Gratis-ÖPNV in Erlanger Innenstadt - "tolle Sache" oder "Augenwischerei"?

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Erlangen: Kostenloser ÖPNV in der Innenstadt - "tolle Sache" oder "Augenwischerei"?
Ein Mann nennt den kostenlosen ÖPNV in Erlangen "wenig sinnvoll". Der Fahrgastverband Pro Bahn gibt eine Einschätzung aus seiner Perspektive. (Archivbild)
Erlangen Stadtbus Innenstadt
Daniel Krüger/inFranken.de

Seit Januar ist das Busfahren in der Erlanger Innenstadt kostenlos. Viele freuen sich über das neue Angebot, an einigen Stellen erntet das Projekt allerdings auch harsche Kritik.

Das Busfahren in der Erlanger Innenstadt ist zum Jahreswechsel kostenlos geworden. Seit dem 1. Januar 2024 benötigt man dort kein Ticket mehr, um den ÖPNV zu nutzen. Ziel sei es, die Belastung im Zentrum durch den Kfz-Verkehr zu reduzieren: "Zusammen mit dem Parkraumkonzept und der neuen Parkgebührenordnung dient dies zur Aufwertung und Belebung der Innenstadt", heißt es vonseiten der Stadt Erlangen

Der kostenlose Innenstadtbereich ist zunächst als Pilotprojekt für einen Zeitraum von drei Jahren angesetzt: vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2026. In Kombination mit der Umsetzung des Parkraumkonzepts sei das Projekt in dieser Größenordnung einmalig, weshalb eine begleitende Untersuchung die Entwicklung der Fahrgastzahlen, die Kundenzufriedenheit und den Autoverkehr im Stadtzentrum erörtert.

Kostenlos Busfahren in der Erlanger Innenstadt - wie funktioniert das?

Kunden können alle Buslinien kostenlos und ohne Ticket benutzen, sofern und solange sie sich im Innenstadtbereich bewegen. Dieser reicht von der Werner-von-Siemens-Straße im Süden bis zu den Haltestellen Haagstraße und Schwabachanlage im Norden sowie vom Busbahnhof im Westen bis zur Haltestelle Zollhaus im Osten der Erlanger Innenstadt. Wer über diesen Bereich hinaus mit dem Bus fahren möchte, benötigt wie gewohnt ein gültiges Ticket. Finanziert wird die Maßnahme durch den städtischen Haushalt, mit dem das Defizit an Ticketeinnahmen von circa 305.000 Euro jährlich ausgeglichen wird.

Im Netz finden sich zahlreiche Stimmen und Meinungen zu der Aktion. "Tolle Sache", liest man hier oder "Super, dass hier mal ein wegweisendes Projekt auf die Straße gebracht wurde" - viele Menschen freuen sich über das kostenlose Angebot. Doch das Projekt erntet auch Gegenwind. "Augenwischerei", schreibt ein User, "wenig sinnvoll", ein anderer. Die Kritik im Netz bezieht sich vor allem auf drei Punkte: Finanzierung, Begrenzung auf die Innenstadt und die gestiegenen Preise für den ÖPNV.

Bezüglich der Finanzierung durch die Stadt hinterfragen viele den "sinnvollen Umgang mit Steuergeldern". Die SPD Erlangen erklärt hierzu: "Die Einnahmesituation der Stadt ist seit Jahren sehr gut." Es werde fleißig in Bildungseinrichtungen und Infrastruktur investiert und die "Finanzierung der kostenlosen Innenstadtzone stellt für den Haushalt keine Herausforderung dar". Eine distanziertere Einordnung des Projekts und der Kritikpunkte gibt der Fahrgastverband Pro Bahn e.V. gegenüber inFranken.de ab.

Fahrgastverband äußert sich zu Kritik am Projekt - "gesamtgesellschaftliche Diskussion"

Der Fahrgastverband Pro Bahn e.V. wurde bereits 1981 gegründet und hat den Zweck, die Interessen von Fahrgästen des ÖPNVs zu vertreten. Sprecher Siegfried Lemmer teilt im Gespräch seine Einschätzung zum kostenlosen Innenstadtbereich in Erlangen. "Wir als Fahrgastverband begrüßen es erstmal sehr, dass die Stadt diesen Versuch macht: den Autoverkehr, der zu einem nicht unerheblichen Teil ein Parkplatzsuchverkehr ist, aus der Innenstadt herauszudrücken. Dadurch würde die Stadt auf jeden Fall an Lebensqualität gewinnen."

Doch auch er übt Kritik. Die Finanzierung sei nicht nur im städtischen Haushalt eine Grundsatzfrage. "Das ist eine gesamtgesellschaftliche Diskussion: Schon auf Bundesebene wird im Autoverkehr viel subventioniert, was man in den öffentlichen Verkehr schieben könnte. Die Frage ist, wie wir hier grundsätzlich vorgehen wollen", erklärt Lemmer. Im Falle Erlangens hält er den Versuch der Stadt für eine "gute Geschichte". Dass der kostenlose Bereich auf die Innenstadt begrenzt ist, hängt in seinen Augen mit der Finanzierung zusammen: "Klar wäre es schön, wenn man auch von woanders kostenlos in die Innenstadt kommen könnte oder kostenlos Eisenbahn fahren könnte. Aber man muss immer überlegen, was finanzierbar ist."

Auch der letzte Kritikpunkt aus dem Netz - die seit 1. Januar 2024 um durchschnittlich 7,74 Prozent erhöhten Fahrpreise im VGN - erkläre sich von selbst. "Logisch, die Kosten für Energie, Löhne und so weiter steigen, irgendwie muss man das stemmen. Dann kann man entweder die Preise erhöhen oder das Angebot ausdünnen. Das Angebot wollen wir als Fahrgastverband auf jeden Fall beibehalten, sonst kann es zu einem Kippeffekt kommen, dass noch weniger Menschen das Angebot nutzen. Dann bleibt nur eine Erhöhung der Preise." Am einfachsten sei es allerdings, wenn Bund und Freistaat mehr Zuschüsse bewilligen würden - "womit wir wieder bei der Grundsatzfrage nach Subventionierungen wären."

"Gespannt auf die Auswertung": Sprecher von Fahrgastverband skeptisch gegenüber Nutzen

Neben den Kritikpunkten aus dem Netz bringt Lemmer noch ganz andere Bedenken mit ein: "Ich bin vor allem gespannt auf die Auswertung der Stadt." Für ihn stelle sich zuerst die Frage, "ob die Kosteneinsparungen durch das Projekt die Menschen wirklich davon abhält, mit dem Auto in die Stadt zu fahren. Vor allem die Menschen aus den Wohngebieten oder auch aus dem Landkreis, die auch heute trotz ÖPNV und 49-Euro-Ticket mit dem Auto fahren - ist diese Option bisher günstiger oder machen die das ohnehin nur, weil es bequemer ist oder sie es schon immer gemacht haben?" Antworten bringe letztendlich erst die begleitende Untersuchung der Stadt.

Ein großes Problem stelle nicht zuletzt der vorherrschende Personalmangel dar. "Es fehlen Busfahrer, überall. Das ist ein anderes Thema, aber eines, mit dem wir uns bald noch mehr auseinandersetzen müssen", schließt Lemmer. In Nürnberg musste die VAG bereits erste Konsequenzen ziehen - diese Strecken sind betroffen

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