Druckartikel: Geschichte einer unbeschwerten Kindheit

Geschichte einer unbeschwerten Kindheit


Autor: Evi Seeger

Mühlhausen, Sonntag, 06. Dezember 2020

Im neuen Heimatboten aus dem Reichen Ebrachgrund findet sich unter anderem ein Bericht aus dem Limbach der 50er Jahre.
Die Schüler der Limbacher Schule im Jahr 1959 mit Lehrer Fritz Bausewein Foto: privat


"Im Sommer liefen wir barfuß, im Winter mussten wir - auch die Buben - von den Großmüttern oder Tanten gestrickte Wollstrümpfe anziehen", erinnert sich Angelika Beck. Die Strümpfe seien "mit Strapsen an einem Leibchen befestigt worden und kratzten elendiglich". Im neu aufgelegten Heimatboten des Heimatvereins Reicher Ebrachgrund berichtet die heute 70-jährige Autorin über ihre Kindheit in Limbach bei Pommersfelden.

Angelika Beck ist die Tochter des unvergessenen "Rektors Beck", der auch als eifriger Berichterstatter für den Fränkischen Tag in Erinnerung ist. Als junger Lehrer unterrichtete Beck in Limbach und wohnte mit seiner Familie im Schulhaus neben der Kirche. Seine Tochter Angelika erinnert sich in ihrem Beitrag an eine "unbeschwerte Kindheit" in den 1950er Jahren. "Wir waren alle gleich, einfach angezogen." Da hätten auch die Kinder des Lehrers keine Ausnahme gemacht. Die kleine Angelika musste nach der Schule oft mit ihrer "Herd Gäns" zum Gänshüten. Zum Einkaufen sei man zur "Webera", zur "Kratzn Dora", zum "Bäckn Christoph" oder zum "Klaan Herddi" gegangen. Sie weiß noch genau, wie der Alltag auf dem Land aussah, wie es einst beim Schlachten zuging oder wie Konfirmation, Hochzeiten und Taufen gefeiert wurden.

Angelika Beck erzählt über Schule und Kirche, über das Schulzimmer im Obergeschoss, die Lehrerwohnung und die Plumpsklos, wo Zeitungspapier das Toilettenpapier ersetzte. Gleich nebenan sei die Waschküche gewesen. Einmal in der Woche seien die Kinder dort in einer Zinkwanne gebadet worden. Die Waschküche habe auch zum Rupfen und Schlachten der Gänse und Enten gedient. Auch Stallhasen zog die Lehrerfamilie auf. "Aus den Fellen bekam ich einen Mantel und einen Muff", schreibt sie. Daran erinnere sie sich aber nicht gerne, weil der Pelzmantel viele Haare verlor und deshalb in der Kirche kein Kind neben ihr sitzen wollte.

Die rettende Idee

Die Schule von Limbach hätten damals 16 Kinder besucht. "In einem Klassenzimmer unterrichtete mein Vater alle acht Jahrgänge, praktisch gleichzeitig." Wegen der geringen Schülerzahl habe der Schule die Schließung gedroht. Pfarrer und Lehrer hätten jedoch die rettende Idee gehabt: Sie holten Kinder aus dem Waisenhaus in Bamberg und brachten sie bei Limbacher Familien unter.

Angelika Becks Beitrag im Heimatboten ist einfach köstlich zu lesen. Jüngere Leser können dabei Vergleiche zu heute ziehen, wo eine Schule ohne Whiteboards und Computer nicht mehr vorstellbar ist. Die ältere Generation wird beim Lesen so manche Parallele zur eigenen Kindheit und Jugend auf dem Land finden. Dabei gibt es immer wieder Worte zu entdecken, die heute keiner mehr kennt. Oder weiß noch ein Leser, dass die Wäsche am Waschtag einst "gefleiht" wurde.

Im Corona-Jahr kann der Heimatverein sein 34. Jahrbuch nicht wie sonst in einer eigenen Veranstaltung vorstellen. Franz Kachler, der als Redakteur tätig war, kommt deshalb besondere Anerkennung zu. Auf 248 Seiten finden sich 16 Beiträge von insgesamt 13 Autoren.

Der Heimatbote aus dem Reichen Ebrachgrund ist zum Preis von 15 Euro in der Castell-Bank, Schlüsselfeld, bei der Sparkasse Mühlhausen und bei Fisch-Jakob, bei der Gemeindeverwaltung Pommersfelden sowie bei den örtlichen Vorständen und Beiräten des Heimatvereins erhältlich.

Beiträge in der neuen Ausgabe

Die Autobahn A 3 (Klaus Strienz), 2020, das pandemische Jahr (Rudi Schmidt), Kriegsende und Nachkriegszeit im Reichen Ebrachgrund (Manfred Welker), Helden in der Heimatkunde (Christian Enz), Die Geschichte der Stern-Bräu in Schlüsselfeld (Harald Kaiser), Pfarrer Konrad Seeberger aus Buch (Manfred Welker), Die Erhaltung der Mühlhausener Judenschule (Christian Plätzer), Die Chronik von Steppach (Franz Kachler), Zur Geschichte des Schulhauses in Steppach (Georg Zenkel), Limbacher Dorfleben in den 1950er Jahren (Angelika Beck), Corona-Virus (Helmut Schleicher), Der Kannibale von Pommersfelden (Angelika Nusser), Schloss Weißen-stein in Pommersfelden und die Monumenta Germaniae Historica (Manfred Welker), Prälat Georg Werthmann (Rainer Zeh)