Gratis-ÖPNV in Erlanger Innenstadt - "tolle Sache" oder "Augenwischerei"?
Autor: Clara Maria Wimmer
Erlangen, Donnerstag, 18. Januar 2024
Seit Januar ist das Busfahren in der Erlanger Innenstadt kostenlos. Viele freuen sich über das neue Angebot, an einigen Stellen erntet das Projekt allerdings auch harsche Kritik.
Das Busfahren in der Erlanger Innenstadt ist zum Jahreswechsel kostenlos geworden. Seit dem 1. Januar 2024 benötigt man dort kein Ticket mehr, um den ÖPNV zu nutzen. Ziel sei es, die Belastung im Zentrum durch den Kfz-Verkehr zu reduzieren: "Zusammen mit dem Parkraumkonzept und der neuen Parkgebührenordnung dient dies zur Aufwertung und Belebung der Innenstadt", heißt es vonseiten der Stadt Erlangen.
Der kostenlose Innenstadtbereich ist zunächst als Pilotprojekt für einen Zeitraum von drei Jahren angesetzt: vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2026. In Kombination mit der Umsetzung des Parkraumkonzepts sei das Projekt in dieser Größenordnung einmalig, weshalb eine begleitende Untersuchung die Entwicklung der Fahrgastzahlen, die Kundenzufriedenheit und den Autoverkehr im Stadtzentrum erörtert.
Kostenlos Busfahren in der Erlanger Innenstadt - wie funktioniert das?
Kunden können alle Buslinien kostenlos und ohne Ticket benutzen, sofern und solange sie sich im Innenstadtbereich bewegen. Dieser reicht von der Werner-von-Siemens-Straße im Süden bis zu den Haltestellen Haagstraße und Schwabachanlage im Norden sowie vom Busbahnhof im Westen bis zur Haltestelle Zollhaus im Osten der Erlanger Innenstadt. Wer über diesen Bereich hinaus mit dem Bus fahren möchte, benötigt wie gewohnt ein gültiges Ticket. Finanziert wird die Maßnahme durch den städtischen Haushalt, mit dem das Defizit an Ticketeinnahmen von circa 305.000 Euro jährlich ausgeglichen wird.
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Im Netz finden sich zahlreiche Stimmen und Meinungen zu der Aktion. "Tolle Sache", liest man hier oder "Super, dass hier mal ein wegweisendes Projekt auf die Straße gebracht wurde" - viele Menschen freuen sich über das kostenlose Angebot. Doch das Projekt erntet auch Gegenwind. "Augenwischerei", schreibt ein User, "wenig sinnvoll", ein anderer. Die Kritik im Netz bezieht sich vor allem auf drei Punkte: Finanzierung, Begrenzung auf die Innenstadt und die gestiegenen Preise für den ÖPNV.
Bezüglich der Finanzierung durch die Stadt hinterfragen viele den "sinnvollen Umgang mit Steuergeldern". Die SPD Erlangen erklärt hierzu: "Die Einnahmesituation der Stadt ist seit Jahren sehr gut." Es werde fleißig in Bildungseinrichtungen und Infrastruktur investiert und die "Finanzierung der kostenlosen Innenstadtzone stellt für den Haushalt keine Herausforderung dar". Eine distanziertere Einordnung des Projekts und der Kritikpunkte gibt der Fahrgastverband Pro Bahn e.V. gegenüber inFranken.de ab.
Fahrgastverband äußert sich zu Kritik am Projekt - "gesamtgesellschaftliche Diskussion"
Der Fahrgastverband Pro Bahn e.V. wurde bereits 1981 gegründet und hat den Zweck, die Interessen von Fahrgästen des ÖPNVs zu vertreten. Sprecher Siegfried Lemmer teilt im Gespräch seine Einschätzung zum kostenlosen Innenstadtbereich in Erlangen. "Wir als Fahrgastverband begrüßen es erstmal sehr, dass die Stadt diesen Versuch macht: den Autoverkehr, der zu einem nicht unerheblichen Teil ein Parkplatzsuchverkehr ist, aus der Innenstadt herauszudrücken. Dadurch würde die Stadt auf jeden Fall an Lebensqualität gewinnen."
Doch auch er übt Kritik. Die Finanzierung sei nicht nur im städtischen Haushalt eine Grundsatzfrage. "Das ist eine gesamtgesellschaftliche Diskussion: Schon auf Bundesebene wird im Autoverkehr viel subventioniert, was man in den öffentlichen Verkehr schieben könnte. Die Frage ist, wie wir hier grundsätzlich vorgehen wollen", erklärt Lemmer. Im Falle Erlangens hält er den Versuch der Stadt für eine "gute Geschichte". Dass der kostenlose Bereich auf die Innenstadt begrenzt ist, hängt in seinen Augen mit der Finanzierung zusammen: "Klar wäre es schön, wenn man auch von woanders kostenlos in die Innenstadt kommen könnte oder kostenlos Eisenbahn fahren könnte. Aber man muss immer überlegen, was finanzierbar ist."