Ich stottere seit meiner Kindheit. Früher war das Stottern sicher schlimmer als heute. Es war auch mit Angst, Scham und Schmerz verbunden. Es war nicht immer leicht, damit umzugehen. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem ich mich entschieden hatte, mich nicht länger dahinter zu verstecken, sondern offen und auch offensiv damit umzugehen, mich hin und wieder damit zu konfrontieren. So habe ich mich im Jahr 2011 also dazu entschlossen, diesen Film zu machen. 
Der Film "The King's Speech" genügte bei Ihnen, um altbekannte Gefühle auszulösen?
Colin Firths Darstellung als stotternder King George war sehr gelungen und realistisch gespielt. Es gibt am Anfang des Films eine Situation, in welcher der König vor einer großen Menschenmenge sprechen muss, was natürlich nicht problemlos funktioniert. Man sieht ihn sehr groß auf der Leinwand, mit eben dieser Angst in den Augen, die jeder Stotternde sicher gut kennt. Genau in diesem Moment hat im Kinosaal hinter mir jemand gelacht. Und diese zwei Dinge haben sich vermischt und mich in meine Vergangenheit zurück katapultiert ...
  
  
  
  
  
    
    
    Wen holten Sie für Ihren Film ins Boot und war es schwer, diese Menschen zu überzeugen, bei Ihrem Projekt mitzumachen?
Das war sehr schön, denn die Leute sind uns großteils irgendwie in den Schoß gefallen. Angefangen hat es mit unserer Kamerafrau Judith Benedikt, die uns wiederum an den Produzenten Peter Janecek vermittelt hat. Er war sofort begeistert von unserer Projektidee und wollte unbedingt mit uns diesen Film machen. Sein Enthusiasmus hat die gesamten sechseinhalb Jahre angehalten!
Die Protagonisten zu finden war auch nicht so schwer. Einige stammen aus unserem Bekanntenkreis. Den jüngsten, Benedikt, haben wir per Ausschreibung gefunden, was wirklich ein Glücksgriff war. David Seidler, der Drehbuchautor von "The King's Speech", war gerade zufällig in Wien zur deutschsprachigen Uraufführung des Theaterstückes. Da haben wir nicht lange gefackelt und um ein Interview gebeten. Das war dann mein erstes Gespräch, das ich für den Film vor der Kamera geführt habe.
Was war das Ziel Ihres Filmprojektes?
Wir wollten das Thema Stottern "von innen heraus", auch mit einem humorvollen Blick auf dieses Sujet, behandeln und zeigen, dass es viele individuelle Wege gibt, damit umzugehen. Wir wollten mit so manchem Vorurteil aufräumen und auch ein Tabu brechen. Mir persönlich war auch immer sehr wichtig, aufzuzeigen, dass Stottern weit mehr ist als das, was man hört und sieht. Es geht im Film ja auch um viel mehr als um das Stottern allein. Es geht einfach darum, dass man etwas hat, das man eigentlich nicht will und man muss trotzdem schauen, wie man damit zurecht kommt. Und so etwas hat ja jeder, behaupte ich jetzt mal ...
Sie sind ja dann selbst vor die Kamera getreten. War das geplant?
Nein, das war anfangs so nicht geplant. Aber im Laufe der Entwicklungsgespräche zwischen Petra und mir wurde schnell klar, dass ich eigentlich auch vor die Kamera treten muss, wenn wir das Thema tatsächlich "von innen heraus" behandeln wollten. Denn das ist natürlich ein riesengroßer Bonus, als Betroffene selbst die Fragen stellen zu können. Denn ich traue  mich natürlich auch, andere Fragen zu stellen, die ein Nicht-Stotternder entweder nicht wagen würde zu stellen, oder auf die er gar nicht kommen würde.
Hat Ihnen dieser Film mit all seiner Arbeit und dem Eintauchen in Ihre eigene "Stotter-Problematik" geholfen und wenn ja, wie?
Ja, es war einfach noch einmal ein neuer und weiterer Schritt, das Thema zu bearbeiten. Durch die vielen Gespräche mit anderen war es eine große Reflexion der eigenen Geschichte. Das war gut. Und das Sprechen vor der Kamera oder besonders auch im Tonstudio war eine Herausforderung für sich!
Gibt es Tricks, wie man sein Stottern besser in den Griff bekommt? Singen statt sprechen würde helfen, wird allgemein angenommen.
Naja, Singen tut einfach jedem gut. Ich würde es keinesfalls als Therapie bezeichnen, man kann ja auch schlecht singen statt sprechen. Beim Singen und Sprechen werden zudem verschiedene Gehirnareale benutzt, deshalb stottert man in der Regel beim Singen nicht. Das wird auch in unserem Film thematisiert. Ich würde sagen, jeder Stotternde hat so seine Tricks bzw. Techniken. Aber im Grunde muss jeder seinen eigenen Weg finden, wie er am besten mit seinem Stottern leben kann.
Haben Sie Ihr Ziel erreicht?
Ja, das würde ich schon sagen. Ich persönlich habe das Stottern und mein Stottern noch einmal von allen Seiten beleuchten können. 
Petra und ich haben es einfach geschafft, einen sehr persönlichen Film zu machen, der bisher viele Menschen, ob stotternd oder nicht, emotional berühren konnte und dem Thema ein bisschen seine Schwere nehmen und somit auch etwas das Tabu brechen konnte. Darüber freuen wir uns sehr.
Das Gespräch führte Johanna Blum.
Der Film läuft in den Lamm-Lichtspielen in Erlangen am Sonntag, 11. November, um 16 Uhr sowie am 12. und 13. November jeweils um 14.30 Uhr. Am Sonntag, 11.November findet im Anschluss an den Film ein Regiegespräch mit Petra Nickel und Birgit Gohlke statt. Am Dienstag, 13. November, wird er in Bamberg um 18.45 Uhr in den Lichtspielen gezeigt. Auch hier findet im Anschluss daran ein Gespräch mit den beiden Regisseurinnen statt. Weitere Infos und Termine finden sich unter www.meinstottern.at.