner Jugend mit Grausamkeiten und Qualen gestohlen hat, doch noch zu einem warmherzigen und lebensbejahenden Menschen entwickeln kann.
Die Schüler hörten von den Erlebnissen Hannas, die sich in Dänemark und Theresienstadt zugetragen haben könnten, erfuhren von den grässlichen Gemeinschaftslatrinen (behelfsmäßige Toiletten), dem ekligen Essen und mehr - alles erschreckende Schilderungen aus einem Lager im Zweiten Weltkrieg.

"Mein erstes Buch war ,Bitterschokolade‘, das ich im Alter von 39 Jahren geschrieben habe", beantwortete Mirjam Pressler am Schluss der Lesung die Frage eines Schülers. "Warum erzählen die Geschichten alle von Israel und Juden?", wollte eine Schülerin wissen. "Ich bin Jüdin", erklärte Pressler.

Die Schüler sollen jedoch in ihr nicht die jüdische Schriftstellerin sehen, sondern ihre Geschichten verstehen. Ohne den erhobenen Zeigefinger lehrt sie ihre Leser: Sei ein Mensch! Habe Respekt vor dir und deinen Mitmenschen! Die Schüler der Realschule, einer als "Schule mit Courage" ausgezeichneten Einrichtung, können viel aus Presslers Werken lernen, und junge Menschen sollen nach dem Wunsch der Autorin lernen dürfen: "Ich kann mit einer friedvollen Einstellung viel für mein Umfeld beitragen. Deshalb sollte es für alle vernünftigen Menschen ein Selbstverständnis sein, sich niemals anzumaßen, über einen Menschen zu urteilen. Jeder soll sein Leben leben dürfen."