Druckartikel: Herzinfarkt, Polizei und Anklage

Herzinfarkt, Polizei und Anklage


Autor: Michael Busch

Aurachtal, Dienstag, 09. Oktober 2018

Eine Aurachtaler Familie steht vor dem Amtsgericht Erlangen. Der Vorwurf: Gemeinsamer Betrug in mehreren Fällen.
Eine der Angeklagten versuchte sich durch einen fingierten Herzanfall vor der Verhandlung zu drücken, nutzte aber nichts. Die Polizei brachte sie nach Erlangen.  Foto: Michael Busch


Manche Verfahren ziehen sich ein wenig in die Länge. Nicht etwa, weil die Beweisaufnahme sehr lange dauert oder die Zeugen verspätet kommen. Bei einem aktuellen Verfahren am Erlanger Amtsgericht war bereits der Vormittag vorbei, bevor es überhaupt zur Anklageverlesung kam.

Gründe gab es mehrere. Zum einen gab es mehrere Befangenheitsanträge, die eine der drei Angeklagten gestellt hat. Zum Teil sehr kurzfristig, so dass nach der Eröffnung des Verfahrens erst von einer zuständigen Richterin über diese Anträge entschieden werden konnte. Richter Wolfgang Gallasch erklärte, dass es bei den Anträgen unter anderem darum ging, dass er im Vorfeld mit dem Verteidiger der einen Angeklagten geredet habe, da es sich grundsätzlich um ein sehr komplexes Verfahren handele. Nun sage die Angeklagte, dass er "den Verteidiger so beeinflusst habe, dass dieser sein Mandat niedergelegt habe".

Kurios wurde es allerdings, als es um die Angeklagte selber ging. Die in Aurachtal lebende Frau, Betriebswirtin von Beruf, war zum Termin nicht erschienen. Nach einer ersten Information der Verteidiger sei sie auf dem Weg zum Amtsarzt, da der Richter ein Attest eines Allgemeinmediziners nicht akzeptiert habe.

Infarkt oder nicht?

Der hatte zwischenzeitlich zwar auf dieses amtsärztliche Attest verzichtet, aber da der Gang nun angetreten wurde, wolle das Schöffengericht das so akzeptieren.

Dann überschlugen sich allerdings die Ereignisse. Nicht im Gerichtssaal, aber im Landkreis. Die Verteidigung teilte mit, dass die Angeklagte von der Polizei verhaftet worden sei. Richter Gallasch gab die Information, dass dies nicht ganz richtig sei. "Die Angeklagte sei von einem Polizisten angesprochen worden. Dem habe sie von einem Herzinfarkt erzählt, so dass entsprechend ein Notarzt gerufen wurde." Dieser und der hinzugerufene Landamtsarzt stellten dann aber die Verhandlungsfähigkeit fest, so dass die Frau dann letztlich doch durch die Polizei zum Amtsgericht nach Erlangen gebracht wurde.

Nun war die Familie vereint. Die 64 Jahre alte Mutter, die 46-jährige Tochter und der 40 Jahre alte Sohn. Drei Pflichtverteidiger, drei Rechtsanwälte und die Staatsanwältin warteten dann gespannt auf die Entscheidung zur Befangenheit des Richters. Diese wurde durchwegs abgelehnt, die Begründung ging umfangreich auf den Sachverhalt und die gesetzlichen Grundlagen der Strafprozessordnung ein.

Nach dreieinhalb Stunden plus einer Mittagspause ging es dann tatsächlich los. Die durch die Staatsanwältin verlesene Anklage fasste mehrere Vorgänge zusammen. Zum einen handelte es sich um einen Darlehensmissbrauch. Statt rund 130 000 Euro, die bei der Sparkasse Herzogenaurach geliehen und ausbezahlt wurden, für den Bau einer Effizienzenergiewohnung zu nutzen, wurde das Geld anderweitig genutzt. Es wurde nämlich einer Wohnungsbau GmbH zugeführt, dessen Geschäftsführer der eigene Sohn war. Für den geplanten Bau wurde der vom Staat bezuschusste Kredit nie genutzt.

Die Staatsanwältin führte aus, dass unter diesen Umständen der Kredit nie genehmigt worden wäre, da alle benötigten Sicherheiten fehlten.

Drei weitere Fälle gab es durch eine weitere GmbH, die Personenlifte vertrieb und von der Familie geführt wurde. Das Prinzip war einfach: Menschen bestellten in der Aurachtaler Firma Lifte. Die sollte eigentlich bei entsprechenden Herstellern diese ordern und einbauen lassen. Doch außer Anzahlungen zu kassieren, haben die drei Angeklagten nichts veranlasst. Bei den bekannten drei Fällen kam es insgesamt zu einem Schaden von über 100 000 Euro.

Entnervter Zeuge

Den Vorgang selber konnte der erste Zeuge, der aus Stuttgart angereist war, weitgehend belegen. Er erzählte von dem Vorgang, der startete, als er 2013 den Aufzug bestellt hat. Der Aufzugsraum wurde durch "seine" Firmen vor Ort gebaut, dann sollte die Aufzugsfirma einsteigen. Doch es habe immer Erklärungen und Entschuldigungen gegeben, warum es zu Verzögerungen bei den Lieferungen gekommen sei. Nebenbei erklärte er, dass die GmbH letztlich über Jahre eine Insolvenzverschleppung vollzogen hätte. Das heißt, dass zur Zeit der Bestellung das Unternehmen längst Konkurs gewesen sei, er hätte mit dem Wissen dort gar nicht bestellt.

Vier weitere Termine

Er spricht von einer regelrechten Masche des Hinhaltens, der Ausreden wie konkursgegangener Aufzugshersteller, aber auch Bitten und Drohungen. "Wir gehen regelmäßig in die Kirche, Sie werden uns doch glauben", sei eine solcher Ansagen gewesen. Der Zeuge selber war nach mehreren Terminen, auch am Zivilgericht in Nürnberg, sichtlich genervt. "Ich wollte nur einen Aufzug, der hoch und runter fährt - mehr nicht!", erklärte er vis-à-vis den Angeklagten.

Auch nach der Zeugenvernehmung wollten sich die Angeklagten zunächst nicht äußern. Es wird wohl noch eine Menge Arbeit für alle Beteiligten bis zur Urteilsverkündung. Es sind vier weitere Gerichtstermine angesetzt.