Höchstadter Kunstlehrer: Kunstunterricht wichtiger denn je
Autor: Karina Brock
Höchstadt a. d. Aisch, Freitag, 19. April 2019
Karsten Raimann ist Kunstlehrer in Höchstadt. Auf die Frage "Ist Kunstunterricht noch zeitgemäß?" gestattet er einen interessanten Einblick in sein Fach.
Karsten Raimann brennt für sein Fach. Kunstunterricht sei wichtiger denn je, meint der Kunst- und Geographielehrer. Denn Schule müsse sich fragen, was für Menschen sie hervorbringen wolle: "Lebenstüchtig, gebildet, kreativ, innovativ, selbstbewusst sollen sie sein." All diese Eigenschaften würden nur bedingt in Mathematik, Latein, Deutsch und Englisch ausgebildet. Was die Aufteilung von Schulfächern in Haupt- und Nebenfächer angeht, ist Raimann auf einer Linie mit dem Hirnforscher Manfred Spitzer, der sagt: "Wissenschaftlich gesehen wären die wichtigsten Schulfächer Musik, Sport, Theaterspielen, Kunst und Handarbeiten."
Politik und Werte
Zumindest in Raimanns Unterricht scheint Persönlichkeitsbildung ein großes Thema zu sein. Der Lehrer der Höchtstadter Realschule diskutiert mit seinen Schülern anhand von Kunstwerken Politik, Lebenswirklichkeit und Werte. "Kunst ist immer ein Spiegel ihrer Zeit - und es gibt alte Kunstwerke, die sind heute aktueller denn je." Welche, die sich mit Gewalt, Armut, Krieg beschäftigen zum Beispiel, wie von Käthe Kollwitz. Ihr Zitat "Ich will wirken in dieser Zeit" ist für den 43-Jährigen eine Aufforderung, auf das Weltgeschehen Einfluss zu nehmen. "Kunst kann Missstände aufgreifen und dadurch sehr politisch sein."
Im Rahmen der Kunstbetrachtung, die etwa 50 Prozent seines Unterrichts ausmacht, thematisiert Raimann viele große Fragestellungen von Globalisierung, Digitalisierung und Medienkonsum bis zum Rechtsruck vieler Gesellschaften. Auch kritische Punkte wie Zensur, Verbote und die "entartete Kunst" der NS-Gesellschaft stehen auf dem Stundenplan. "Wir wollen ja Menschen entlassen, die eine Haltung haben, die ihre Meinung begründet vertreten können - und nicht etwa Mitläufer, die auf Fake-News hereinfallen."
Natürlich lernen die Schüler dabei - altersgerecht aufbereitet - Kunstgeschichte Künstler, Epochen und Stile kennen, "die ganze Vielfalt, was Kunst alles sein kann bis hin zum Happening und zur digitalen Kunst". Ab der 7. Klasse wird das Wissen auch in Schulaufgaben abgefragt. Wer den Kunstzweig wählt, macht am Ende eine theoretische und eine praktische Prüfung.
In der Praxis ist Raimann das Handwerk besonders wichtig. Also klassischer, analoger Kunstunterricht. Den Schülern werden sämtliche Techniken nahe gebracht wie Aquarell, Schriftgestaltung, Zeichnung, Scherenschnitt, Linolschnitt, Naturstudien, Radierung, Malerei, Grafik, Tonarbeit und vieles mehr. "Die Kinder sollen tätig sein, sollen machen. Nicht nur auf die Tastatur klopfen." Natürlich sind das anspruchsvolle Techniken. Aber die Ergebnisse sprechen für sich. "Man wächst mit seinen Herausforderungen - das trifft auch auf Kinder zu", betont Raimann.
Außerdem bietet die Kunst jungen Menschen - gerade in einer schwierigen persönlichen Phase wie der Pubertät - Halt und eine Ausdrucksmöglichkeit. "Irgendwie müssen die sich doch ausleben können - Stichworte Selbstreflexion, Selbsterkenntnis, Selbstfindung." Und das gehe nur über Kunst - oder eben Musik oder Sport. Nicht zuletzt zeigt der Kunstunterricht den Schülern, dass man Kunst auch einfach genießen kann. "Die Betrachtung von Kunst entschleunigt in dieser schnelllebigen Zeit und das hat einen Wert." Wo Kunst Menschen nicht berühre, nicht in irgendeiner Art emotionalisiere, sei etwas schief gelaufen. "Das ist dann keine Kunst."
Raumkunst im Kinderzimmer
Die Sehnsucht nach Kunst und die Fähigkeit, etwas zu gestalten sei in jedem Menschen angelegt. "Ich liebe auch das Zitat von Joseph Beuys: ,Jeder Mensch ist ein Künstler'." Das heiße nicht, dass jeder malen könne, wie Rembrandt. Vielmehr, dass jeder Mensch dazu in der Lage sei, seine Umwelt nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. "In welchem Kinderzimmer hängen keine Poster oder Bilder? Das ist Raumgestaltung."