FT-Podiumsdiskussion: Viel Wind um die Windkraft
Autor: Sabine Memmel
Weingartsgreuth, Donnerstag, 18. Februar 2016
Gegner und Befürworter des Bürgerwindparks in Wachenroth stellten sich einer zweieinhalbstündigen und emotional aufgeladenen Diskussion.
Eine Stunde nach Ende der Veranstaltung können es Erich Weichlein und Erich Wust immer noch nicht lassen. Fast freundschaftlich stehen sie beieinander und diskutieren munter weiter. "Ich bin überzeugt, der Weichlein wird sich am Windpark in Wachenroth beteiligen", ruft Wust dann plötzlich in die Menge. Der Kronen-Saal in Weingartsgreuth hat sich mittlerweile schon gut geleert. Nur einzelne Zuhörer sitzen noch bei einem Bierchen zusammen. "Die Comedy-Veranstaltung war am Aschermittwoch", kontert Weichlein scherzhaft.
So friedlich und ungezwungen ist es während der rund zweieinhalbstündigen Podiumsdiskussion des Fränkischen Tags allerdings nicht zugegangen. Ganz im Gegenteil. Die Teilnehmer auf dem Podium schenkten sich nichts. Das waren zum einen die Befürworter des geplanten Windparks Wachenroth, Bürgermeister Friedrich Gleitsmann (CSU) sowie Projektant Erich Wust, zum anderen die Gegner der Windkraftanlagen, Erich Weichlein, Sprecher der Interessengemeinschaft Pro und Contra Windpark Wachenroth, sowie Gemeinderat Wolfgang Knorr (UWW).
Langweilig wurde es nicht eine Minute. Emotional, angriffslustig und scharfzüngig ging es auf dem Podium ordentlich zur Sache. Eine Annäherung oder gar ein gemeinsamer Nenner des Podium-Quartetts? Nicht mal ansatzweise. Stattdessen hitzige Wortgefechte, lautstarke Provokationen, ständige Beschuldigungen und ein teilweise barscher Umgangston untereinander. Erich Weichlein brachte sogar seinen eigenen Wecker mit, um jede Sekunde der für jeden geltenden zweiminütigen Redezeit voll auszunutzen.
Die Stimmung im Publikum war nicht weniger emotional aufgeladen. Immer wieder lauter und kräftiger Applaus sowie Unmutsäußerungen zeigten deutlich, was die Zuhörer am meisten bewegte.
Dem Anspruch des Fränkischen Tags, informativ und unterhaltsam zu sein, um den Bürgern eine Orientierungshilfe für den Bürgerentscheid am Sonntag, 28. Februar, zu geben, wurden die Moderatoren, Redaktionsleiter Michael Memmel und Redakteur Andreas Dorsch, gerecht.
Das letzte Wort hat der Bürger
Die Argumente von beiden Seiten hätten nicht unterschiedlicher sein können und prallten mit voller Wucht aufeinander. So pochten Weichlein und Knorr immer wieder auf die Einhaltung der 10H-Regel. Infraschall, Schattenwurf und eine bedrückende Wirkung - eindringlich warnten sie vor Auswirkungen der Windräder, wenn der von ihnen geforderte Abstand zur bestehenden Wohnbebauung nicht eingehalten wird. "Wir haben die Lärmbelästigung der Autobahn, die Rastanlage wird ausgebaut, wir haben zwei Biogasanlagen und eine Hochspannungsleitung - wieviel Belastung wollen wir uns noch antun?", fragte Weichlein. Bürgermeister Gleitsmann berief sich dagegen auf die gemeinsame Entscheidung des Gemeinderats 2012, sich mit einem eigenen Bürgerwindpark an der Energiewende zu beteiligen. An dieser Einstellung habe sich auch heute nichts geändert. Nun liege das letzte Wort bei den Bürgern. Eine 10H-Regelung in Wachenroth ist Gleitsmann zufolge nicht realisierbar: "Wir würden immer drunter fallen."
Stattdessen betonte der Rathaus-Chef die Pachteinnahmen von rund 25 000 Euro, die durch die Windkraftanlagen jährlich aufs Konto der Gemeinde gehen würden. "Der ein oder andere wird wegen der Windräder nicht mehr herziehen oder sogar wegziehen. Sind das die 25 000 Euro wirklich wert?", fragte Knorr. Warum er nicht schon damals seine Stimme erhoben hat, als in direkter Nachbarschaft die Bürgerwindgesellschaft Lonnerstadt ihre Windräder aufgestellt hat? "Ein denkender Mensch ändert seine Meinung", reagierte Knorr.
Keine gesundheitlichen Schäden
Eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Windräder ließ Wust nicht gelten. Er beharrte darauf, dass der von den Windrädern emittierte Infraschall in einer Höhe von 200 Metern in keiner Weise gesundheitsschädlich sei. Für viel Gesprächsstoff sorgte schließlich auch das Gerücht, dass Wusts Firma "Wust, Wind und Sonne" mittlerweile ein Büro im Wachenrother Rathaus eingerichtet hätte. "Sitz und Geschäftsräume sind in der Hauptstraße 23. So steht es im Handelsregister. Sie sind eine private Firma. Bearbeiten dann auch die Rathausmitarbeiter Ihre Post, Herr Wust?", wunderte sich Weichlein. Wust erklärte jedoch mehrmals ausdrücklich, dass der Sitz des künftigen Windparks aus gewerbesteuerlichen Gründen in der entsprechenden Standortgemeinde liegen müsse. "Mir ist kein anderer Bürger über den Weg gelaufen, wo wir diesen Sitz noch hätten festlegen können", antwortete Wust schnippisch. Auch Gleitsmann war sauer und entgegnete: "Behaupten Sie nicht so falsche Sachen. Es hat sich keine Firma angesiedelt. Wenn wir alles melden müssen, dann müsst ihr das beantragen."
Petra Zoll, Weingartsgreuth "Den Bürgerentscheid hätte es nicht gebraucht. Sie hatten uns versprochen, dass Sie nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden", wandte sich die Bürgerin am Bürgermeister Friedrich Gleitsmann. Auch eine versprochene Informationsveranstaltung zu dem Windpark sowie Bürgerversammlungen habe es nicht gegeben. Gleitsmann räumte ein, dass ein Informationsabend mit Wust, Wind und Sonne geplant war, dann aber der Bürgerentscheid dazwischen kam. Zudem habe es ihm zufolge mehrere Bürgergespräche gegeben. "Wir haben in unserer Gemeinde so einen Spalt, so einen Unmut, sind Ihnen das diese Windräder wirklich wert?", wollte Zoll wissen. "Genau diese Frage stelle ich an Sie zurück", antwortete Gleitsmann.
Helmut Weinig, Wachenroth "Ich bin nicht gegen Erneuerbare Energien. Ich nutze Geothermie und habe Solar auf dem Dach. Für mich stellt sich aber nicht die Frage: Windkraft ja oder nein. Es geht vielmehr um den Wachenrother Menschen, der im Mittelpunkt stehen sollte", betonte Helmut Weinig. Ob Erich Wust, Projektleiter des Windparks, die Wachenrother egal sind? "Selbstverständlich nicht. Hier werden durch Übertreibung Unwahrheiten und Halbweisheiten über Windräder verbreitet. Auch ich wohne seit zehn Jahren 650 Meter von einer Windkraftanlage entfernt. Meine Frau betreibt sogar einen Ferienhof", erzählte Wust. "Wenn ich Ziegenzüchter wäre, würde ich auch Ziegen direkt in meinem Garten halten", konterte Erich Weichlein, Mitinitiator der Bürgerinitiative.
Detlef von Witzleben, Weingartsgreuth "Was spricht für Sie dafür, Windräder gegen den Willen der Bürger zu bauen, die Sie letztlich gewählt haben, nur um 25 000 Euro zu bekommen?", wollte Detlef von Witzleben wissen. Bürgermeister Gleitsmann verwies auf den Bürgerentscheid am 28. Februar. Das Ergebnis müsse man zunächst abwarten, um den Willen der Bürger zu kennen. "Wir wollen für die Bürger da sein und hoffen, dass die Beteiligung groß ist", so Gleitsmann. Von Witzleben zufolge stelle der Bürgermeister diejenigen Bürger, die sich gegen die Windkraft in Wachenroth stellen, als "die Bösen" dar. "Wir haben niemand als böse bezeichnet. Ich denke, dass eher wir als böse bezeichnet werden", fand Gleitsmann.
Gerhard Schmidt, Wachenroth "Die Gemeinde Wachenroth liefert durch diesen Windpark ein katastrophales Bild nach außen", fand Gerhard Schmidt. Windkraftanlagen, die die 10H-Regelung nicht erfüllen, würden einem detaillierten Prüfungsverfahren unterliegen. "Sie lassen 10H wie ein Damoklesschwert über die Diskussion schweben. Das ist zu emotional und bringt uns nicht weiter", wandte er sich an die Gegner des Windparks. "Wer nimmt denn die Windräder in Lonnerstadt ernsthaft wahr? Wer hat sie schon gehört?" Gemeinderat Wolfgang Knorr (UWW) kam in diesem Zusammenhang auf den Schattenwurf zu sprechen: "In Weingartsgreuth kann ein Haus 121 Tage vom Schattenschlag betroffen sein." Die Befürworter-Seite betonte mehrfach, dass das nicht stimme.
Gerhard Hofmann, Revierleiter Wachenroth 15 000 Quadratmeter Wald müssten für die Windräder in Wachenroth gerodet werden. Laut Gerhard Hofmann spricht laut Naturparkverordnungen nichts dagegen. Stephan Keilholz, Betriebsleiter in Forchheim, habe ihm bestätigt, dass sich der Freistaat bei einem Erfolg des Bürgerentscheids nicht gegen den Willen der Bürger stellen wolle. Für Projektant Wust wäre es dagegen auch bei einem Nein der Bürger gegen die Windräder eine Option, Windräder im Staatswald Birkach aufzustellen. Auch der Chef von Keilholz wäre ihm zufolge damit einverstanden. "Ich finde es daneben, wenn man suggeriert, wenn wir da keine Windräder aufbauen, dann eben dort", monierte Hofmann. Gemeinderat Knorr schloss sich ihm an.
Freiherr Job von Seckendorff, Weingartsgreuth Freiherr Job von Seckendorff wunderte sich, dass Bürgermeister Gleitsmann aus zwei Weingartsgreuther Vereinen ausgetreten sein soll, kurz nachdem er die Unterschriften der Bürgerinitiative überreicht bekam. Gleitsmann wehrte sich eindringlich: "Das ist ja eine ganz neue Erkenntnis, die ich da höre." Wenn er als Privatmann einem Verein bei- oder austrete, bleibe er auch Privatmann. "Ich verstehe außerdem nicht, was das mit dem Thema heute zu tun hat. Wenn Sie Behauptungen aufstellen, sollten Sie auch stimmen."
Felix Knorr, Horbach Felix Knorr erzählte, dass eine Einwendung wegen des möglichen Schattenwurfs der Windräder, abgewiesen wurde. Darin wurde gefordert, dass die Windräder nicht erst nach 30 Minuten, wie rechtlich vorgegeben, sondern bereits zu Beginn eines Schattenschlags, abgeschaltet werden. Planer Stefan Paulus reagierte: "Die Windräder sind mit einer Schattenabschaltautomatik ab 30 Minuten ausgestattet."
Dieter Geyer, Weingartsgreuth Warum ein Windpark des geplanten Windparks nicht mehr so hoch platziert sei wie ursprünglich angedacht, fragte sich Dieter Geyer. Planer Stefan Paulus bestätigte, dass das Windrad um 50 Meter nach Osten verschoben wurde. Paulus erklärte, dass dieser Entscheidung mehrere Gründe vorausgingen. Man wollte damit nicht nur Geld sparen, sondern auch nicht noch mehr Fläche in Anspruch nehmen. Zusätzlichen Wegebau für einen Kran und weitere Geräte habe man sich somit erspart. "Wir haben das Windrad quasi nur um 180 Grad gedreht. Es liegt weiterhin direkt am Weg", sagte Paulus.
Johann Reichenbach, Steppach Im Fernsehen habe Johann Reichenbach gesehen, dass es auch Gebiete in Bayern gebe, wo keine Windräder gebaut werden. "Die Alpenregion wehrt sich vehement gegen Windkraftanlagen. Ich weiß noch, dass mal auf der Brenner-Zubringer-Straße ein Windrad stand, plötzlich war es nicht mehr da", erzählte Bürgermeister Gleitsmann. Der Druck durch die bayerische Landesregierung steige allerdings, so dass ihm zufolge auch in Oberbayern bald mehr Windräder stehen würden. "In den touristischen Gebieten gibt es weniger Windräder, obwohl dort auch Wind wäre", meinte auch Gemeinderat Knorr.
Dieter Emmerich, Energiewende Erlangen und Erlangen-Höchstadt "Wir sind in der Region an vielen Windparks beteiligt. Alle laufen wirtschaftlich. Bürger können sich schon mit 500 Euro an den Erträgen beteiligen", erklärte Dieter Emmerich. Dass die Bundesärztekammer einen Mindestabstand von 2000 Metern zur Wohnbebauung empfohlen habe, wie es die Gegner darlegten, sei eine "glatte Lüge". Es gebe nichts, was gegen Windräder ab einem Abstand von 200 bis 300 Metern spreche. Weichlein betonte die Richtigkeit seines Zitats. "Sie können nicht sagen: Wir sind für die Energiewende, aber bitte nicht bei uns", sagte Emmerich.
Fakten rund um den Bürgerentscheid
10 H-Regel Sie soll dem Interessensausgleich zwischen den Anforderungen der Energiewende und der Wohnbevölkerung dienen. Der Abstand zwischen einem Windrad und den nächstliegenden Wohnhäusern muss mindestens das Zehnfache der Höhe des Windrads (Nabenhöhe plus Rotorlänge) betragen.
Ausnahme Der Wachenrother Gemeinderat hat mit klarer Mehrheit beschlossen, nicht auf diese 10H-Regel zu bestehen.
Widerstand Einzelne Bürger sind mit dem Gemeinderatsbeschluss nicht einverstanden. Sie gründeten eine Interessengemeinschaft und starten das Bürgerbegehren "Sag ja zu 10H!". Das Bürgerbegehren war erfolgreich. Mit den gesammelten Unterschriften wird ein Bürgerentscheid am Sonntag, 28. Februar, erzwungen.
Entscheidung Um die Windräder bauen zu können, ist ein rechtskräftiger Bebauungsplan Voraussetzung. Um dessen Aufstellung geht es im Bürgerentscheid.
Voraussetzung Erfolgreich ist der Bürgerentscheid, wenn die Mehrheit mit Ja stimmt. Diese Mehrheit müssen aber mindestens 20 Prozent der Wachenrother Wahlberechtigten sein.
Bei derzeit etwa 1660 Wahlberechtigten in Wachenroth wären 332 Ja-Stimmen nötig.