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Hermersdorfer Kühe haben einen Wohlfühlstall


Autor: Evi Seeger

Hermersdorf, Freitag, 15. Januar 2016

Die Hermersdorfer Familie Brandt hat fast eine Million Euro investiert, um ihrem Milchvieh optimale Bedingungen bieten zu können. Der Bauernverband lobt das als Gegenentwurf zur oft kritisierten "Agrarindustrie".
Hofnachfolger Johannes Brandt freut sich über ein neugeborenes Kälbchen. Foto: Evi Seeger


Das Futter ist zu 100 Prozent gentechnikfrei. Der Stall mit neuester Technik ausgestattet und nach tierschutzrechtlichen Aspekten gebaut, entspricht den Bio-Richtlinien der EU. Trotz aller Neuerungen kann Jungbauer Johannes Brandt jede einzelne Kuh beim Namen nennen.
Von der viel kritisierten "Industrie" in der landwirtschaftlichen Produktion kann also keine Rede sein. Die wird gerade heute in Berlin bei der Demonstration "Wir haben Agrarindustrie satt" verteufelt. Anlässlich der Berliner Grünen Woche findet diese Riesendemo alljährlich als Protestveranstaltung von Umwelt-, Natur- und Tierschützern statt.
Dabei legt gerade die Generation der jungen Landwirte großen Wert auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den Tieren. Robert Ort, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, und Fachberaterin Heike Schwab nahmen dies zum Anlass für ein "Stallgespräch" im Betrieb Brandt in Hermersdorf. "Hier sieht man, dass das kein Konzern ist, sondern eine Familie, die sich 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr um ihre Tiere kümmert", betont Ort.
"Die Tiere sind unsere Mitarbeiter. Mit ihnen verdienen wir unser Geld", stellt Johannes Brandt fest. Noch ist sein 55-jähriger Vater Werner der Betriebsleiter. Aber für den Junior stand schon immer fest, dass er einmal Bauer werden will. Dafür hat der heute 28-Jährige eine siebenjährige Ausbildung absolviert: Drei Jahre landwirtschaftliche Lehre, danach die Landwirtschaftsschule in Ansbach mit dem Abschluss "Staatlich geprüfter Wirtschafter für Landbau", ein Jahr Praxis und dann die Höhere Landbauschule in Triesdorf mit dem Abschluss "Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt".


Sehr viele eigene Flächen

Dass es zwischen den Generationen große Diskussionen darüber gegeben hat, wie es weiter gehen soll, liegt auf der Hand. Der bisherige "Anbindestall" war nicht mehr zeitgemäß und auch nicht mehr tiergerecht. Das heißt, für moderne Technik wären sehr viele Umbauten notwendig gewesen. Nach reiflicher Überlegung entschied sich die Familie für einen Stallneubau.
Von der Bauvoranfrage bis zur Fertigstellung zogen drei Jahre ins Land. "Verschiedene Behörden und Gutachter müssen eingebunden werden", erläutert BBV-Kreisobmann Robert Ort. Von der BBV-Landessiedlung, einer Tochter des Bauernverbands, gebe es einen "Betreuer", der die Wirtschaftlichkeit des Projekts errechnet. Im Betrieb Brandt schien er keine Bedenken zu haben: 110 Hektar Fläche bewirtschaftet der Hermersdorfer Landwirt. Dabei ist etwa die Hälfte Eigentum, die andere Hälfte angepachtet. Ein besseres Verhältnis als bei vielen anderen Landwirten, die teilweise bis zu zwei Drittel ihrer bewirtschafteten Flächen gepachtet haben. "Das muss man erst einmal erwirtschaften", erklärt Robert Ort die heutigen Probleme der Bauern. Auch der zunehmende Landverbrauch durch Baugebiete und Ausgleichsflächen mache den Landwirten zu schaffen.


Das Management kostet Zeit

Am ersten Advent 2015 wurde der "Außenklimastall" dann eingeweiht. Ausgelegt ist er auf 88 "Liegeplätze". Aktuell beherbergt er 50 Tiere. Der Melkroboter kann 75 Kühe pro Tag melken. "Auch wenn das Melksystem automatisch funktioniert, liegen wir nicht auf dem Sofa", sagt Jungbauer Johannes. Das Management, die Überwachung, erfordere viel Zeit. Nach dem Motto "Feed first" werde die Kuh erst gefüttert, dann gehe es zum Melken.
Jedes Tier durchlaufe ein "Smart Gate" mit einer Lichtschranke. Anhand eines "Transponders" werde geprüft, wann die Kuh zum letzten Mal gemolken wurde. Sieben bis acht Stunden sollten zwischen den Melkvorgängen liegen. Wenn nicht, werde das Tier wieder zur Liegefläche geleitet. Die von der Fütterung getrennten Liegeflächen sind mit Stroh und Kalkgemisch ausgebettete Tiefboxen. Wenn ihnen danach ist, können die Tiere sogar eine Kratzbürste nutzen.
Der "Außenklimastall" erfüllt von der Baulichkeit die Bio-Richtlinien der EU. Beim Eintritt überrascht erst einmal die Stalltemperatur: der Besucher fröstelt, die Tiere offensichtlich nicht. "Null bis fünf Grad plus ist für die Tiere optimal", sagt der studierte Landwirt. Hohe Temperaturen könnten den Tieren sogar gefährlich werden, ergänzt Robert Ort. Der Stall hat daher auch eine gesteuerte Belüftung und ein helles Dach, damit es im Sommer nicht zu warm wird. Die Stall-Längswände bestehen aus einem Windschutznetz aus Kunststoff, das viel Licht einlässt und bei Bedarf wie eine Jalousie hochgerollt wird. Rund 10 000 Euro pro Platz kostet dieser Wohlfühlstall. Im Falle des Betriebs Brandt errechnet sich eine Investition von beinahe einer Million Euro.
Nach seiner qualifizierten Ausbildung weiß Johannes Brandt natürlich genau, was seinen Kühen am besten bekommt: Stroh, Gras, Mais und Schrot sind im Futter enthalten, werden täglich frisch gemischt und stammen von den eigenbewirtschafteten Flächen.
"Um sich auf dem Markt behaupten zu können, braucht man eine bestimmte Produktionsmenge", betont der junge Landwirt. In der Kühlanlage steht ein 5000-Liter-Tank, der jeden zweiten Tag von einer Oberpfälzer Molkerei geleert wird. Bei 4,2 Prozent Fettgehalt und 3,4 Prozent Eiweiß bekommt der Landwirt einen Grundpreis von 27,2 Cent pro Liter.