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Freiheit im Jazz: Kulturpreisträger Rainer Glas


Autor: Sebastian Martin

Weisendorf, Samstag, 17. November 2012

Der Bass ist sein Lieblingsinstrument, die Jazzmusik seine Liebe, die Freiheit sein Gewinn: Profimusiker Rainer Glas hat den Kulturpreis des Kulturvereins Erlangen-Höchstadt erhalten. Ein Besuch im Keller eines Mannes, der den Sinn gefunden hat.
Ein Mann mit seinem Lieblingsinstrument: Der Bassist Rainer Glas  in seinem Musikzimmer, wo die Ideen entstehen.   Fotos: Sebastian Martin


Die Freiheit liegt in einem Keller in Weisendorf. In einem Raum, der nicht größer ist als eine einfache Garage. Es ist gar nicht so schwer, zu ihr zu gelangen. Wer die Tür des unscheinbaren Hauses passiert und nach rechts zur Treppe schwenkt, ist nur noch wenige Stufen entfernt - da! Gleich hinter einem Vorhang - da ist sie zu finden.

Die Freiheit ist nah. Sie riecht ein wenig nach Räucherstäbchen. Angenehm. Das knisternde Holz im Ofen, der alte Kontrabass mit dem Löwenkopf vor dem Plattenregal im Eck. Die zwölf Bässe des Meisters in einer Nische, als ob sie nie woanders gestanden hätten. Indianische Trommeln, Federn hinter eine Glasscheibe - Schamanentum - ein Buddha. Ein Raum, der mehr verspricht als nur vier Wände und ein bisschen Deko.

Hier entstehen Ideen zu neuen Improvisationen.

Eine kurze Zeit bei Rainer Glas im Keller in seinem Musikzimmer verbracht, und die Welt, sie beginnt sich langsamer zu drehen. Spätestens dann, wenn der Profimusiker einem auf dem Hocker gegenübersitzt, dessen Sitzfläche mit "Fender" beschrieben ist. Er lächelt, grinst fast. Es gibt Tee, man versinkt in der Couch und blickt zu dem "Freigeist", wie er sich selbst bezeichnet, von etwas weiter unten auf. Der Mann ruht in sich.

Hinter der Couch hängen drei seiner Musikerporträts, die Glas selbst einmal gemalt hat. Das Porträt von Attila Zoller, mit dem der verheiratete Familienvater selbst noch zusammenspielte, hängt in der Mitte. Links und rechts daneben Vorbilder von früher. Eric Dolphy und Charles Mingus. Heute benötigt Glas längst keine Vorbilder mehr. Inzwischen ist er selbst zum Vorbild geworden.

Mit 22 Jahren hatte der Mann mit der Mütze schon beim Bayerischen Rundfunk seinen ersten Produktionstermin, da war er noch Grafikdesign-Student an der Kunstakademie in Nürnberg und hing in den Jazzclubs ab. Heute sind es bald 30 Alben, die er bespielt hat. Mit seinem Duo "Nebbich" in den 70er Jahren, als er noch Kontrabass - den mit dem Löwenkopf - spielte; mit dem "Overtone Orchestra"; mit dem Pianisten Thomas Fink, mit dem er seit 1976 zusammenspielt.

Jetzt sitzt Rainer Glas also hier in seinem Zimmer und schlürft Tee. Am Tag zuvor hat er aus den Händen von Landrat Eberhard Irlinger (SPD) den Kulturpreis des Kulturvereins Erlangen-Höchstadt erhalten. "Schön" fühle sich das an, sagt Glas über den mit 2000 Euro dotierten Preis. Die bronzene Statue von Künstler Josef Hirthammer steht im Flur auf einer Kommode.

Glas blickt zu seinem fünfsaitigen Fender-Bass, der rechts neben ihm am Boden steht. Momentan könnte sich der 58-Jährige kein besseres Instrument vorstellen als das Exemplar Baujahr 1990. Er hat es extra umbauen lassen. Die Bünde entfernen lassen. Jetzt können seine Griffe über den Basshals fliegen, "dann spricht er mehr", der Bass, sagt Glas.

Er kann den E-Bass spielen wie er es auf seinem Kontrabass in den 70er Jahren getan hat. Seine Finger können alles inzwischen, Bünde wären nur störend. So ist es auch mit dem Jazz, den liebt er so, weil Jazz ihm keine Grenzen setzt.

Bei seinen Auftritten wird immer improvisiert. "Was man macht, weiß man vorher nie, man geht den Weg durch das Stück", und zwar gemeinsam. Reine Teamarbeit ist es, wenn er beispielsweise mit der Schlagzeugerin Carola Grey und dem Pianisten Bernhard Pichl auf der Bühne steht, wie am Donnerstag bei der Verleihung des Kulturpreises geschehen. Glas reiht sich ein. Maximale Freiheit. Das gilt für jeden. Für Rainer Glas speziell, er hätte nie eine andere Musik machen können als Jazz. Überhaupt: "Ich war nie an dem Punkt, zu sagen, ich hör' ganz auf. Dann hätte ich am Sinn des Lebens gezweifelt." Jazz ist sein Leben.

Am 27. Januar will er seine neue CD aufnehmen. Mit orientalischen Musikern bei einem Live-Konzert in Erlangen. An diesem Sonntag kommen die Musiker aus Marokko, Libanon und Iran zu ihm, Rainer Glas wird einen Tee kochen und sie werden üben, im Keller, wo die Freiheit liegt.