Druckartikel: Hier wird die Miete abgearbeitet

Hier wird die Miete abgearbeitet


Autor: Johanna Blum

Aisch, Mittwoch, 07. Juni 2017

Die einen stellen Wohnraum zur Verfügung, die anderen ihre Zeit: "Wohnen für Hilfe" heißt das Projekt, dass jetzt beim VdK vorgestellt wurde.
Sabine Köhler-Huter (links) , Vorsitzende des VdK Adelsdorf, dankte der Referentin Renate Fischer mit einem Präsent. Foto: Johanna Blum


"Wohnen für Hilfe" ist das Angebot des Wohnungsamtes Erlangen überschrieben, das sich zum einen an Studenten oder Azubis, zum anderen insbesondere an Ältere wendet. Auf Einladung des VdK Adelsdorf informierte Renate Fischer vom Wohnungsamt in Aisch über die Einzelheiten des Modells und beantwortete die wichtigsten Fragen.

1. Was ist eigentlich "Wohnen für Hilfe"?
So manche ältere Menschen, aber auch Familien und Alleinerziehende haben oft Platz - ein bis zwei Zimmer, manchmal sogar eine ganze Einliegerwohnung - und bräuchten im Alltag gelegentlich Unterstützung z.B. bei der Gartenpflege, beim Einkaufen oder auch bei der Kinderbetreuung, bei der Haustier- und Pflanzenpflege bei Abwesenheit und mehr.
Viele Studenten finden in und um Erlangen keinen preisgünstigen Wohnraum und würden oft gerne Hilfe leisten und im Gegenzug günstiger wohnen. "Wohnen für Hilfe" heißt also, dass die Miete nicht mit Geld sondern mit diversen Hilfeleistungen abgegolten wird. So entstehen Wohngemeinschaften zwischen Studenten, aber auch Azubis und Senioren, Familien, auch Menschen mit Behinderung oder Alleinstehenden.

2. Wer kann die jungen Helfer in Anspruch nehmen?
Jeder, der Wohnraum zur Verfügung hat - mindestens ein Zimmer, wobei Bad und Küchenbenutzung mit eingeschlossen sind - kann sich beim Wohnungsamt melden. Er sollte noch guter Verfassung und auf keinen Fall pflegebedürftig sein. Er sollte offen für junge Menschen sein und ihre Gemeinschaft schätzen.
3. Welche Studenten oder Azubis kommen infrage?
Jeder Student oder Azubi, der preisgünstigen Wohnraum in und um Erlangen sucht, der die Gemeinschaft mit älteren Menschen schätzt und diese gerne für mietfreies Wohnen im Alltag unterstützen möchte, wird hier angesprochen. Auch junge Leute, die gerne Kinder mögen und bereit sind Familien oder Alleinerziehende zu entlasten und sich dies neben ihrem Studium leisten oder auch vorstellen können. Es könnten sogar Studenten aus anderen Ländern sein, die durch ihre Gastperson oder Gastfamilie die Chance bekommen, die fränkische Art zu leben kennenzulernen.

4. Welche Kosten fallen für den jungen "Mieter" an?
Als Faustformel gilt: Pro Quadratmeter werden eine Stunde Hilfsdienste im Monat als Kaltmiete angerechnet. Also müssen die jungen Leute meist nur eine Pauschale für Strom, Heizung und Wasser bezahlen. Hat ein Zimmer eine Fläche von 15 Quadratmetern, bedeutet das 15 Stunden "Arbeitseinsatz", sei es im Haus, im Garten, bei der Kinder- oder Hausaufgabenbetreuung und mehr. Dies ist meistens Verhandlungssache und liegt auch daran, wie gut die Chemie zwischen beiden Partnern stimmt.

5. Wie sieht es bei uns im Landkreis mit "Wohnen für Hilfe" aus und welche Erfahrungen hat das Amt für Soziales, Arbeiten und Wohnen bisher gemacht?
Das Projekt besteht seit dem Jahr 2011 und in dieser Zeit gab es bis heute über 160 Wohnpartnerschaften, etwa 100 im Stadtgebiet und der Rest im ländlichen Umkreis. Auf diese Weise kann man das Betreute Wohnen gut noch etwas hinauszögern. Aus der Erfahrung weiß man inzwischen, dass die Senioren in erster Linie Gesellschaft wünschen. Aber auch die vielen Einbrüche bereiten heute so manchem Alleinstehenden Sorge. Die Arbeitseinsätze sind individuell vereinbar und gehen übers Putzen, Gartenarbeit, Kinderbetreuung, Gesellschaft bis hin zum gemeinsamen Einkaufen oder Spazierengehen. Bei "Wohnen für Hilfe" handelt es sich aber keinesfalls um pflegerische Aufgaben, genauso wenig sind die jungen Menschen als billige Hilfskräfte zu betrachten!

6. Wohin wende ich mich, wenn ich einen Studenten oder Azubi bei mir aufnehmen möchte?
Das Amt für Soziales, Arbeiten und Wohnen der Stadt Erlangen ist die Anlaufstelle. Ursula Andretzky ist unter der Telefonnummer 09131/86-1586 oder per E-Mail an ursula.andretzky@stadt.erlangen.de, Renate Fischer unter der Rufnummer 09131/86-1824 bzw. E-Mail an renate.fischer@stadt.erlangen.de zu erreichen.


"Die zieht es doch in die Stadt"

"Wir helfen sowohl den Wohnungsanbietern als auch den Wohnungssuchenden und stehen beiden Seiten sowohl beim Erstellen des Wohnraumüberlassungsvertrags, als auch bei allen Versicherungs- und Haftungsfragen beratend zur Seite", so Fischer am Ende ihrer Ausführungen. "Sollten Probleme auftauchen, sind wir auch die Ansprechpartner und versuchen, für beide Seiten eine Lösung zu finden."

Die Senioren in Aisch waren recht angetan von diesem Projekt. Nur bezweifeln sie, ob junge Menschen gerne "zu uns aufs Land kommen wollen. Die zieht es doch mehr in die Stadt!"