Gesunder Menschenverstand zählt
Autor: Waltraud Enkert
Adelsdorf, Freitag, 30. März 2018
Wenn Vereine feiern, müssen sie verschiedene Vorschriften beachten. Zwei Fachleute standen Vereinsvertretern in Adelsdorf Rede und Antwort.
Was besagt die Versammlungsstättenverordnung (VStättV)? Darüber referierte der Erlanger Sicherheitsingenieur Erich Kämpf im Adelsdorfer Rathaus. Rund 25 Vertreter verschiedener Vereine waren gekommen, um mehr über Sicherheit und Verantwortung bei vereinseigenen Festen zu erfahren.
Wie sich herausstellte, sind Rechte und Pflichten gar nicht so einfach und eindeutig zu regeln. "GMV" - drei Buchstaben, die sich zum geflügelten Wort entpuppten. GMV steht für "Gesunder Menschenverstand" - und der fehle in der heutigen Zeit mehr denn je. Das beklagte auch die Sicherheitsfachkraft der Gemeinde Adelsdorf, Heidi Haus, von der Firma "Ingea Karl Haus" in Forchheim. Jeder habe heutzutage Rechtsschutz und beschreite schnell den Klageweg. Ein Handschlag zähle nicht mehr, und kaum jemand sei noch bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Aus diesem Grund sei der Gesetzgeber auch gezwungen, immer mehr zu regeln. Aber er sei eben nicht in der Lage, alle möglichen Situationen vorherzusehen. Kämpf sagt: "Wer mit gesundem Menschenverstand an eine Aufgabe rangeht, hat schon rund 95 Prozent aller Vorschriften erfüllt." Im Folgenden sind Fragen der Versammlungsteilnehmer und die Antworten der Experten aufgelistet.
1. Wer hat die Verantwortung? Der Chef hat die Organisationsverantwortung. In der Aischgrundhalle ist das Bürgermeister Karsten Fischkal. Der Chef kann aber - am besten schriftlich - jemand anderen mit der Verantwortung beauftragen. Den Hausmeister zum Beispiel. Das ist eine geschulte Person, deshalb auch geeignet.
2.Ab wann gilt man als geschult oder geeignet? Muss ich jetzt jemanden schriftlich beauftragen, wenn er einen Stecker in die Steckdose stecken soll? "Dann nicht", so die Auskunft von Sicherheitsingenieur Kämpf. Wohl aber, um ein Zelt aufzustellen. Dann muss es eine - schriftliche - Aufbauanleitung geben. Und die Helfer des Zeltaufbaus sollten technisch begabt sein.
3.Wann gilt die Versammlungstättenverordnung und was regelt sie? Kämpf: Die VStättV gilt für den Bau und den Betrieb von Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen, die einzeln mehr als 200 Leute fassen. Außerdem für Bau und Betrieb von Stätten mit mehreren Versammlungsräumen, die insgesamt mehr als 200 Besucher fassen, wenn diese Versammlungsräume gemeinsame Rettungswege haben.
Sie gilt im übertragenen Sinn auch für Zelte. Die Vorschrift für Veranstaltungen in Zelten heißt "Fliegende Bauten". Geregelt wird zum Beispiel die Bemessung der Rettungswege und die entsprechende Bestuhlung. Oder, dass zum Beispiel Requisiten mindestens aus normal entflammbarem Material bestehen müssen, die Deko wie beispielsweise Tischdecken aus mindestens schwer entflammbaren Material.
4.Wir planen ein Konzert auf der grünen Wiese. Brauche ich eine Hausordnung? Nein, Hausordnung nicht. Aber die wichtigen Sachen (Rettungsweg ...), eben nach dem gesunden Menschenverstand, müssen vorhanden sein.
5.Wie ist es nun beim Verein? Ist der Vorsitzende zwingend der Veranstaltungsleiter? Nein, nicht zwingend. Er kann schriftlich und mit dessen Unterschrift einen anderen Veranstaltungsleiter benennen.
6.Welchen Boden braucht das Festzelt? Wie muss die Temperatur des Kühlschranks, wie die Küche im Festzelt ausgestattet sein? Heidi Haus antwortet, dass solche Vorgaben in verschiedenen Vorschriften verankert sind. Aber sie könnte eine Checkliste für die wichtigsten Fragen zur Verfügung stellen. Bürgermeister Fischkal versprach, eine solche Checkliste künftig anzuhängen, wenn Vereine ihre Veranstaltungen im Rathaus beantragen.
7.Wenn ein Gast bei einer öffentlichen Vereinsveranstaltung ohne ersichtlichen Grund hinfällt: Wer haftet dann? Dann greift die Eigenverantwortung. Wenn aber ein Stromkabel lose herumliegt, dann ist der Veranstaltungsleiter, sprich Vereinsvorsitzende dran.
8.Wenn im Sportheim eine Feier stattfindet und der Auftraggeber besteht auf hohen Kerzenhaltern - was kann man dann tun, um auf der sicheren Seite zu sein? In diesem Fall jemand Verantwortlichen per Unterschrift unterzeichnen lassen, dass er die Aufsicht für die Kerzen übernimmt. "Denn", so Kämpf: "Kerzen abbrennen ohne Aufsicht ist grob fahrlässig. Da zahlt die Versicherung nicht." Er empfehle nur Teelichter in nicht brennbaren Gefäßen.
9.Wie sieht es aus mit Brandsicherheitswache, Sanitäts- und Rettungsdienst? Bei einer Veranstaltung mit erhöhter Brandgefahr hat der Veranstalter eine Brandsicherheitswache einzurichten. Entschieden wird das wieder mit gesundem Menschenverstand. Wird etwa eine Nebelmaschine eingesetzt, muss der Rauchmelder abgeschaltet werden - somit ist eine Brandsicherheitswache notwendig, erläutern die Fachleute.
10.Eine Veranstaltung für viele Senioren ist geplant. Muss ich etwas Besonderes beachten? In diesem Fall ist es sinnvoll, an einen Rettungsdienst zu denken.
11.Ab wie vielen Personen ist ein Ordnungsdienst sinnvoll? Natürlich kommt es auch ein bisschen auf das Publikum an. Aber ich würde sagen, ab 5000 Leuten sollte ein Ordnungsdienst in Erwägung gezogen werden, sagt der Sicherheitsingenieur.
12.Ich bin der Vereinsvorsitzende und somit der Veranstaltungsleiter. Brauche ich auch einen Vertreter? Ja, es ist sinnvoll, immer schriftlich auch einen Vertreter zu benennen. Einer von beiden muss dann auch während der gesamten Veranstaltung anwesend sein. Rufbereitschaft reicht nicht.