Heimische Landwirte begehren auf
Autor: Evi Seeger
Höchstadt a. d. Aisch, Sonntag, 01. November 2020
Sie hängen ihre Forderungen ans Kirchenportal von St. Georg in Höchstadt und wehren sich gegen ungerechtfertigte Kritik.
Reformationstag, 31. Oktober - der Tag an dem Martin Luther im Jahr 1517 seine 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg nagelte und damit in der Geschichte der Kirche einiges zum Umbruch brachte. Die Landwirte aus der Region nahmen diesen Tag zum Anlass, ihre "Thesen" an die Höchstadter Stadtpfarrkiche St. Georg anzuheften. Eine Aktion mit der sie - ähnlich wie Luther in der Kirche - auf die Missstände in der deutschen Landwirtschaftspolitik aufmerksam machen wollen.
Stadtpfarrer Kilian Kemmer hatte es ihnen nicht nur erlaubt, er zeigte sogar großes Verständnis dafür, dass die Landwirte "ihre Stimme erheben". Natürlich wurden die Thesen "nicht an die schöne Türe der Sankt-Georgs-Kirche genagelt", wie der Sprecher der Aktion, der Schirnsdorfer Landwirt Ralf Geyer, betonte. Die Forderungen auf gelbem Papier wurden nur lose an das Portal angeheftet. Kemmer versicherte den Landwirten, dass das Plakat über einen längeren Zeitraum an der Kirchentür bleiben dürfe.
Still war es am Samstagabend in der Innenstadt, als die rund 70 Demonstranten gegen 20 Uhr von den Aischwiesen durch die Steinweg- und Hauptstraße zur Kirche zogen. Die mehrheitlich jungen Bauern und Bäuerinnen trugen Fackeln, hatten einen Schellenbaum, Mistgabeln und Rechen dabei. Anders als sonst an diesem Abend vor dem Allerheiligentag, waren coronabedingt keine Halloween-Kinder unterwegs.
Vor der Kirchentüre prangerte Sprecher Ralf Geyer die Missstände an, die die mittelfränkischen Bauern seit mehr als einem Jahr um- und auf die Straße treiben. Gebracht habe es bislang nichts. "Bauern-Bashing", was bedeutet, dass Medien und Öffentlichkeit pauschal auf die Bauern losgehen, mache den Landwirten das Leben schwer. Die Selbstmordrate in der Landwirtschaft sei um 37 Prozent höher als in anderen Berufszweigen.
Jetzt wolle man die Kirche auf die Probleme der Landwirtschaft aufmerksam machen. "Saisonfremde" Lebensmittel für die "reichen Länder" würden in der Dritten Welt, auch unter ökologisch fragwürdigen Bedingungen erzeugt. Beispielsweise müssten eigens zur Bewässerung Brunnen gebohrt werden. In den "armen Ländern" selbst würden hingegen Nahrungsmittel fehlen.
Was die Landwirte ganz besonders auf die Palme bringt, sind die sich ständig verändernden Auflagen und Verordnungen. Sie würden "von Ideologen gemacht, die die Landwirtschaft nur aus Kinderbüchern kennen und nie auf einem Betrieb waren".
Die ständig neuen Vorschriften seien nicht mehr überschaubar, geschweige denn auszuführen. Düngeverordnung, Rote Gebiete, unverhältnismäßige Betriebskontrollen seien mit guter fachlicher Praxis nicht mehr zu vereinen.
"Fairtrade für die deutsche Landwirtschaft", war eine der Forderungen der demonstrierenden Landwirte. Das bedeute, dass alles, was weltweit produziert und nach Deutschland eingeführt wird, auch zu gleichen Standards und Auflagen produziert werden müsse. Nur so könne von einem fairen Wettbewerb gesprochen werden.
"Niemand ist näher dran am Schöpfer als die, die mit ihrer Hände Arbeit ein Feld bestellen und Tiere hegen und pflegen", ging Stadtpfarrer Kemmer auf die Anliegen der Demonstranten ein. Immer seien es die Bauernfamilien gewesen, die den Glauben von Generation zu Generation getragen hätten. Die "Schieflage der Gesellschaft" sei aktuell ganz deutlich an der Corona-Pandemie auszumachen, die sehr viel weniger die Landbevölkerung betreffe.
Die Thesen der Bauern
1. Gleiche Wertschätzung für alle Formen der Landwirtschaft - Bio und konventionell.
2. Keine Beteiligung der Kirche an Bodenspekulationen zu Lasten der heimischen Landwirtschaft.
3. Faires, unvoreingenommenes Vermitteln der landwirtschaftlichen Realität im Unterricht.
4. Unterstützung der Kirche bei unserer Forderung von gleichen Standards in Europa.
5. Verurteilung von Bauern-Bashing in den Medien.
6. Ermahnung zu sparsamerem Flächenverbrauch durch die Öffentliche Hand.
7. Es kann nur in Frieden leben, wer genug zu Essen hat.