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Fleißiger Chor ohne Nachwuchs


Autor: Pauline Lindner

Höchstadt a. d. Aisch, Dienstag, 22. März 2016

Der Liederkranz Höchstadt blickt auf eine lange Tradition zurück und probt eifrig für seine Auftritte. Doch junge Sänger sind nicht in Sicht.
Am Klavier werden die Lieder für die Proben angestimmt. Foto: Pauline Lindner


Plaketten, Ehrenteller, viele Fotografien, eine Tafel, auf der die alten Briefköpfe mit der Lyra erhalten sind - die Räume des Gesangsvereins Liederkranz im Haus der Vereine zeigen eine lange Vereinsgeschichte auf, wurde doch der heutige gemischte Chor schon 1869 als Männergesangverein gegründet. Die Räume wirken trotzdem gemütlich, auch wenn bei so mancher Probe das Chorleiterehepaar Irina und Gabriel Konjaev die Sänger ganz schön fordert.

Diesmal haben sie es leichter, Wiederholungen stehen auf der Agenda. Chorsätze, die beim Konzert im November unter dem Titel "Sehnsuchtsmelodien" zu Gehör gebracht worden waren, werden für eine Veranstaltung des Sängerkreises im April in Röttenbach aufgefrischt.


Tonleitern für Geschmeidigkeit

Doch gemach! Zuerst heißt es, sich einsingen.
So lustig es für den Nichteingeweihten auch klingen mag, die Tonleitern auf Silben wie la oder mu machen die Stimmbänder geschmeidig. Dann erst dürfen die Choristen ihre Notenmappen herausholen. "Island in the Sun" - genauer die deutsche Textversion des Songs von Harry Belafonte, wie sie einst Caterina Valente gesungen hat - ist als erstes dran. Gabriel Konjaev schlägt das kleine Vorspiel an, hebt leicht die Hand und der Chor setzt ein.

Eine kleine Unsauberkeit bei den Synkopen, ein Einsatz ein Achtel zu spät. Konjaev probt mit der jeweiligen Stimme die Passage, bis sie wieder sitzt. Das Vorgehen wiederholt sich beim zweiten Lied, die "Capri-Fischer", das um 1950 Rudi Schuricke zu einem Welthit machte. Der Schlager war damals in den Anfängen des deutschen Wirtschaftswunders der Inbegriff der Sehnsucht nach dem Süden. Es ist nicht auszuschließen, dass solche Gedanken auch Maria Amtmann durch den Kopf gingen, als sie als Vereinsvorstand mit den Chorleitern das Repertoire für das jüngste eigene Konzert auswählte.

"Wir haben auch vor einigen Jahren englische Titel probiert", sagt sie. Zum einen habe es doch eher fränkisch-englisch geklungen, zum andern kam dadurch auch kein neuer Sänger zur Runde. Nachwuchs - oder vielleicht besser: neue Mitstreiter - ist auch das Thema der an die montägliche Chorprobe sich anschließenden Jahresversammlung.

"Wir werden älter mit jedem Jahr", räumt auch Amtmann bereitwillig ein und stellt in Frage, ob der Chor vom organisatorischen her nochmals ein eigenes Konzert stemmen kann. Eine andere Form? Zusammenarbeit mit anderen Chören?

Einer bringt die Idee einer Art Wirtshaussingen ein, bei der die Gäste eben ihre Wunschmelodien äußern könnten. Doch auf Einstimmigkeit wollen etliche nicht zurück, haben sie sich doch seit vielen Jahren in der Kunst des mehrstimmigen Gesangs geübt. An Schubert-Lieder denkt da Maria Amtmann und ebenso der Ehrenvorsitzende Adolf Linseis.


Keine Spirale nach unten

"Wir werden zusammen alt werden", kämpft Irina Konjaev gegen die sich breitmachende Mutlosigkeit an. "Die Sänger sind sehr fleißig und machen alles, was wir sagen", lobt sie. Auch Jörn Matthießen will keine "Spirale nach unten" sehen. Der Neu-Höchstadter aus Kiel, ein erfahrener Chorsänger, schätzt am Liederkranz neben dem Gesang den Zusammenhalt und die Geselligkeit der Singstunden. Und er fügt einen entscheidenden Satz an: "Es gibt Kinder-, Jugendchöre - und es gibt auch Seniorenchöre."

Gerade hier sieht die 90-jährige Betty Schreier ein besonderes Potenzial: die gesundheitsfördernde Wirkung des regelmäßigen Atemtrainings. Ein Auftritt im Stehen mag manchem älteren Sängern einfach zu anstrengend sein, aber die Singstunde im Sitzen ist durchaus eine Art Gymnastik. Und dazu möchte sie auch andere ermuntern.


Für so viel Treue reichen die Ehrenzeichen nicht

Zu einem Verein mit so langer Tradition gehören auch Ehrungen für vieljähriges Singen in Chören. Das weiß auch der Fränkische Sängerbund und der Deutsche Chorverband. Deshalb haben beide Sängervereinigungen auch Ehrenzeichen geschaffen. Für zehn Jahre gibt es eine Ehrennadel in Bronze. Die haben sich in diesem Jahr beim Liederkranz Hannelore Schubert, Ulrike Groß und Inge Penka "ersungen".

40 Jahre Chorgesang, das ist eine lange Zeit und den Dachorganisationen eine Ehrennadel in Gold wert. Sie durfte Vorsitzende Maria Amtmann an Ludwig Rosenthal aushändigen. Das sind vier Personen gewesen, aber Amtmann hatte zu Beginn der Ehrung doch von zwölf gesprochen?

Sage und schreibe acht Sängerinnen und Sänger beim Liederkranz erhalten ihre Auszeichnung für noch mehr Jahre Singen im Chor. Sie sind solange bei der Stange geblieben, dass gar keine besondere Auszeichnung dafür existiert. Bei Alois Schell, Oskar Fuchs und Konrad Hubert jährt es sich zum 50. Mal, dass sie in einem Chor starteten; bei Erika Schell und Karl Sittmann sind es gar 60 Jahre. Und kaum vorstellbar ist es, dass Betty Schreier, Theresia Amon und Leo Völlner sich in ihre Stimmlage bei einem Chor einreihten. Mangels eigenem, auf die Zeitspanne abgestimmten Ehrenzeichen mussten sie sich mit der Goldenen Nadel begnügen. Einziges Schmankerl für sie: Sie haben freien Eintritt bei allen Konzerten und Veranstaltungen von Chören, die Mitglied beim Fränkischen Sängerbund sind.


Ich bin dabei, weil ...

... ich gern singe. Ich bin schon 52 Jahre in unserem Chor. 22, 23 Jahre davon war ich Vorstand und habe das Amt vor nunmehr drei Jahren abgegeben.(Adolf Linseis)

...ich seit der Schulzeit gern singe. Daran habe ich Freude. Ich bin musikbegabt und habe früher Klavier gespielt. Zum Liederkranz bin ich durch Freunde gekommen. Ich finde den Zusammenhalt großartig und auch unser Chorleiterpaar Irina und Gabriel Konjaev. (Ulrike Groß)

... man immer singen kann. Ich habe mich schon vor meiner Eheschließung - da war ich so 20, 21 Jahre alt - dem Liederkranz angeschlossen. Nur in der Zeit, als ich kleine Kinder hatte, habe ich pausiert. Außerdem singe ich auch noch im Kirchenchor. (Erika Schell)

... hier so nette Leute sind. Wir sind 2014 aus Kiel nach Höchstadt gezogen. In meiner Heimat habe ich in einem Gospelchor, in Shanty-Chören, aber auch in einem gemischten Chor gesungen. Ich schaute mich in der Region nach einem passenden Chor um und bin beim Liederkranz gelandet. Hier nahm man mich und meine Frau besonders herzlich auf. Es ist eine tolle Gemeinschaft und wir haben eine hochqualifizierte Chorleitung. (Jörn Matthießen)

... ich als Mädchen in einem Kirchenchor angefangen habe. Auch mein Vater hat gesungen. Am Liederkranz gefällt mir, dass auch weltliches Liedgut und klassische Volkslieder gesungen werden. (Theresia Amon)