"Gerch" auf dem Marktplatz: Der Ritter und die Eidechse
Autor: Bernhard Panzer
Herzogenaurach, Dienstag, 23. April 2019
Der 1988 geweihte Georgsbrunnen hat sich etabliert und erhält inzwischen viel Lob. Anfangs war das kunsthandwerklich gefertigte Stück umstritten.
Kunst und Kitsch liegen eng beieinander. Und darüber lässt sich trefflich streiten. Kunst ist eben Geschmackssache, und die Bewertung eines Objekts liegt auch immer in der Betrachtungsweise des Kritikers selbst. Sie kann wohlwollend ausfallen oder vernichtend, je nach Ansatz.
Zu spüren bekommen hat das der Georgsbrunnen auf dem Marktplatz. Unterschiedlicher hätten die Meinungen kaum ausfallen können. Die einen spotteten von einem Ritter der traurigen Gestalt, der sich martialisch über einer verkrüppelten Eidechse erhebt. Andere sahen des Positive an der Figur, bewerteten weniger die Kunst, sondern vielmehr das Handwerk. Und sie verteidigten die Wahl des Motivs, denn der heilige Georg hatte durchaus einen geschichtlichen Bezug.
Darauf ging auch Hans Ort ein, damals Erster Bürgermeister, als er im Mai 1988 die Rede zur feierlichen Enthüllung hielt. So befand sich bereits im 13. Jahrhundert im benachbarten Schlossgebäude eine Kapelle, die dem Schutzheiligen geweiht war. Seit 1730 fand jeweils am Georgstag, dem 23. April, eine Prozession statt. Deshalb hat sich der Stadtrat damals auch mehrheitlich dazu entschlossen, den Georg einem Zunft- beziehungsweise Handwerksbrunnen vorzuziehen.
Darauf geht heute noch Klaus-Peter Gäbelein ein, der Vorsitzende des Heimatvereins, wenn er Besuchergruppen durch Herzogenaurach führt. Dann erfahren die Gäste auch, dass die St.-Jörgen-Kapelle im Schloss den evangelischen Christen als Gottesdienstraum diente, bis 1934 eine eigene Kirche gebaut wurde.
Umfrage auf dem Marktplatz
Aber was ist mit der Darstellung? Auch darauf ging Ort damals ein, gab es in der Stadt doch kaum ein Objekt, das umstrittener gewesen war. Es sei üblich, dass der Drachentöter in triumphierender Pose abgebildet werde, sagte Ort. Freilich lasse sich über Geschmack streiten. Der FT hat damals, kurz nach der Weihe, eine (nicht repräsentative) Umfrage unter den Betrachtern auf dem Marktplatz gemacht. Tenor der Aussagen: "Der Georgsbrunnen ist schon in Ordnung." Beispielsweise fand das auch Rainer Malzhacker, damals Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank und 39 Jahre jung. Er drückte sich allerdings salomonisch aus: Der heilige Georg passe als historische Figur gut ins Stadtbild.
Weitere Meinungen
Die 25-jährige Sozialpädagogin Andrea Fleissner, damals Leiterin der Arbeitslosenberatung, fand das Kunstwerk zwar handwerklich gut gefertigt, aber ausdrucksschwach. Und die 44-jährige Waltraud Gräwe vermisste bei der Motivwahl den Einfallsreichtum: "Jede zweite Stadt kann sich einen Georg hinstellen." Der 54-jährige Nürnberger Alfred Riedle meinte, dass diese nostalgische Art zum Herzogenauracher Stadtbild besser passe als der Ehebrunnen nach Nürnberg.
Und dann gab es auch noch eine Performance auf dem Marktplatz. Eine Gruppe Jugendlicher hatte sich mit Plakaten bewaffnet und tat ihre Meinung kund. Die Jugend sei nicht gefragt worden, wurde kritisiert. Im Brunnen sahen sie keinen kulturellen Wert, und auch die Motivation des Künstlers vermissten sie. Treibende Kraft der Aktion war der damalige Juso-Vorsitzende Ralf Maier.